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Großstadt-Phänomen Cornern? Trinkt gefälligst vor eurer eigenen Haustür

Cornern
Cornern in Ottensen: Vor der Bar Aurel versammeln sich in lauen Nächten hunderte Menschen
© Jens Maier
Cornern ist schön. Vor allem im Hamburger Szenestadtteil Ottensen. Doch weniger schön sieht es am Morgen danach aus. Zertrümmerte Glasflaschen und Abfälle sind die Überreste eines rücksichtslosen Partyvolks. Oder kurz gesagt: von Idioten!

Wenn der Bus der Linie 150 in Richtung Bahnhof Altona sich ankündigt, kommt für einen Moment Spannung auf. Genervt gibt der Fahrer schon von Weitem Lichthupe. Die bierselige Meute setzt sich jedoch nur langsam in Bewegung. Beim Cornern stören lassen? Geht ja gar nicht! Gemächlich ziehen die Hipster am Straßenrand ihre Beine ein und stellen die Drinks beiseite. Der Busfahrer braucht jetzt Augenmaß. Im Schritttempo kämpft er sich durch die schmale Straße zwischen dem beliebten Szenelokal Aurel und dem Alma-Wartenberg-Platz. Ein lauter Knacks. Der große Reifen des Busses hat eine leere Bierflasche erwischt. Sonst alles noch dran. Das Cornern kann weiter gehen.

Diese Szene spielt sich an warmen Frühlings- und Sommerabenden im Hamburger Stadtteil Ottensen fast täglich ab. Angeblich wurde das Cornern hier sogar erfunden. Zumindest behaupten das einige der Anwesenden, die sich ihr Bier schon vor fünf Jahren am "Kiosk 2000" für 1,50 Euro gekauft und dann an der Straßenecke ausgetrunken haben. Inzwischen ist Cornern ein urbanes Phänomen in ganz Deutschland. Ob am Gärtnerplatz in München oder am Brüsseler Platz in Köln – bei schönem Wetter wird an Straßen und Plätzen getrunken.

Viele verhalten sich rücksichtslos

Und ja, auch ich gehöre dazu. Die Atmosphäre ist chillig, wie die Hamburger sagen. Das heißt so viel wie locker und entspannt. Blöde Anmachen oder Prügeleien wie auf der Reeperbahn gibt es nicht. Unruhe kommt erst auf, wenn der Bus kommt. Doch als Anwohner muss ich sagen: Mir wäre es noch lieber, wenn all die hedonistischen Partypeople, die aus Wedel, Pinneberg oder sonstwo nach Ottensen zum Cornern kommen, ihr Bier künftig gefälligst vor ihrer eigenen Haustür tränken.

Der Grund: Viele verhalten sich rücksichtslos. Zum Cornern gehört auch, seine leere Bierflaschen hinterher wieder mitzunehmen. Doch inzwischen gleicht der Alma-Wartenberg-Platz und die angrenzende Friedensallee nach einer warmen Corner-Nacht einem Schlachtfeld. Glassplitter und Wein- und Bierflaschen liegen zwischen den Pflastersteinen. Dazu Überreste von Fast Food und zertretene Kronkorken. Das Partyvolk fällt wie Heuschrecken über Ottensen her und hinterlässt ein Bild der Verwüstung.

Corner-Verbot wegen ein paar Idioten

Besonders schlimm ist es am Sonntagmorgen, wenn die Stadtreinigung nicht ausrückt. Dann bleibt der ganze Dreck bis Montagmorgen liegen. Das nervt nicht nur mich, sondern viele Anwohner. Und führt dazu, dass immer mehr Ottenser sich bei Polizei und Ordnungsamt beschweren – mit absehbaren Folgen. Das Cornern wird zum Problem. Sogar Verbote werden diskutiert.

Cornern ist zwar nicht ausdrücklich erlaubt – es könnte eine Gefährdung des Straßenverkehrs darstellen -, aber wird geduldet. Und das soll auch so bleiben. Doch das geht nur, wenn alle Rücksicht nehmen. Was ist so schwer daran, Bierflaschen und Dreck hinterher einzusammeln? Gar nichts! Wer das nicht will, der soll gefälligst vor seiner eigenen Haustür trinken – und nicht im schönen Ottensen. Rücksichtslose Idioten brauchen wir nicht.

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