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"Die Flucht" Emotionaler Zweiteiler sorgt für Debatten

Die massentaugliche Aufarbeitung von Geschichte im Fernsehen geht weiter. Mehr als 2000 Statisten, 250 Pferdewagen, 60 Drehtage - neun Millionen Euro investierte die ARD in den Zweiteiler "Die Flucht". Ein emotional brisantes Thema, dass auch die Hauptdarstellerin Maria Furtwängler sehr bewegt.

Erst in den vergangenen Jahren wagten sich vornehmlich Dokumentarfilmer wie der ZDF- Geschichtsexperte Guido Knopp an das heikle Thema, bei dem sie die Waage zwischen dem unendlichem Leid der Zivilbevölkerung und den Forderungen Betroffener nach Wiedergutmachung für den verloren gegangenen Besitz halten mussten. Rund zwölf Millionen Deutsche waren im Zweiten Weltkrieg auf der Flucht, schätzen Historiker. Ein großer Teil der Vertriebenen stammt aus Ostpreußen.

Und so ist es kein Wunder, dass bei diesem sensiblen Thema schon im Vorfeld der Ausstrahlung des ARD-Zweiteiler "Die Flucht" teils heftige und sehr emotionale Debatten geführt wurden. Für Hauptdarstellerin Maria Furtwängler war es die größte Herausforderung ihrer Karriere. "Unendlich aufgewühlt", wie Furtwängler gegenüber stern.de sagte, traf sie nach der Premiere Anfang März betroffene Frauen, die ihr von ihrem Schicksal, von Vergewaltigung und Hungersnot auf der Flucht, erzählten. Einen Tag später forderte Furtwängler in einem Interview der "Bild am Sonntag" eine Entschuldigung von dem russischen Präsidenten Putin, wodurch sie eine kontroverse Revanchismus-Debatte anstieß. "Ich kann sagen, aus welchem tieferen Sentiment heraus das gekommen ist - nämlich dass Geschichte über uns Frauen immer hinweg geht. Dabei waren und sind Frauen immer unendlich viel Leid ausgesetzt, aber sie spielen in der politischen Dimension keine Rolle - und darauf sollte mal ein Blick geworfen werden. Dennoch war es ungeschickt von mir - haben wir uns je für 20 Millionen Tote Russen entschuldigt? Ich glaube nicht", so Furtwängler gegenüber stern.de

Gedreht wurde "Die Flucht" mit einem Budget von neun Millionen Euro unter Bedingungen, die an das Schicksal der Flüchtlinge vor mehr als 60 Jahren erinnern. Die Personen und ihre Geschichte sind allerdings erfunden. Das Drama beginnt Mitte 1944 in Berlin. Lena Gräfin von Mahlenberg (Furtwängler) verlässt die Reichshauptstadt, um sich mit ihrem todkranken Vater Berthold (Jürgen Hentsch) auf dem ostpreußischen Landsitz auszusöhnen. Ihre Entscheidung für ihr Kind, die Tochter Viktoria, und gegen die Ehe mit Heinrich Graf von Gernstorff (Tonio Arango) hatte zum Bruch mit dem Vater geführt. Um zu beweisen, dass sie eine gute Tochter ist, übernimmt sie auf dem Landgut Verantwortung. Sie will Heinrich sogar heiraten. Doch wenige Stunden vor der Hochzeit platzt die Eheschließung, denn Heinrich hat seinen Bruder Ferdinand als Deserteur ausgemacht. In seiner Verzweiflung nimmt sich dieser das Leben. Unterdessen rückt die Front näher.

Nadelöhr Kurische Nehrung unter Dauerbeschuss

Lena beginnt notgedrungen mit den Vorbereitungen für die Flucht. Sie ist auf die Mithilfe des Kriegsgefangenen François (Jean-Yves Berteloot) angewiesen, der mit einigen anderen Franzosen und Polen auf dem Mahlenbergschen Gut Frondienst leisten muss. Er verachtet die Gutsherrin und lässt sie seine Abneigung spüren. Beiden bleibt aber keine Wahl: Sie müssen unter Zeitdruck vom Landsitz der Mahlenbergs flüchten. Der Treck setzt sich in Bewegung, allerdings ohne Lenas Vater, der auf dem Gut bleibt und angesichts der russischen Soldaten zunächst die Hunde erschießt und dann sich selbst. Währenddessen müssen die Familie, die Angestellten und die Gefangenen den gefährlichsten Teil ihrer Flucht bewältigen: Das Nadelöhr Kurische Nehrung, das unter Dauerbeschuss russischer Flugzeuge steht.

Film zeigt Leiden der Zivilbevölkerung

Das Leidensszenario der Flüchtenden, die Bomben aufs Haff, im Eis einbrechende Kutschen sind Bilder, die den Zuschauer nicht kalt lassen können. Die Produktionsfirma Teamworx drehte im Winter 2005/2006 vier Monate lang in Litauen. Regisseur Kai Wessel, der den Zweiteiler mit bis zu 2100 Komparsen und 250 Pferdewagen im eiskalten Litauen realisierte, hatte bereits vor 15 Jahren das Angebot vorliegen, einen Film über die Flucht zu drehen. "Damals dachte ich nicht im Traum daran, mich mit diesem als revanchistisch angesehenen Thema auseinander zu setzen." Er habe einen Film produzieren wollen, der konsequent aus der Perspektive der Zivilbevölkerung erzählt werde. Die Dreharbeiten in vier Jahreszeiten mit dem großen Ensemble und vielen Standorten seien eine große Herausforderung gewesen. Auf computer-generierte Animationen habe er verzichtet zu Gunsten "echter" Darsteller und Kulissen.

Lena von Mahlenberg schafft es auf der "Flucht" tatsächlich, den Treck über das vereiste Haff zu führen. Die Familie landet in Bayern. Sie ist in Sicherheit. Niemandem wird nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs noch etwas passieren. Doch die Gefühlswelt der schönen Gräfin ist gespalten. Arrangiert sie sich mit Heinrich, dem Vater ihres Kindes, oder hat sich François in ihrem Herzen durchgesetzt?

kbu mit dpa

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