Royals Mein Chef, Prinz Charles

Diana schleicht sich heimlich an den Kühlschrank, Charles spricht mit seinen Hühnern: In einem Buch erzählt Sarah Goodall, die Ex-Sekretärin des Prinzen, vom bizarren Alltag bei Hofe.

Wahrscheinlich wäre es eine bessere Idee gewesen, nach den vielen Drinks noch im königlichen Palast auf die Toilette zu gehen. Jetzt stand Sarah Goodall, Sekretärin des Prince of Wales, in dessen Garten und musste dringend pinkeln. Der Chauffeur, der sie zurück nach London bringen sollte, war weit und breit nicht zu sehen. Also hockte sich Sarah hinter eine der Hecken und zog ihr Höschen herunter. Doch wer kam da mit einem Eimer in der Hand den ordentlich gefegten Weg entlang? Seine königliche Hoheit persönlich. Prinz Charles wollte zu seinen Hühnern.

Aufstehen oder Sitzenbleiben? Und wenn sie aufstand, würde sie schnell genug ihren Slip hochziehen können? Und kann sie dann dem Prinzen noch die Hand geben, wenn der sie entdecken sollte? Mit ungewaschener Hand nach Toilettengang den Thronfolger zu begrüßen, das war doch eine zu schreckliche Vorstellung für Sarah. Sie blieb einfach hocken.

Der Prinz trabte an ihr vorbei zum Hühnerhaus, schloss die Pforte hinter sich, begann das Federvieh zu füttern - und den Tieren sein Herz auszuschütten. "Unglücklich - Heirat - läuft schlecht", hörte Sarah. Ach, wie tat ihr dieser Mann leid, der sich in der Zeit größter ehelicher Probleme seinen eierlegenden Freunden zuwenden musste: "Es war herzerweichend. Ich habe mich ganz vorsichtig fortgeschlichen, um ihn nicht weiter zu belauschen."

Braune Maus unter Prinzessinen

Zwölf Jahre lang arbeitete Sarah Goodall als Sekretärin für Prinz Charles, von 1988 bis 2000. Als "braunhaarige Maus" war sie mit 23 Jahren im Auftrag einer Zeitarbeitsfirma in den Palast gekommen: "Und dann war ich umgeben von wunderbaren Dingen, Prinzessin Diana lief jeden Tag durch unser Büro. Es hat mich sehr verändert", sagt Sarah Goodall und streicht durch ihre peroxid-blonden Haare.

Sie hat viel erlebt in den zwölf Jahren. Und ein Buch geschrieben über die Zeit zwischen königlichen Affären, der Fanpost von Prinz Charles und privaten Abendessen im Schloss Sandringham: "Palastgeflüster. Bekenntnisse einer Königlichen Sekretärin" erlaubt einen amüsanten Blick in den gar nicht alltäglichen Alltag bei Hofe.

Die königliche Familie ist von solchen "Erinnerungen" ihrer ehemaligen Angestellten selten begeistert. Eigentlich dürfen die nicht über Palastinterna reden, geschweige denn Bücher schreiben. Als bekannt wurde, dass ein solches Werk entsteht, brachte Prinz Charles erst einmal seine Anwälte in Stellung. Deren Drohungen führten dazu, dass Sarahs Buch unter größter Geheimhaltung geschrieben wurde.

Politische Ergüsse gestohlen

Charles hatte gute Gründe, das Schlimmste zu fürchten. Sarah war im Palast zuständig für die private Korrespondenz des Prinzen. Und für das Abtippen der Reisetagebücher, die seine Hoheit sorgfältig über die Treffen mit staatlichen Oberhäuptern führte. Nächtelang stand sie am Kopierer und vervielfältigte die politischen Ergüsse ihres Chefs.

Im Jahr 2000 nahm Sarah ihren Abschied aus dem Palast - und einige dieser Kopien mit. "Ich weiß, es war keine gute Idee. Aber ich war total pleite, und da habe ich eine dieser Kopien mit dem Bericht des Prinzen zu seiner Reise nach Hongkong einem Journalisten gezeigt", erzählt sie. Sie will die Kopie aber zurückgefordert haben. Geld habe sie nie bekommen. Wie auch immer: Großbritanniens Thronfolger wurde überall mit den Worten zitiert, die chinesischen Machthaber seien ein "altes Wachsfigurenkabinett". Der Ärger war groß.

Brodelnde Gerüchteküche

Prinz Charles mag nun ähnliche Unbill von Sarahs Buch befürchtet haben. Doch die Sorgen waren unbegründet, und die Anwälte haben ihre Aktenordner wieder eingepackt. Statt alte Gerüchte aufzuwärmen oder allzu Kompromittierendes zu liefern, erzählt Sarah lediglich sehr unterhaltsam über das Innenleben des königlichen Palastes, etwa von den Marotten von Prinzessin Diana oder der brodelnden Gerüchteküche im Büro.

Wie Bridget Jones stolpert die neue Sekretärin in den ersten Kapiteln durch die königliche Umgebung. Anfangs noch völlig unbewandert im königlichen Jargon, verheddert sie sich ständig im Protokoll, hat keine Ahnung, dass sich hinter dem "Billard Room" kein Pool-Tisch versteckt, sondern ein großer Empfangsraum, und wundert sich über altertümliche Bezeichnungen wie "Travelling Yeoman" (Gepäckbeauftragter) oder "Lady Clerk" (sie selbst).

Mit großer Freizügigkeit erzählt sie von Liebesabenteuern der Angestellten, die denen der royalen Arbeitgeber in nichts nachstehen. Sie selbst steigt mit einem Koch und einem Butler ins Bett und versucht, die nächtlichen Exzesse am nächsten Morgen nonchalant zu überspielen.

Büro-Lotterleben

Wenn man Sarah Glauben schenken darf, bestand das Leben im Büro des Palastes aus Champagner-Besäufnis-sen, Klatschmagazin-Lesestunden und der Sorge über zunehmendes Körpergewicht durch üppige Diners. "Aber wir waren auch immer unterbesetzt und überarbeitet", ergänzt sie dann noch schnell, um das Bild eines ausschweifenden Büro-Lotterlebens zu korrigieren.

Der persönliche Sekretär des Thronfolgers, Mark Bolland, beschreibt Sarahs Arbeitsstelle etwas weniger freundlich: "Das Büro des Prinzen hatte den Ruf, besonders chaotisch zu sein. Telefonanrufe und Briefe wurden nicht beantwortet, Leute kamen zu spät zu Meetings, Dinge verschwanden."

Streber! Schließlich hatte Sarah echten Herausforderungen zu begegnen. Als Fanpost-Beauftragte musste sie zum Beispiel schmachtenden Amerikanerinnen klar machen, dass sich der Prinz in absehbarer Zeit nicht mit ihnen verloben würde. "Was die sich denken, den Prinzen mit Vornamen anzureden?"

Wie alle Sekretärinnen saß Sarah in einem Büro im St.-James's-Palast. Mittelpunkt der Aufmerksamkeit war stets Prinzessin Diana. "Sobald wir einen neuen Gürtel bei ihr gesehen haben, fragten wir sofort ihre Kammerzofe, wo der zu kaufen war", erzählt Sarah. Das Büro war modisch gesehen eine Armee geklonter Prinzessinnen von Wales. Kein Wunder, dass Sarah ständig pleite war.

Diana als berechnende Intrigantin

Mit den zunehmenden Spannungen in der königlichen Ehe begann aber auch das positive Bild der Prinzessin zu schwinden. Zumindest bei Sarah. Sie erlebte Diana als berechnende Intrigantin, die nicht davor zurückscheute, in aller Öffentlichkeit Gerüchte über Tiggy Legge-Bourke zu verbreiten, das Kindermädchen der jungen Prinzen William und Harry. "Oh, das mit Ihrem Baby tut mir so leid", sagte die Prinzessin auf einer Weihnachtsfeier laut hörbar zu Legge-Bourke, der damals eine Affäre mit Prinz Charles angedichtet wurde.

Die unverheiratete Legge-Bourke war in Wahrheit nie schwanger gewesen. Die Prinzessin wollte mit ihrer Bemerkung wohl nur die Gerüchte weiter anheizen. "Diana war hinterhältig, trickreich und gnadenlos gegenüber denen, die ihr im Weg standen", behauptet Sarah.

Nach einigen Jahren als Fanpost-Beauftragte wurde sie befördert und durfte nun Charles' private Post abtippen. Dazu gehörte auch, dass "seine Königliche Großartigkeit", wie Sarah ihn in ihrem Buch betitelt, sie auf Schlösser außerhalb von London mitnahm, nach Sandringham und Balmoral. In der privateren Atmosphäre durfte "Lady Clerk" an Abendessen teilnehmen. Und erwischte Diana beim Dessertnaschen am Kühlschrank in der Küche: "Immer wieder kam sie herein und aß vom Pudding. Ich wunderte mich, wie sie wohl ihre Figur halten könne, wenn sie so viel Süßes aß." Von Dianas Bulimie wusste Sarah zu diesem Zeitpunkt nichts.

Hoheit hob gern einen

Je eisiger die Atmosphäre zwischen Diana und Charles wurde, desto besser wurden die Arbeitsbedingungen für Sarah. Der Prinz verbrachte viel Zeit außerhalb von London. "Er war viel weniger formell dort draußen. Man konnte das Leuchten in seinen Augen sehen, er machte so viele Witze. Ganz anders als in London", erzählt die Ex-Sekretärin. Dazu könnte sicher auch beigetragen haben, dass Hoheit dort gern einen hob. In Sarahs Erinnerungen wird bei königlichen Veranstaltungen ständig Hochprozentiges getrunken. Es gibt Vor-Dinner-Drinks, Während-Dinner-Drinks und Nach-Dinner-Drinks. Und zum Abschluss Schlummer-Drinks.

Charles scheint zu viel Tonic im Gin für eine Verschwendung zu halten. Nach entsprechenden Erfahrungen mischte sich Sarah ihre Longdrinks lieber selbst. Doch nicht immer gelingt es ihr, nüchtern genug zu bleiben: Bei einer privaten Vorführung des Films "Howard's End", schläft sie so tief und fest ein, dass ihr Kopf auf die Schulter des Prinzen fällt. Vergebens versuchen er und sein Butler, sie wieder aufzuwecken. Sarah schläft weiter, erschöpft von Alkohol und einer wilden Nacht mit dem Koch in einem kleinen Lady-Zimmer im Bediensteten-Trakt. Erst als der Filmvorführer die Leinwand beiseiteräumt, wacht sie auf. "Wir dachten, Sie wären tot", scherzt Charles am nächsten Morgen. Sarah ist froh, dass dies kein Anlass für ihre Entlassung ist.

Der findet sich jedoch ziemlich bald. Zwölf Jahre im Dienste des Palastes sind eine ungewöhnlich lange Zeit. "Eigentlich sieht der Palast es nicht gern, dass man zu lange bleibt", sagt Sarah. Sie wird informiert, dass sie mit dem Prinzen "zu vertraut" umgehe. Dahinter steckt, glaubt Sarah jedenfalls, die Neue: Camilla Parker Bowles. "Sie hat es nicht gutgeheißen, dass Charles Bedienstete in seine Abendunterhaltung einbezog. Camilla ist eine harte Frau. Die wollte sich durchsetzen." Dabei war die erste Begegnung mit Camilla für Sarah gut gelaufen: "Wir haben uns eine halbe Stunde über den Tod unserer Mütter unterhalten. Da war sie sehr verständnisvoll. Aber das scheint nicht ihr wahrer Charakter zu sein."

Himmlische Privilegien vergangen

Vielleicht war die Entlassung von Sarah Goodall aber auch der Tatsache geschuldet, dass sie es sich etwas zu bequem gemacht hatte am Königshof. Nach ihren eigenen Aussagen hat sie jedenfalls die Mittagspausen recht ordentlich ausgedehnt - und auch gern in den Bürozeiten reichlich Champagner getrunken: "Ich war schließlich schon zwölf Jahre dort und wusste, wie viel Spaß wir immer gehabt haben. Jetzt wollten sie neue Seiten aufziehen, aber das sah ich nicht ein."

Sarah fand nach ihrem Rausschmiss hier und da noch einmal Anstellungen als Sekretärin. Aber im Grunde trauerte sie in der Hölle ihrer jetzigen Alltäglichkeit dem Palast mit all seinen himmlischen Privilegien nach. Mit dem Buch hat sich nun ihr Traum erfüllt: Sie wird ihr eigenes Gesellschaftsereignis sein. Zur Veröffentlichung gibt es eine Party mit Champagner und vielen Gästen. Und was kommt dann? "Ich bin offen für alles", sagt Sarah. "Am schönsten wäre eine eigene Fernsehsendung. Ich muss die Gelegenheit ergreifen, solange ich im Gespräch bin."

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