Schöne Seychellen. Das war schön. Die Strände so weiß, der Himmel so blau, gelegentlich ein erfrischender Regenguss, in dem man sich sogar tummeln konnte, weil bald die Sonne wieder schien. Unter Wasser nur bunte Fische. Eine einzige Erholung - und erst das Hotelzimmer: hineingebaut in eine Lagune! Ich habe es genossen: bei "wolkenlos". Oder war es Vox-Tours? Auf jeden Fall im Fernsehen. Nichts ist da schöner als eines der zahlreichen Reisemagazine. Da schwelgt das TV in Bildern, weilt in der Ferne, aber es ist angekommen bei sich selbst. Fernsehen als opulentes Genießen schöner Bilder.
Rauchen und Reisen.
Reisen dagegen ist wie Rauchen - nur schlimmer. Der Raucher denkt nur an seinen augenblicklichen Genuss, schädigt damit aber den benachbarten Passiv-Raucher und verdirbt sich einen künftigen freien Atem. Der Reisende dagegen schädigt gleich den gesamten Globus. Das Rauchen zu verbieten, ist ein Akt der Nächstenliebe. Beim Reisen geht es auch um den Übernächsten, den Entfernteren, ja um planetarische Verantwortung. Tourismus hatte immer schon einen etwas faden Beigeschmack, jetzt ist klar, dass er nach Maßgabe einer ökologischen Lebensführung schlichtweg obszön ist.
Zur Person
Bernd Gäbler, geboren 1953 in Velbert/Rheinland, ist Publizist und Dozent für Journalistik. Er studierte Soziologie, Politologie, Geschichte und Pädagogik in Marburg. Bis 1997 arbeitete er beim WDR (u.a. "ZAK"), beim Hessischen Rundfunk ("Dienstags - das starke Stück der Woche"), bei VOX ("Sports-TV"), bei SAT.1 ("Schreinemakers live", "No Sports"), beim ARD-Presseclub und in der Fernseh-Chefredaktion des Hessischen Rundfunks. Bis zur Einstellung des Magazins leitete er das Medienressort der "Woche". Von 2001 bis Ende 2004 fungierte er als Geschäftsführer des Adolf-Grimme-Instituts in Marl.
Hingucken statt hinfahren. Alles, was wir wahrnehmen, nehmen wir ohnehin durch die Massenmedien wahr, hat uns doch schon der weise Bielefelder Soziologe Niklas Luhmann beigebracht. Hören wir also auf, von der unmittelbaren Erfahrung zu schwärmen, die ohnehin nie hält, was die TV-Bilder schon gezeigt haben. Im ZDF sah ich Bilder einer liebevollen Krokodil-Aufzucht auf Mauritius; im Leben war es ein Moloch eingepferchter Echsenkinder, die im Shop am Ausgang auch noch als Handtaschen verkauft wurden. Das ZDF zeigt den gemütlichen Plausch auf einen einheimischen Gewürzmarkt, tatsächlich war es ein einziges Geschiebe und Gedränge, in dem man jeden Touristen daran erkannte, dass er sich ängstlich an seine Tasche klammerte.
Glaubt einer, auf einer Foto-Safari durch die afrikanischen Nationalparks träten ihm so viele wilde Tiere vor die Kamera wie in wochenlang gedrehten Fernsehfilmen? Und soll doch bitte niemand behaupten, an den thailändischen Stränden ginge es um eine "Begegnung der Kulturen" oder um "echte Verständigung mit den Einheimischen." Nein, wir reisen, weil wir in die Wärme wollen. Jetzt aber kommt sie per Klimawandeln zu uns. Da müssen wir weißen Langnasen uns nicht mehr auswärts goldbraun backen lassen. Wir können uns das alles einfach in Ruhe anschauen. Was für eine Chance, auf dem heimischen Sofa ein freundlicher Mensch bleiben.
Geo, Mare TV und Blauer Planet. Früher sprach man von der Übung, "mit dem Finger auf der Landkarte" zu verreisen. Das ist längst visuell verfeinert. Man kann durch "Geo" blättern, das stets berauschende "Mare-TV" einschalten oder den gesamten "Blauen Planeten" mit schier endlosen Folgen abarbeiten. Weltreisen mit Vox wurden schon erwähnt. Das hat Erlebnisqualität! Leider kann man sich per Google-Earth immer noch nicht jedem Strand der Welt bis auf 50 Fuß Höhe nähern, aber dafür gibt es aus nahezu jeder Urlaubsgegend inzwischen lobpreisende Videoblogs und noch der letzte Zimmervermieter auf den Malediven kann per Internet freundliche Einträge und Empfehlungen früherer Gäste vorweisen.
Zwar kann es sein, dass diese aus einer Klein-Agentur in Köln-Nippes stammen, aber auch die schönen Schwenks durch Hotelzimmer in den vielen TV-Reisemagazinen verraten ebenso wie das allzu beliebte Verharren auf den beschrifteten Heckflossen der transportierenden Fluggesellschaften, dass eigentlich jedwede Berichterstattung Interesse-geleitet ist. Das lernt man doch zu durchschauen, stört aber nicht weiter.
Fontane und Kerkeling als Avantgardisten.
Mit einem tatsächlichen Reisebericht, der Reflexion über das fremde und das Eigene hat derlei ohnehin nie zu tun. Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, wer die guten Reiseberichte, ob raffiniert konzipiert (Wolfgang Büscher) oder scharenweise rezipiert (Hape Kerkeling) verfasst? Sie stammen samt und sonders von Fußgängern. So gewinnt man Erfahrung! Durch Mobile-TV ist bald auch diese Kombination möglich: In die Ferne gucken und sich dabei - wie der Avantgardist Theodor Fontane es vorgemacht hat - schön den Sand der Uckermark durch die Zehen rieseln lassen.