Wer nur vom Glück träumt, verschläft es womöglich. Deshalb ist das Glück mit den Mutigen, die es beim Schopfe packen und eine Glückssträhne daraus ziehen. Mancher Glückspilz hat dabei mehr Glück als Verstand. Aber Vorsicht: Das Glück ist zerbrechlich wie Glas, auch wenn es heißt, dass Scherben Glück bringen.
Wie sehr das Thema Glück die Menschen beschäftigt, zeigt sich in der Sprache. Das Deutsche ist voller Redewendungen und Volksweisheiten rund um das Glück. Andere Sprachen kennen das ebenfalls, doch das sonst so flexible Deutsche ist beim Glück erstaunlich einfach gestrickt. Im Englischen wird zwischen "luck" und "happiness unterschieden, also zwischen dem glücklichen Zufall und dem Wohlbefinden, auch die Franzosen trennen zwischen "fortune" und "bonheur". Die alten Römer kannten "fortuna" sowie "felicitas", und schon vor über 2000 Jahren zerbrach sich der römische Schriftsteller Terentius Varro über das Wesen des Glücklichseins den Kopf und notierte 289 gute Ratschläge für ein glückliches Leben.
Im Deutschen hingegen gibt es nur Glück, man kann es haben oder sein. Überhaupt scheint der deutsche Blick auf das Glück, den französischen Nachbarn suspekt. Die deutsche Redewendung "Glück im Unglück" erhielt im französischen vor 200 Jahren gar eine eigene Bezeichnung: "le bonheur allemand". Die Deutschen haben sich ihr Glück gar in die Nationalhymne geschrieben, in der "Einigkeit und Recht und Freiheit" des "Glückes Unterpfand" sind.
Was die Menschen hingegen stets am meisten beschäftigte, ist das Zufallsglück. Hinter vielen Redewendungen steckt die Idee, es müsse beim Glück eine ausgleichende Gerechtigkeit geben. Mal müsse doch die Glückssträhne des Kontrahenten enden, wer im Spiel Glück hat, der möge doch bitte in der Liebe Unglück haben oder nach dreimal Kopf muss die Münze beim nächsten Wurf Zahl zeigen, weil es sonst ungerecht wäre.
Auf der Suche nach einem Glückssystem hängen die Menschen selbst heute noch dem Aberglauben an. Piloten fliegen nie ohne ihren persönlichen Talisman, manche klopfen auf Holz, Schauspieler spucken sich über die Schulter, andere schrauben sich ein Hufeisen an den Kühlergrill ihres Autos oder meiden schwarze Katzen. In Hotels gibt es kein 13, Stockwerk. Dabei ist alles vom Zufall abhängig. Das Glück ist parteilos und blind. Das wussten schon die alten Griechen und verbanden ihrer Schicksalsgöttin Fortuna die Augen, wenn sie das Rad des Schicksals für jeden Einzelnen drehte.
Das Zufallsglück war im Mittelalter unbekannt, Glück war weder gut noch böse. Es war neutral. In der Redewendung "Auf gut Glück" ist diese Sicht auf das Schicksal erhalten geblieben. Für das Gefühl des "glücklich seins" war erst mit Beginn der Neuzeit und der Aufklärung Platz. In der Literatur begründete die Entdeckung des eigenen Befindens eine literarische Epoche: die Empfindsamkeit. Die größte Errungenschaft der neuen Strömung war wohl die sinnliche Liebe. Zuvor galt sie als zerstörerische Kraft, fortan als größtes anzunehmendes Glück im Leben.