Die Alevitische Gemeinde Berlin erstattete unterdessen gegen den Norddeutschen Rundfunk (NDR) Anzeige wegen Volksverhetzung. Vor dem ARD-Hauptstadtstudio demonstrierten am Donnerstag rund 300 Aleviten gegen die Ausstrahlung der Sendung am vergangenen Sonntag. "Das ist eine sehr ernste Sache, was hier passiert", sagte das Vorstandsmitglied des Kulturzentrums Anatolischer Aleviten, Dogan Azman, am Rande der Kundgebung in Berlin. Für die geplante Protestveranstaltung am 30. Dezember in Köln seien bereits Busse gechartert worden. Man rechne auch mit Teilnehmern aus Österreich und der Schweiz. "Das bleibt jetzt nicht bei der ARD", sagte Azman. Die Alevitische Gemeinde Deutschlands werde sich auch an Bundeskanzlerin Angela Merkel wenden.
"Es geht in dieser Folge nicht darum, religiöse Gefühle zu verletzen"
Der ARD-"Tatort" mit dem Titel "Wem Ehre gebührt" vom vergangenen Sonntag ist auf scharfen Protest gestoßen. Die Alevitische Gemeinde Deutschland kritisierte in einer Mitteilung an den Weihnachtstagen die "zentrale Aussage des Filmes", dass nach einem Inzest-Fall in einer alevitischen Familie die Schwester der Schwangeren umgebracht werde, weil sie zur Aufklärung des Falls beitragen wollte. Aleviten vertreten eine Glaubensrichtung des Islams - nach eigenen Angaben leben in der Türkei 20 Millionen.
AABF-Generalsekretär Ali Toprak sagte der dpa, dass die Berliner Gemeinde Strafanzeige gegen den für die "Tatort"-Folge verantwortlichen Norddeutschen Rundfunk wegen Volksverhetzung gestellt habe. "Wir verlangen vom NDR eine offizielle Entschuldigung und eine Gegendarstellung", sagte Toprak. Der NDR teilte mit, er nehme die Kritik an seinem Film "ernst". "Es geht in dieser Tatort- Folge nicht darum, religiöse Gefühle zu verletzen oder Vorurteile gegen die alevitische Glaubensgemeinschaft zu untermauern", sagte Programmdirektor Volker Herres.
Die Aleviten erklärten, dass sie Jahrhunderte lang "unbegründeten Anschuldigungen" seitens der sunnitischen Muslime ausgesetzt worden seien, in denen behauptet würde, die Aleviten würden in ihren Gemeinden Inzest betreiben, weil sie ihre religiösen Rituale gemeinsam mit Frauen und Kindern durchführten. Bis heute seien derartige Beschuldigungen und Vorurteile unter fanatischen Sunniten gegenwärtig. Die Drehbuchautorin habe sich diese Einstellung zu eigen gemacht. In dem ARD-Krimi ermittelte am Sonntag neben Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) auch ihr türkischer Kollege Kommissar Aslan (Mehmet Kurtulus).
Fiktiver Inhalt
Drehbuchautorin und Regisseurin Angelina Maccarone sagte laut NDR, dass dieser Fall so in jeder Familie überall auf der Welt passieren könnte, egal ob deutsch oder türkisch. "Die Vorurteile, die alle Gruppierungen gegeneinander hegen, lassen letztendlich alle nur in die Irre laufen und tragen zur Aufklärung nicht bei", sagte sie weiter. "Die Tat des Vaters wird in keiner Wiese von seiner Religion getragen oder gerechtfertigt. Im Gegenteil: Kommissar Aslan, selbst Alevit, steht am Ende ebenfalls fassungslos vor der Erkenntnis, welches Drama sich in der Familie abgespielt hat." Der NDR hatte unter Berufung auf die Pressefreiheit an seinem Programm festgehalten und im Vorspann des TV-Krimis darauf hingewiesen, dass der Inhalt fiktiv sei.