Von Tag zu Tag nimmt die Unterstützung für Nikolaus Brender in der Öffentlichkeit zu: Am Mittwoch sprachen sich die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Ex-"Tagesthemen"-Moderator Ulrich Wickert und die Blogger-Initiative Campact für den Verbleib des 60-jährigen ZDF-Chefredakteurs in seinem Amt aus. Am Freitag tagt der ZDF-Verwaltungsrat in Berlin, führende politische Köpfe in dem Gremium um Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) wollen Brenders Vertrag nicht verlängern.
"Sollte der ZDF-Verwaltungsrat die Vertragsverlängerung ablehnen oder sich auf einen zweifelhaften Kompromiss in Form eines kürzeren Vertrags verständigen, so wäre dies ein ungeheuerlicher Eingriff in die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland", erklärte Frank Werneke, stellvertretender ver.di- Vorsitzender und Mitglied des ZDF-Fernsehrates am Mittwoch. "Schon jetzt sind der Ruf und die Glaubwürdigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erheblich beschädigt."
Das Kampagnen-Netzwerk Campact sammelte nach einer Mitteilung vom Mittwoch im Internet 20 000 Stimmen für eine Vertragsverlängerung von Brender. Die Aktion stehe unter dem Motto "Hände weg von der Pressefreiheit". Die Blogger fordern die Mitglieder des ZDF- Verwaltungsrates auf, die parteipolitische Einflussnahme auf den Sender zu stoppen und die Zusammenarbeit mit Brender nicht zu beenden.
"Uns Bürgern ist die Pressefreiheit ein wertvolles Gut: Kochs Feldzug gegen Brender ist für uns nicht nur eine Personalie. Es geht darum, wie unabhängig die öffentlich-rechtlichen Medien zukünftig noch für uns über Politik berichten können", sagte Christoph Bautz, Campact-Geschäftsführer. "Wenn Politik die Medien kontrolliert statt Medien die Politik, dann ist das Gift für unsere Demokratie. Wohin das führen kann, erleben wir in Italien unter Silvio Berlusconi."
Koch hatte mit seiner Position eine Diskussion über die Rundfunkfreiheit und dessen Staatsferne ausgelöst. Der Verwaltungsrat soll laut Statuten in "Einvernehmen mit dem Intendanten" den Chefredakteur bestimmen. Intendant Markus Schächter hat sich klar für Brender ausgesprochen, ebenso wie der ZDF-Fernsehrat, ein gesellschaftlich breiter besetztes Kontrollorgan des Senders.
Auch der frühere ARD-"Tagesthemen"-Moderator Ulrich Wickert sorgt sich angesichts der politischen Einflussnahme im Fall Brenders um die Freiheit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Es gehe den Politikern um das Diktat der Politik. "In der letzten Sitzung der ZDF-Gremien haben Parteienvertreter offen gesagt, dass sie auch bestimmen wollen, welche Politiker zu Interviews eingeladen werden und welche nicht - das ist der Wahnsinn", sagte Wickert in einem Interview mit stern.de.
Als treibende Kraft hinter diesem Machtkampf sieht Wickert Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU): "Es gibt Hinweise, dass das Kanzleramt sehr daran interessiert ist, dass Herr Brender abgelöst wird", sagte er in dem Interview. "Dieses Schauspiel wird auch dem einen oder anderen ARD-Sender demnächst wieder blühen. Schauen wir mal, wie sich die neuen Machtverhältnisse bei der Wahl des nächsten Intendanten des Bayerischen Rundfunks auswirken."