Frau Maischberger, Sie sprechen seit vielen Jahren im TV mit verschiedenen Persönlichkeiten – warum jetzt auch noch in einem Podcast?
Weil das eine andere Form ist, die mich noch mal mit den Gesprächspartnern intimer, intensiver zusammenbringt. Weil ich mehr Zeit habe als im Fernsehen. Weil ich noch mal eine leicht veränderte Gäste-Auswahl machen kann, die eben nicht daran orientiert ist, dass ich in einer politischen Sendung tagesaktuelle Fragen stelle.
Sie sagen es: Es ist anders als in Ihrer Talkshow, Sie sprechen eins zu eins mit einem Gast, ohne weitere Leute dabei. Wie schwierig ist es dabei, den Spannungsbogen aufrecht zu erhalten?
Der Unterschied ist nicht das Eins-zu-eins-Gespräch – das mache ich ja in meiner TV-Sendung auch. Aber beim Podcast treffe ich meine Gäste ohne viel Technik drumherum und ohne den sklavischen Blick auf die Uhr, weil das nachfolgende Programm schon wartet. Den Spannungsbogen über eine gute Stunde zu halten, ist dabei überhaupt nicht schwierig. Ich sauge mich in meine Gesprächspartner ein. Ich gehöre zwar zu denen, die unheimlich viel Vorbereitung machen und dann auch viele Fragen auf dem Zettel haben. Aber während eines Gesprächs gucke ich kaum auf den Zettel, sondern immer meinem Gegenüber in die Augen und so entsteht eine eigene Gesprächsspannung. Da könnte ich, wenn man mich nicht bremst, auch drei Stunden lang fragen. So viel will ich den Podcast-Hörern und -Hörerinnen aber nicht zumuten.
In der Ankündigung zum Podcast heißt es, die Gesprächsthemen seien so vielfältig wie die Gäste. Kürzlich gab es in Bezug auf Ihre Talkshow Kritik, dass Sie zum Gesprächsthema Rassismus ausschließlich weiße Gäste eingeladen haben …
Da muss ich kurz unterbrechen und direkt etwas klarstellen: Wir haben keine Sendung gemacht, in der fünf Weiße zum Thema Rassismus eingeladen wurden. Wir haben sie nicht mal geplant – das war eine Falschmeldung. Wir haben eine Sendung gemacht, in der erst mal fünf Menschen – ohne Blick auf die Hautfarbe – zu anderen Themen eingeladen wurden: eine Virologin zum Thema Corona, ein Wirtschaftsjournalist zum Thema Konjunkturpaket, der Außenminister zum Thema Reisewarnungen, usw. Dann passierte ein Kommunikationsfehler, der diese fünf (weißen) Gäste fälschlicherweise unter das Thema Rassismus stellte. Wir haben versucht, das klarzustellen. Doch da war die Meldung schon verbreitet und wir drangen mit den Fakten nicht mehr durch.
Es war etwas unglücklich, dass nach dem Tod von George Floyd und den allgegenwärtigen Diskussionen um Themen wie Black Lives Matter oder Rassismus zuerst kein schwarzer Gast in der Show dabei war.
Den Mord an George Floyd haben wir erst angefangen, als Thema für die Sendung zu recherchieren, als die anderen Themen und Gäste schon feststanden und kommuniziert waren. Sehr häufig reagieren wir aktuell und ergänzen Themen und Gäste bis kurz vor Sendungsbeginn. So war es auch dieses Mal. Die Suche nach einem US-Gast zum Thema Rassismus hatte am Sonntag begonnen, eine feste Zusage hatten wir am Dienstag. Wir behandeln in unserer Sendung ja nicht nur ein Thema, sondern mehrere. So haben wir über den Rassismus in den USA gesprochen, aber eben auch über Themen, die für unsere Zuschauer in Deutschland auch relevant sind, wie die Wirtschaftshilfen in der Corona-Krise. Aber natürlich wären wir nicht auf die Idee gekommen, zum Thema Rassismus nur Weiße einzuladen. Ich denke allerdings auch nicht, dass Weiße gar nicht über Rassismus reden können. Das halte ich für einen Trugschluss.
Wir wählen die Themen und suchen dann dafür passende Gäste. Wir wollen zum Beispiel gerne 50 Prozent Frauen in der Sendung haben, aber leider sagen nicht immer 50 Prozent Frauen zu. Wenn wir zu einem Thema einen Gast mit Migrationshintergrund einladen können, dann tun wir das. Wir versuchen die Gesellschaft so vielseitig abzubilden, wie sie ist. Das gelingt nicht in allen Bereichen. Aber da, wo es möglich ist, machen wir das.
Ich finde die Debatte um die Einladung unserer Gäste manchmal etwas mühsam. Früher wurden wir kritisiert, wenn die Sendung ausgestrahlt wurde. Jetzt werden wird häufig schon für die Ankündigung kritisiert. Entscheidend ist aber nicht nur, wer kommt, sondern was gesagt wird. Das nicht abzuwarten, finde ich unsachlich.
Wie vielfältig sind Ihre Gäste im Podcast in Bezug auf die Herkunft?
So vielfältig, wie unsere Gesellschaft es ist. Ich interessiere mich erst einmal für Menschen. Dabei unterscheide ich auf den ersten Blick nicht nach Hautfarbe oder Geschlecht. Ich bin als junge Frau immer gestartet mit dem Ideal: In der besten aller Welten spielt das keine Rolle mehr. Ich interessiere mich für Biografien und was Menschen tun, und dann ist es mir eigentlich egal, ob es eine Frau ist oder ein Mann, ist er schwarz oder weiß, Türke oder Deutscher.
Aber natürlich werden wir die Gesellschaft so abbilden, wie sie ist und suchen dafür etwas intensiver. In der ersten Staffel spreche ich zum Beispiel mit Marylyn Addo, eine der herausragendsten Impfstoff-Forscherinnnen. Esther Bejarano ist als Holocaust-Überlebende eine eindrückliche Zeitzeugin. Manuela Schwesig gehört zu den einflussreichsten Politikerinnen des Landes. Natürlich haben wir aber auch Zusagen von den sogenannten "alten weißen Männern", wie Edmund Stoiber oder Werner Herzog – ich finde, diese Persönlichkeiten haben uns noch viel zu sagen. Ich persönlich versuche mir möglichst wenig Beschränkungen aufzulegen. Ich lasse mich davon leiten, wer in seinem Leben etwas Interessantes und für andere auch Wertvolles gemacht hat. Und der auch bereit ist, darüber zu reden und seine Erlebnisse zu teilen. Das ist ein ganz wichtiges Kriterium.
Die erste Folge mit Dirk Roßmann ist schon länger im Kasten.
Die haben wir im März gemacht, um zu sehen, ob es sich lohnt, das Format so auszubauen. Danach waren wir alle der Meinung, dass es sich lohnt. Dirk Roßmann ist ein wahnsinnig spannender Gesprächspartner: Er ist unterhaltsam, hat viel zu erzählen, über das, was er denkt und das, was er tut. Ein perfekter Gast. Daher haben wir uns entschieden, das auszustrahlen, auch wenn es vor der Corona-Zeit aufgenommen wurde. Es gab ja ein Leben vor Corona, auch wenn wir uns daran nicht wirklich erinnern.
Macht die Corona-Pandemie das Ganze schwieriger?
Eigentlich nicht. Im Fernsehen ist es wirklich schwierig, weil wir da ein großes Team haben und wegen der Corona-Vorgaben zum Beispiel weniger Kameras einsetzen können. Beim Podcast ist es ganz leicht: Man ist nur zu zweit, sitzt sich gegenüber und schaut, dass man eineinhalb Meter Abstand hält. Das ist also viel einfacher als alle anderen Formen.

Wie hat sich die Pandemie sonst in Ihrem Alltag und Familienleben ausgewirkt?
Ich habe die ersten zwei Wochen Homeoffice und Homeschooling wirklich verflucht. Ich bin es zwar gewohnt zu Hause zu arbeiten – ich bin ja freie Journalistin und hatte lange gar kein Büro. Für mich ist die Umstellung nicht so groß. Aber: Einerseits Konferenzschaltungen mit Kollegen zu haben, andererseits einen 13-Jährigen, der gerade nicht in seine Konferenzschaltung reinkommt oder beim Download der Matheaufgaben Probleme hat, das fand ich wahnsinnig anstrengend. Aber wir haben uns irgendwie eingependelt und es kam dann eine Phase, die ich fast genossen habe, weil die uns eine große Ruhe gegeben hat.
Allein, dass man eine Stunde länger geschlafen hat, weil das Schulkind eben nicht um sieben Uhr aufstehen musste, hat mich, glaube ich, um zehn Jahre jünger gemacht. Aber ich bin trotzdem dankbar, dass wir jetzt zu einer Mischform, zu einer Normalität zurückkommen, in der man die Kollegen auch wieder trifft und der junge Mann seine Mitschüler wiedersieht. Das ist auf jeden Fall besser jetzt.
Durch Podcasts oder Streaming-Dienste können die Konsumenten immer freier entscheiden, was sie wann, wo und wie sehen oder hören wollen. Was bedeutet das für das klassische Fernsehen?
Was wir jetzt machen ist ja, dass wir Fernsehen für ein lineares Programm produzieren, und trotzdem ist es in der Mediathek jederzeit verfügbar, vor allem für die, die es nicht linear nutzen. Nach allem, was ich erfahre und höre, wird es noch eine ganze Zeit lang ein Publikum geben, das vor allem lineares Fernsehen schaut. Gucke ich mir die Generation meines Sohnes an, ist das aber nicht mehr vorstellbar. Der kennt zwar viele Fernsehsendungen, zum Beispiel "Extra3". Aber er realisiert gar nicht, dass das eine Sendung ist, die fürs lineare Fernsehen produziert wird und er wüsste schon gar nicht, wann die läuft und auf welchem Programm. Ich denke, es wird übergangsweise eine Art Mischform geben. Am Ende werden die Inhalte bleiben, die Art der Verbreitung wird sich ändern.
Nicht nur die Medien verändern sich, auch die Art der Kritik hat sich verändert. Sie ist heute definitiv leichter zu kommunizieren, etwa anonym über Social Media. Wie gehen Sie damit um? Haken Sie Kritik einfach ab, gehen Sie auf alles ein?
Gute Frage. Was nehme ich wahr? Zuerst einmal: Ich bin auf eine Bühne gestiegen, als ich mich entschieden habe, als Journalistin auch im Fernsehen zu agieren. Wenn man das macht, will man gesehen werden und dann muss man auch davon ausgehen, kritisiert zu werden. Ich versuche mich genauso wenig über Lob zu freuen, wie ich mich über Kritik beschweren würde. Durch Internet und Social Media ist das Feedback natürlich deutlich vielfältiger geworden. Und damit auch die Menge der Kritik. Das heißt aber nicht, dass sie dadurch substanzieller geworden ist. Wenn Kritik berechtigt ist, nehme ich sie an. Aber wenn eine Sendung schlecht war, dann merke ich das auch. Da brauche ich keine Kritik, um zu wissen, was ich falsch gemacht habe.
Wenn Sie an Ihre Karriere zurückdenken, gibt es sicherlich einen Gesprächspartner, der Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben ist.
Von der Intensität her war das sicherlich Helmut Schmidt, weil ich ihn über die Jahre immer mal wieder gesprochen habe. Er hat mich immer wieder zum Nachdenken gebracht und beeinflusst. Bei den Sendungen im TV sind wir so schnell getaktet, dass auf ein Gespräch schnell wieder das nächste folgt. Da behält man die letzten Gespräche besonders im Gedächtnis. Zum Beispiel das Gespräch kürzlich mit Markus Söder fand ich gelungen. Es gab mehrere intensive Gespräche, die hängen geblieben sind, allerdings sind die Gesprächspartner alle nicht so wahnsinnig bekannt. Horst Stern zum Beispiel, ein alter Kollege, ein Journalist, der hat mich nachhaltig beeindruckt. Oder eine ganz unbekannte Frau, die ich in einem Hospiz besucht habe und die versucht hat, das Beste aus den letzten Monaten für sich zu ziehen, fand ich sehr beeindruckend.
Mit wem würden Sie gerne noch einmal sprechen, wenn Sie die freie Wahl hätten?
Dann nehme ich immer die drei üblichen Verdächtigen: den US-Präsidenten, den Papst und Fidel Castro – ach nee, der ist schon tot. Nein, das ist ja keine Wunsch-Veranstaltung von mir. Es geht gar nicht darum, wen ich mir so wünsche, sondern wir versuchen immer im Team zu gucken, wer auch unser Publikum interessiert. Aber klar, hätte ich die Möglichkeit, Donald Trump zu interviewen, würde ich das sofort machen. Michelle Obama würde mich als Person interessieren. Angela Merkel hatte ich schon im Gespräch, da hätte ich aber auch ein paar neue Fragen, die sich seitdem ergeben haben. Es gibt einige, die ich gerne noch mal interviewen würde.