Prinz Harry ist so geprägt von seiner Rolle als "Spare" – also der Ersatz zu sein von Thronfolger William – dass er seiner Autobiografie sogar diesen Titel gab. Nur die Reserve zu sein, ist Harrys Lebensbürde. Und doch hätte man am Dienstag annehmen können, es sei der Thronfolger, der da in London ist - und nicht dessen jüngerer Bruder.
Prinz Harry in London: 45-Minuten-Besuch sorgt für Verwunderung
Eskortiert von einem Polizeiwagen wurde Harry in einem verdunkelten Range Rover zum Clarence House kutschiert. Die britische Presse verfolgte die Ankunft des abtrünnigen Prinzen live. Im Netz posteten Royal-Fans um die Wette. Die Aufregung hielt jedoch nicht lange an. Wer sich vorgestellt hatte, Vater und Sohn in inniger Umarmung zu sehen oder gar bei einen gemeinsamen Auftritt, dürfte enttäuscht gewesen sein. Um 14.45 Uhr Ortszeit erreichte Harry das Anwesen seines "Pas" (wie er Charles nennt), nach 45 Minuten war das Treffen schon wieder vorbei.
Mit Prinz William gab es derweil überhaupt kein Wiedersehen, Harry verbrachte die Nacht in einem Londoner Hotel, während sein Bruder zu Hause in Windsor blieb. Warum Harry die lange Reise in sein Heimatland überhaupt angetreten hat, bleibt ein Rätsel. Die Berichterstattung rund um seinen Besuch zeigt allerdings, dass es im Grunde egal ist, was er macht. Denn: Wie er's macht, macht er's falsch.
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Wäre Prinz Harry in seiner Wahlheimat Montecito geblieben, obwohl sein Vater in London mit einer lebensbedrohlichen Diagnose konfrontiert ist, hätte die britische Boulevardpresse (mit der Harry ohnehin auf Kriegsfuß steht) gemäkelt, der 39-Jährige würde sich nicht um seine Familie scheren. Vermutlich hätte er wieder einmal Vorwürfe in "Daily Mail" und Co. lesen müssen, er ziehe sein kalifornisches Luxusleben dem Palastalltag in London vor. Oder schlimmer noch: Seine Ehefrau Meghan halte ihn sicher davon ab, nach Hause zu reisen. Seit Jahren schon wird Meghan für das Verhalten ihres Ehemannes verantwortlich gemacht. So wurde der Ausstieg der beiden aus dem royalen Leben etwa als "Megxit" bezeichnet. Ganz nach dem Motto: Das ist auf den Mist der Frau gewachsen.
Kritik, egal was er macht
Solchen Vorwürfen hat Harry mit seinem spontanen Heimattrip den Boden entzogen. Weder hat Meghan ihn zurückgehalten, noch zeigte er sich desinteressiert an seinen Familienmitgliedern. Im Gegenteil, für einen 45-Minuten-Besuch nahm Harry zwei Langstreckenflüge auf sich – fast schon ein kleiner Liebesbeweis. Aber die britische Boulevardpresse wäre nicht das, was sie ist, wenn sie nicht auch in Harrys aktuellem Verhalten Gründe für zum Teil bösartige Kommentare finden würde.
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So wird etwa spitz angemerkt, dass Harry in einem Hotel übernachtet und es keine Versöhnung mit William gegeben habe. Royal-Autor Robert Jobson ging in der "Daily Mail" sogar einen Schritt weiter. Harry habe für "Unruhe" gesorgt, so Jobson, weil er "unaufgefordert und so kurzfristig" eingeflogen sei. Er habe Charles und Camilla sogar aufgehalten, obwohl die beiden längst hätten aufbrechen wollen. "Wegen Harrys Intervention mussten ihre Majestäten in Clarence House, ihrem Londoner Hauptwohnsitz, ausharren, während sie auf das Erscheinen des verirrten jüngeren Sohnes warteten", so Jobson. Direkt nach Harrys Besuch bestiegen die Royals einen Helikopter, der sie nach Sandringham flog.
Die Erkenntnis, dass Harry ohnehin nichts richtig machen kann, könnte für ihn Bürde und Erleichterung zugleich sein. Den Hass gegen sich wird er so schnell nicht los. Aber: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert. Vor allem dann, wenn man ohnehin nur der "Spare" ist.
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