Roman Polanski Die Falle in der Schweiz

Roman Polanski
Roman Polanski sieht sich erneut mit Vergwaltigungs-Vorwürfen konfrontiert
© ENNIO LEANZA/PA / Picture Alliance
Warum wurde Roman Polanski nach über 30 Jahren verhaftet? Einiges spricht für einen Deal zwischen den USA und der Schweiz - und dass der Regisseur und seine Anwälte mehrere Fehler machten.

Ein vor 32 Jahren begangenes Verbrechen hat Roman Polanski am vergangenen Samstag eingeholt. Ausgerechnet in der neutralen Schweiz wurde der weltweit anerkannte Regisseur ("Chinatown", "Der Pianist") verhaftet. 1977 hatte der damals 43-Jährige mit der minderjährigen Samantha Geimer die Villa von Jack Nicholson am Mulholland Drive aufgesucht - für ein Fotoshooting im Auftrag der französischen "Vogue". Dort gab Polanski der 13-Jährigen Champagner und setzte sich zu ihr nackt in den Whirlpool. Später verabreichte er ihr ein starkes Beruhigungsmittel und hatte dann mehrmals Sex - nach Aussagen von Geimer vaginal, oral und anal.

Die Mutter des Mädchens zeigte Polanski an - ihr Anwalt erklärte sich jedoch zu einem Deal bereit, um dem Mädchen einen Prozessauftritt zu ersparen: Polanski solle sich des "Geschlechtsverkehrs mit einer Minderjährigen" schuldig bekennen - im Gegenzug würden Anklagepunkte wie Vergewaltigung fallen gelassen. Polanski willigte ein und gestand. Doch der Bezirksrichter Lawrence Rittenband wollte dabei offenbar nicht mitspielen. Er soll verlautbart haben, er wolle Polanski "für den Rest seines Lebens wegschließen". Im Februar 1978 erklärte er Polanskis Anwälten, er könnte aufgrund des öffentlichen Drucks den Gerichtshandel nicht mehr aufrechterhalten. Am nächsten Tag bestieg Polanski ein Flugzeug und verließ das Land - seither ist er viel in der Welt herumgereist, aber nie in die USA zurückgekehrt.

"Funktion von Strafe irrelevant"

Dass Polanski nach 32 Jahren noch immer verfolgt wird, mag auf den ersten Blick irritieren. "Es ist schauriges Delikt, das er sich geleistet hat. Aber die Funktion, die Strafe haben soll, ist nach 30 Jahren irrelevant. Das ist nur verständlich aus dem amerikanischen Kulturkreis und bei uns nicht nachvollziehbar", sagt Helmuth Jipp, Medienrechtler in Hamburg.

Warum ist er nun ausgerechnet in der Schweiz festgenommen worden? Auf den ersten Blick ist man geneigt zu glauben, Polanski sei in eine weltpolitische Gemengelage geraten. Denn es ist gerade einen Monat her, dass die Schweiz im Streit mit dem US-Fiskus de facto ihr Bankgeheimnis geopfert hat. Da liegt der Haben die USA ihren Einfluss auch auf anderen Gebieten geltend gemacht?

Dies streitet die schweizer Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf vehement ab. "Wir haben seit 1990 einen Vertrag mit den USA, dass wir einen amerikanischen Haftbefehl auch bei uns vollziehen", so Widmer-Schlumpf. Zudem sei Polanski seit 2005 weltweit zur Verhaftung ausgeschrieben. Den Anstoß zu Verhaftung hat offenbar das Bezirksgericht Los Angeles gegeben. Als man dort von Polanskis Reiseplänen nach Zürich erfuhr, hat man das US-Justizdepartement benachrichtigt. So gelangte das Gesuch um Festnahme schließlich an das Schweizer Justizministerium, das die Verhaftung anordnete.

Polanski drehte Anfang dieses Jahres auf Sylt

Grundsätzlich ein normaler Vorgang. Doch der Zeitpunkt überrascht. Denn Polanski besitzt ein Chalet im schweizerischen Gstaad, in dem er regelmäßig Urlaub macht. Dort hätte man ihn viel früher verhaften können. Merkwürdig auch, weshalb Polanski noch Anfang dieses Jahres in Deutschland auf der Nordseeinsel Sylt drehen durfte. Auch hier hätten die US-Behörden ein Auslieferungsgesuch stellen können. Doch dies ist nicht eingegangen. Beim Bundesjustizministerium war zu erfahren, dass am 1. November 2005 ein internationaler Haftbefehl eingegangen ist - ein förmliches Gesuch wie nun im Fall der Schweiz ist jedoch ausgeblieben. Deshalb gab es für die deutschen Behörden keinen Anlass, einzugreifen. Zudem wäre der Straftatbestand hierzulande verjährt.

Anders in der Schweiz: Im November vergangenen Jahres schafften die Bürger bei einer Volksabstimmung die Verjährbarkeit von sexuellen Straftaten an Kindern ab - damit wurde Polanskis Vergehen auch in der Schweiz justiziabel. Ganz offensichtlich hat der Regisseur von dieser Justizänderung nichts gewusst, für ihn war die Schweiz nach wie vor ein sicheres Land.

Trotzdem bleibt die Frage: Wie groß war der Druck von amerikanischer Seite? Nach Ansicht des Rechtsanwaltes Wolfgang Mille, der auf internationales Recht spezialisiert ist, spricht einiges dafür, dass hinter der Festnahme ein Deal zwischen amerikanischen und Schweizer Behörden steht. Das sieht auch Medienrechtler Helmuth Jipp so: "Nachdem man ihn schon so lange abfangen hätte können, ist es absurd, dass die Justiz sich instrumentalisieren lässt. Dahinter vermute ich einen politischen Impetus", so der Medienrechtler Jipp.

Roman Polanski

Künstlerisch glückte dem Regisseur Roman Polanski fast alles, er erhielt für seine Filme zahlreiche internationalen Auszeichnungen, darunter den Oscar für "Der Pianist". Privat ist sein Schicksal immer wieder mit großen weltgeschichtlichen Entwicklungen kollidiert. Das begann schon bei seiner Geburt: In Paris kam er als Sohn polnischer Juden auf die Welt, die Familie kehrte aber 1937 aufgrund des wachsenden Antisemitismus in Frankreich nach Polen zurück - ein tragischer Schritt. Denn während der deutschen Besatzung wurde die Familie Polanski ins Krakauer Ghetto deportiert. Polanskis schwangere Mutter wurde nach Auschwitz verschleppt und dort ermordet. Der junge Roman überlebte die Verfolgung nur, weil er bei einem polnischen Bauern Unterschlupf fand.
Nachdem Polanski gleich mit seinem ersten Langfilm "Das Messer im Wasser" 1962 für Furore sorgte, emigrierte er 1963 aus Polen und ließ sich 1968 in den USA nieder. Dort wurde er schon bald als einer der heißesten Regisseure des jungen Hollywoods gehandelt. Seine Ehe mit der Schauspielerin Sharon Tate endete tragisch: die hochschwangere Frau wurde Opfer der Manson Family, einer Hippie-Kommune, die sich in Südkalifornien um den ebenso erfolglosen wie verwirrten Musiker Charles Manson gebildet hatte.
1977 war Polanski in einen Skandal um den Missbrauch der 13 Jahre alte Samantha Gailey verwickelt. Dem Prozess entzog er sich 1978 durch Flucht ins Ausland. Seither hat der nie wieder amerikanischen Boden betreten.

Dem widerspricht Albert A. Stahel, Professor für Strategische Studien an der Universität Zürich, entschieden: Zwar haben die USA beim Fall des Bankgeheimnisses erheblichen Druck ausgeübt - in Justizangelegenheiten ließen sich Schweizer jedoch grundsätzlich nicht reinreden. "Eher hätte die Justizministerin ihren Vater an die Justiz geliefert".

Möglicherweise haben Polanskis amerikanische Anwälte selbst die Verhaftung ungewollt provoziert. In dem Bemühen, eine Einstellung des Verfahrens zu erwirken, sollen sie der US-Staatsanwaltschaft vorgeworfen haben, in den vergangenen 30 Jahren nichts unternommen zu haben, um Polanskis Auslieferung zu erreichen. Das berichtet die "Los Angeles Times". Der Schuss ist jedoch nach hinten losgegangen: Der Staatsanwalt hat nun eindrucksvoll unter Beweis gestellt, wie ernst ihm der Fall Polanski noch immer ist.

Die Folgen der Verhaftung sind noch unklar: Zunächst wird Polanski mit juristischen Mitteln gegen seine Auslieferung in die USA kämpfen. Rechtsanwalt Wolfgang Mille geht davon aus, dass Polanski damit sogar Erfolg haben könnte. Auch die Regierungen von Polen und Frankreich wollen sich gemeinsam bei den US-Behörden für die Freilassung einsetzen.

Doch auch im Fall einer Auslieferung könnte die Angelegenheit für Polanski gut ausgehen. Denn nur durch sein persönliches Erscheinen kann er eine Einstellung des gegen ihn laufenden Verfahrens bewirken. Die Chancen stehen so schlecht nicht. Das damalige Opfer Samantha Geimer hat ihm schon längst verziehen.

PRODUKTE & TIPPS