Auftaktshow "Millionärswahl" Der Sieg der Analogen

  • von Jan Zier
ProSieben und Sat.1 kreuzen bekannte TV-Formate und wollen ganz demokratisch eine Million Euro verschenken. Doch die Macht des Publikums hat ihre Grenzen, es herrscht ein Zwei-Klassen-Wahlrecht.

Was passiert, wenn man "Wetten, dass...?" und eine von diesen vielen Casting-Shows kreuzt? Sie nennen es "Millionärswahl". Zugleich ist die Show - weil innovativ! - vor allem ein Social-Media-Phänomen. Was aber nicht heißt, dass das Netz am Ende auch den Ausschlag gibt.

Die Idee ist die Idee: ProSieben und Sat.1 verschenken eine Million Euro. Einfach so. An einen, der eine Idee hat, die möglichst viele WählerInnen da draußen überzeugt. Womit auch immer. Und keine Jury aus irgendwelchen Profis und Besserwissern. Hier sitzt kein Dieter, kein Bruce, keine Heidi, keine Nena. Sieben Shows sollen bis Ende Januar laufen, jeweils sieben KandidatInnen kommen zum Schaulaufen. Sie alle wurden in den letzten drei Monaten - natürlich - im Internet gewählt. Über 25.000 gehören zu dieser neuen Online-Community, über 37.000 gefällt "Millionärswahl" bei Facebook.

Nur auf den Samstag haben sich die Fernsehmacher noch nicht getraut. Dabei ist das neue Format doch ein natürlicher Konkurrent mindestens für Markus Lanz und Stefan Raab. Aber für die Sender ist das wohl zu viel Konkurrenz auch im eigenen Haus. Auch die Moderatoren spielen nicht in der gleichen Liga. Neben einer gewissen Jeannine Michaelsen kommt mal wieder Elton zum Zuge, der sonst oft nur assistieren darf. Zum Beispiel bei Lanz.

Komische Demokratie

Gewonnen hat dann aber am Ende – nein, nicht der Selbstlose, der mit dem Geld sein schwerkrankes Patenkind Neele unterstützen will, Ralf Zanders, der dafür in der Live-Show sogar seine schlimmste Panik überwunden hat, die Höhenangst. "Ich tue alles für sie", sagt er über das Kind mit der seltenen Erbkrankheit, und dass er sogar "durch die Scheiße" gehen würde. Ralf Zanders also, der damit kokettiert, kein besonderes Talent zu haben und sowohl in der Online-Community als auch bei den Anrufern als auch im Publikum vor Ort der unangefochtene, klare Gewinner war.

Gewonnen hat, nein, noch kein Geld, sondern: eine Finalteilnahme errungen hat Benedikt Mordstein, ein 20-jähriger Break-Dancer aus Bayern, der auch 104 Sprünge auf einer Hand macht, was sonst irgendwie niemand kann oder versucht und der "was für die Jugend" machen will. Mit Break-Dance. Er hat, offline, unter den übrigen Finalisten, die sich in Kenntnis der Publikumswertung gegenseitig bewerten, die meisten Punkte erhalten. Und damit den ersten Tagessieg errungen.

Es folgt: Stille im Saal. So ist das also mit dem "ersten demokratisch gewählten Millionär", den Elton immer und immer wieder verspricht. Früher nannte man das Zwei-Klassen-Wahlrecht. One man, one vote - zählt hier nicht. So ist die Demokratie, sagt Elton dann. Durch die Mitleidspunkte seiner Konkurrenten hat Benedikt Mordstein, der in der Publikumswertung Letzter war, tatsächlich gewonnen.

Sexuelle Aufklärung mit Reden und so

Insgesamt ist die Show, erwartungsgemäß, eine Ansammlung von Menschen mit ausgefallenen Hobbys und seltenen Talenten, Rampensäuen und Menschen mit schrägen Ideen. Da ist Daniel Moesl, ein 25-Jähriger Freedropper. Das ist so eine Art Bungee-Jumping. Nur eben ohne Seil. Man springt, ähnlich wie beim Turmspringen und landet sanft in einer Matte. Moesl durfte vom Dach der Arena auf Schalke springen, also aus gut 60 Metern Höhe. Auch die Beast Brothers betreiben einen abseitigen Sport – er nennt sich Calisthenics, was alleine schon gegen seine weitere Verbreitung spricht. Das ist eine Mischung aus Muckibuden-Übungen, Körperbeherrschung und Akrobatik, verbunden mit etwas Choreografie und Outdoor-Flair. Die Moderatorin nennt die Jungs die "Chippendales der Herzen". Und auch sie wollen mit dem Geld was Gutes für die Gemeinschaft tun.

Ansonsten waren da noch zwei Leute, die eine bei Youtube schon recht erfolgreiche sexuelle Aufklärungssendung machen, aber mehr mit Reden und so. Und eine Rockband namens Gift, die in den frühen Siebzigern schon mal ne Platte aufgenommen hat und sich seither musikalisch kaum weiter entwickelt hat, aber im Grunde auch nur ein paar Jahre bestand. Auf ihre alten Tage wollten sie nochmal eine neue Platte machen. Ach ja, und da war Sava Pasic, ein 45-Jähriger, der vor allem sich selbst vermarktet. Und den größten Teil der Million verschenken will - teure Autos, teure Kreuzfahrten, fette Partys, dicke Autos & Uhren, so Sachen eben. Dazu wird es nicht kommen. Ganz so leicht es mit der Million dann doch nicht. Nicht einmal im Fernsehen.

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