Es ist Jom Kippur, der höchste jüdische Feiertag im Jahr, und Samantha Ronson hat gerade mal en passant alle beruflichen Verabredungen abgesagt. "Ich habe ganz vergessen, dass sie heute weder ans Handy noch an ihren Blackberry geht", entschuldigt sich ihr Manager für den geplatzten Interviewtermin. Auch Samanthas Zwillingsschwester Charlotte ist für die Presse nicht zu sprechen, Bruder Mark sowieso nicht. Der fastet. Er sei zwar nicht strenggläubig, sagt er, aber bestimmte jüdische Traditionen seien ihm dennoch sehr wichtig. Und Fasten an Jom Kippur gehöre dazu.
Man würde also nicht gleich darauf kommen, dass die drei Geschwister aus New York zurzeit die Gästelisten aller wichtigen Partys von der Ost- bis zur Westküste dominieren und von der Musik- und Modebranche gleichermaßen hofiert werden. Das amerikanische Fashion-Magazin "Harper's Bazaar" nennt die Ronsons "royale Rockaristokraten", die britische Societyzeitschrift "Tatler" behauptete, dass jeder, der 30 Jahre oder jünger sei und keinen der Ronsons zu seinem Freundeskreis zähle, in Manhattan eigentlich nichts mehr zu suchen habe.
Vor allem Mark Ronson gilt als der Überflieger des Jahres. Zum einen ist der DJ und Plattenproduzent maßgeblich für den Erfolg von Amy Winehouse verantwortlich. Das von ihm produzierte Album "Back To Black" bescherte der britischen Sängerin fünf Grammys, einen Nummereins-Hit ("Rehab") und jede Menge positive Presse. Seit sie aber nur noch als Drogenzombie durch die Medien geistert und das Angebot für den neuen James-Bond-Song ausgeschlagen hat, den Ronson produzieren sollte, ist die Beziehung zwischen beiden deutlich abgekühlt. Für Ronson kein Problem: Der 33-Jährige, der die britische Newcomerin Lily Allen entdeckt hat und mit Robbie Williams und Christina Aguilera arbeitete, hat gleichzeitig sein eigenes Album "Version" mit den Hits "Stop Me" und "Valerie" veröffentlicht.
Mark Ronson wird momentan überall gebraucht
Das verkaufte sich allein in Großbritannien über eine halbe Million Mal, zudem nahm er wichtige Preise der Branche entgegen, darunter drei Grammys, einen Brit Award, GQ wählte ihn zum "Mann des Jahres". Je nach Auftragslage arbeitet Mark Ronson in seinem Geburtsort London oder in seiner Heimatstadt New York, doch im Grunde ist er momentan omnipräsent, er wird schließlich überall gebraucht. An seiner Seite auf dem roten Teppich stand bis vor Kurzem regelmäßig ein angesagtes Londoner It-Girl und Model, die 19-jährige Daisy Lowe. Jemand, der so einen Lifestyle pflegt, sich kleidet wie ein Dandy und seine Interviews mit britischem Akzent und schlagfertigen, nur selten arroganten Antworten garniert, um den schwirrt die internationale Pressemeute wie ein willenloser Mückenschwarm. Und da seine beiden jüngeren Zwillingsschwestern eine ähnlich gewinnende Aura umgibt, sind die Ronsons die neuen Darlings der US-Party-Society.
Dabei ist ihr Name in der New Yorker Ausgeh-Elite schon eine ganze Weile ein Begriff. Schon Ende der 90er startete der Hype um Mark Ronson. Er machte sich als "Celebrity DJ" einen Namen, weil er reihum von Promis gebucht wurde. P. Diddy holte ihn für Privat- Events, Jennifer Lopez, Charlize Theron, ja sogar Donald Trump tanzten zu seinem Sound. Letzterer, so Ronson, sei eher schlecht für seinen Ruf, deswegen erwähnt er den Namen nur ungern. Außerdem habe er sich mit Trump angelegt, weil dieser unbedingt "Macarena" hören wollte. Ähnlich unwohl fühlte er sich als eingekaufter DJ bei der Hochzeit von Tom Cruise und Katie Holmes vor zwei Jahren in Italien. Tom sei zwar bei seiner Remix-Version des "Top Gun"-Titelsongs total abgegangen, aber Ronson habe das Angebot nur deshalb angenommen, weil die Bezahlung einfach zu gut war. Dass er sich nach der Feier auf dem Weg zum Hotel üppig in die Rabatten übergab, lag wahrscheinlich nicht nur an den Wodka Tonics, die er getrunken hatte. Inzwischen steht Mark Ronson nur noch am Plattenteller, wenn er Lust darauf hat oder Unsummen kassiert, die er dann in sein Label Allido Records steckt. Lieber verbringt er die Zeit im Studio oder kümmert sich um den Internet-Radiosender East Village Radio.
Die Ronsons machen in Musik, Mode und Image
Seine Schwestern Charlotte und Samantha Ronson sind in der Szene zwar auch schon eine Weile unterwegs, doch erst in diesem Jahr machten die beiden Girls über die Grenzen Manhattans hinaus von sich reden. Charlotte Ronson ist Modedesignerin, betreibt ein eigenes Geschäft in der Mulberry Street und einen Flagship-Store in Tokio. Kate Moss, Gwen Stefani, Gisele Bündchen tragen ihre Outfits, mit Nicole Richie hat sie eine Handtaschenkollektion, Limited Edition, versteht sich. Diesen Herbst präsentierte Charlotte Ronson ihre neue Kollektion erstmals bei der New Yorker Fashion Week am Bryant Park. Bruder Mark legte auf, seine Ex-Freundin Daisy und Charlottes Halbschwester Annabelle promenierten über den Laufsteg - ein Medienereignis.
Allerdings nicht nur, weil die wichtigsten Buyer und Modejournalisten aus aller Welt gekommen waren, sondern vor allem wegen einer Frau, die in einem tief ausgeschnittenen Jeanskleid in der ersten Reihe saß und ihrer Gastgeberin die Show stahl: Lindsay Lohan. Die 22-jährige US-Schauspielerin ("Freaky Friday") kam mit ihrer Freundin Samantha Ronson. Lindsay und Sam sind seit einigen Monaten offiziell ein Paar, und weil es ihnen ziemlich egal ist, was die Öffentlichkeit von ihrer lesbischen Liaison hält, genießen sie den Rummel in vollen Zügen. Klar also, dass die Objektive der Fotografen weniger auf den Runway zoomten, sondern direkt auf das kichernde Liebespärchen in der ersten Reihe. Immerhin trug Lindsay Lohan das Kleid aus der aktuellen Charlotte-Ronson-Kollektion. Die Modenschau war talk of the town, der gesamte Boulevard berichtete darüber.
Auf diese Weise erntet auch Samantha Ronson, die eigentlich Musikerin und DJane ist, dank ihrer bekannten Freundin mehr Publicity denn je. Die beiden sind Amerikas lesbisches Pärchen du jour. Jüngstes Gerücht: Sie wollen heiraten und zusammen nach New York ziehen, ausgerechnet ins legendäre Dakota-Gebäude. Der ganze Trubel um "LoRo" befeuert Sams Karriere immens. Die 31-Jährige, die bevorzugt Männersakkos, ausgewaschene T-Shirts und selbst designte Sneakers trägt, wird inzwischen weltweit gebucht.
Das liegt zum einen daran, dass Bruder Mark das Plattenpult jetzt lieber der kleinen Schwester überlässt, die wiederum von der Strahlkraft des guten Namens profitiert. Zum anderen hoffen die Veranstalter, mit Sam im Doppelpack auch gleich "LoRo" zu bekommen. Die Ronson-Geschwister funktionieren wie wechselseitige Karriere-Katalysatoren, ganz nach dem Motto: einer für alle, alle für einen. "Wir gehen beruflich jeder seinen eigenen Weg, aber wir unterstützen uns, wo immer wir können", sagt Mark Ronson. Die Familienstrategie geht offensichtlich auf. Dabei bewegen sich Mark, Samantha und Charlotte Ronson im Celebrity-Kosmos so souverän und selbstbewusst, als hätten sie es nie anders gekannt. Aber wie soll es auch anders sein, wenn einem der Rock-'n'-Roll-Lifestyle in die Wiege gelegt wird?
Die Eltern, beide Nachfahren jüdischer Einwanderer aus Osteuropa, gehörten zum britischen Rockadel der 70er-Jahre und waren bestens in der Londoner Musikszene vernetzt. Mutter Ann Cecilia Dexter lernte mit 27 Jahren den Immobilienerben und Bandmanager Laurence Meredith Ronson kennen. Heirat 1974, ein Jahr danach kam Sohn Mark auf die Welt, im August 1977 Charlotte und Samantha. Die Ronsons wohnten zwar im feinen Stadtteil St John's Wood, doch zu Hause ging es eher turbulent zu: Die Ronsons feierten legendäre Dinnerpartys mit Gästen wie David Bowie, Keith Richards oder Mick Jagger. Nicht immer, wenn die Kleinen am nächsten Morgen in den Kindergarten mussten, hatten sich die Gäste bereits verabschiedet. Paul und Linda McCartney wohnten drei Türen weiter, und The-Who-Drummer Keith Moon, ein Dauergast, wollte dem zweijährigen Mark das Schlagzeugspielen beibringen.
Andy Warhol und Bruce Springsteen zählten zu ihren Lehrmeistern
Dazu kam es leider nicht mehr - Moon starb an einer Überdosis Drogen, als Mark drei Jahre alt war. "Keith war ziemlich exzessiv, aber keiner von uns war damals heilig", erinnert sich Mutter Ann. Anfang der 80er Jahre ließen sich die Ronsons dann scheiden, Ann lernte den Foreigner-Frontman Mick Jones kennen (für sie schrieb er den Hit "I Wanna Know What Love Is") und zog mit den Kids nach New York. Sie heiratete Jones und bekam mit ihm einen Sohn und eine Tochter. Alexander und Annabelle sind heute 23 und 21 Jahre alt. Ann Jones, umtriebig wie zu Londoner Zeiten, nutzte ihre guten Kontakte und schrieb als Gesellschaftsreporterin für "Hampton's Country" und "Town and Country". Außerdem organisierte sie wieder ihre glamourösen Dinner, nur diesmal in ihrer New Yorker Luxuswohnung am Central Park.
Die Ronson-Party ging weiter: Andy Warhol lehrte die Kleinen alles über Kunst, Bruce Springsteen leerte den Kühlschrank während einer nächtlichen Heißhungerattacke. Schauspieler Robin Williams stand eines Nachts völlig zugekokst im Kinderzimmer von Mark und starrte aus dem Fenster, weil er sich verfolgt fühlte. Die Ronson-Sprösslinge erlebten alles andere als eine konventionelle Kindheit. Sie besuchten die besten Privatschulen Manhattans und prallten dort auf den Nachwuchs der Rock-Elite: Liv Taylor und Sean Lennon gehörten zu Marks besten Jugendfreunden. "Das alles hört sich sehr nach Bohème und Rock'n'Roll an", sagt Charlotte Ronson. "Aber unsere Mutter war oft auch superstreng, zudem hatten wir eine sehr prinzipientreue britische Nanny."
"Mein Spitzname war Mommy Dearest", sagt die inzwischen wieder geschiedene Ann Dexter-Jones, wenn man sie auf ihre strenge, gleichzeitig aber fürsorgliche Erziehung anspricht. Beinahe stolz klingt es, als sie beichtet, dass sie Mark heimlich auf Drogen untersuchen ließ, weil sie ihm nicht glaubte, dass er als Teenager tatsächlich unter Angstattacken litt. Oder dass sie das Haustürschloss auswechseln ließ, als ihr Sohn ein einziges Mal ausbüchste und bei Sean Lennon Unterschlupf fand. Womöglich ist es gerade ihr turbulenter Background, der Mark, Samantha und Charlotte Ronson vor Abstürzen bewahrt und davor schützt, sich bei den Britneys, Robbies oder Amys dieser Welt einzureihen. Wie könnten sie das, was sie miterlebt haben, auch toppen? Bessere Frage noch: Warum sollten sie? Dann doch lieber fasten an Jom Kippur. So etwas sorgt in ihrer Branche ohnehin für mehr Aufmerksamkeit als jeder Drogenabsturz.