Im weißen Bademantel schlurft Gunter Gabriel über sein Hausboot in Hamburg-Harburg. Es ist noch nicht einmal mittags. Ein Kaffee muss her. Wenig später steht er in seiner Küche, trägt aber noch nicht das Hemd, das ihm eine Maskenbildnerin für die Fotoaufnahmen empfohlen hat, sondern "erstmal etwas Flauschiges", und zeigt auf ein Bild an seinem Kühlschrank: Der Countrysänger gebettet in einen Sarg. "Da habe ich schon mal Probeliegen gemacht", erzählt er. Fünf Jahre sei das nun her, längst habe er den Sarg wieder abgeschafft. "Aber das Foto erinnert mich immer daran, wie ich leben soll", sagt der Musiker, der am Montag, 11. Juni, 70 Jahre alt wird.
"Denn was bringt dich in den Sarg?", fragt er, greift zum Stift und schreibt das Wort in Großbuchstaben auf: "S wie Stress - habe ich nicht. A wie Alkohol - abgestellt. R wie Rauchen - ebenfalls abgestellt. G wie Gewicht - daran muss ich arbeiten, das sind noch 20 Kilo zu viel", erklärt der Hüne mit der markanten rauen Stimme. Der Sänger schwankt - aber das liegt am Schiff. Die Zeiten der Alkoholexzesse seien vorbei, betont der Musiker, der nach seinen Hits in den 70er Jahren über lange Zeit nur mit seinem Privatleben für Schlagzeilen sorgte. Skandalgeschichten eines Schlagersängers, die jede Menge Stoff boten: Prügel und Pleiten, Alkohol und Affären.
"Geschieden, aber nicht gescheitert" steht an der voll gehängten Wand in der Schiffsküche des viermal Verheirateten. "Ich habe Höhen und Tiefen erlebt, bin aber nicht untergegangen. Andere erschießen sich, ich nicht", sagt Gabriel, der mit Hits wie "Er ist ein Kerl (Der 30 Tonner Diesel)" oder "Hey Boss, ich brauch mehr Geld" in den Hitparaden landete. Der aus Westfalen stammende gelernte Maschinenschlosser Günther Caspelherr (zu seinem Künstlernamen kam er durch seine Frau Gabriele), der einige Semester Maschinenbau studierte, stach heraus aus der damaligen Schlagerszene. Zum Fernfahrer-Idol wurde er, zum Malocher-Musiker. "Ein bisschen Macho, ein bisschen Punk, ein bisschen Proll" - so sieht er sich.
Seine Beerdigung ist besprochene Sache
Den Erfolgen folgte der Absturz in den 80ern: Neue Hits blieben aus, seine Ehen zerbrachen, bei Immobiliengeschäften verspekulierte er sich und verlor Millionen. Alkohol und Affären und ein Leben auf der Autobahn - jahrelang war er auf der Straße zu Hause. "Immer woanders, fremde Betten, fremde Frauen - ich habe mich so durchgeschlagen. Nur die Mädels und der Whiskey konnten mich retten", sagt er heute. "Aber der Witz ist: Im Nachhinein betrachtet war das meine schärfste Zeit. Nur habe ich meine Situation damals als bedrohlich empfunden. Ich wusste ja nicht, dass ich noch mal in die Gänge komme und wieder ein paar Mark in die Tasche kriege."
Gabriel war gestrauchelt, nicht gescheitert. Immer wieder kehrte er als Musiker ins Rampenlicht zurück - zuletzt als "Sohn aus dem Volk" 2009 mit dem gleichnamigen Album, das erneut eine Hommage an Countrylegende und Gabriel-Freund Johnny Cash sein sollte. Seit zwei Jahren steht er außerdem als Titelfigur in "Hello, I'm Johnny Cash" auf der Bühne. Auch seine "Wohnzimmer-Konzerte" will er weiter geben. In einer TV-Show hatte der Sänger vor fünf Jahren angeboten, bei seinen Fans für jeweils 1000 Euro Gage aufzutreten. "Es ist unglaublich, was man da erlebt", erzählt er.
Er glaube, dass er noch zehn Jahre so leben könnte - "wenn ich vernünftig lebe". Aber zehn Jahre seien eben auch schnell vorbei. "Ich denke jeden Tag an den Tod", sagt Gabriel und schaut wieder auf das Sarg-Foto. Wie er die Welt verlassen will, hat er "aus Gag" auch schon mit einem Bestattungsunternehmer besprochen: "Keinen Sarg, keine Urne - ich will verschwinden. Ich will nichts mehr übrig lassen. Denn ich lasse genug übrig, nämlich meine Songs, meine Bücher, meine Tagebücher, meine Skizzen."
Noch dieses Jahr soll geheiratet werden
Zu Beerdigungen gehe er schon lange nicht mehr. "Weil alles Heuchelei ist", sagt er. "Was soll der ganze Quatsch? Mein Denkmal sind meine Songs, ein paar werden ja überbleiben. Und das reicht doch auch", sagt er und erklärt, wie er sich das selbst vorstellt: "So wie der große Rock'n'Roller Gram Parsons, der sich auf einem Scheiterhaufen in der Wüste hat verbrennen lassen, so will ich das auch. Das ist verboten, aber wenn ich weg bin, bin ich weg."
Doch bis dahin hat er noch Pläne: Eine neue Platte will er bis Weihnachten auf den Markt bringen. Und selbst das Thema Liebe und Hochzeit lässt ihn nicht los: "Ich werde dieses Jahr noch heiraten", verkündet er. Seit fünf Jahren sei er mit einer Frau zusammen, die halb so alt sei wie er und im Moment "gerade das Weite" gesucht habe. Noch glaube sie ihm nicht, dass er es ernst meine. Aber Gabriel hofft weiter. "Ich habe sehr viel Glück gehabt in meinem Leben, nur das persönliche dauerhafte Glück nie."