Eines muss man Paris Hilton lassen: Sie weiß, was sie sich als Marke schuldig ist. Und da in London die eifrigsten Paparazzi der Welt leben und die fleißigsten Klatsch-Magazine der westlichen Hemisphäre veröffentlicht werden, will sie sich hier nun eine neue beste Freundin suchen. In einer Fernsehserie. In Form eines gut eingespielten Reality-Formats mit Vorstellungsgespräch, Aufgaben und böser Jury-Wertung.
Die britischen Boulevard-Zeitungen ließen es sich nicht nehmen, in den Tagen vor Ausstrahlung der ersten Sendung in dieser Woche genüsslich die Fehlgriffe der Amerikanerin zu zitieren. So hatte Paris den britischen Sternekoch Gordon Ramsay für den britischen Premier gehalten, der denselben Vornamen teilt. Aber die Häme ist zu einfach. Denn in Wahrheit ist die Sendung "Paris Hiltons Best British Friend" eine perfekt gestylte Selbstvermarktungs-Maschine mit elf jungen Frauen und einem jungen (sehr schwulen) Mann als Hintergrundmusik.
Dauerbedröhnung à la Paris
Es beginnt mit dem wunderbaren Satz der Paris Hilton, gesprochen in ihrem überdimensionierten Kleiderschrank in Amerika, gepaart mit einem unterwürfigen Augenaufschlag und leicht verschreckter Körperhaltung: "Ich bin manchmal ganz nervös, wenn ich Leute treffen muss." Es geht weiter mit der Dauerbedröhnung dutzender Fotografen-Blitzlichter vor a) Nachtclubs, b) Limousinen und c) Flugzeugausgängen.
Cornelia Fuchs
London ist der Nabel der Welt und Europa immer noch "der Kontinent". stern-Korrespondentin Cornelia Fuchs beschreibt in ihrer wöchentlichen stern.de-Kolumne das Leben zwischen Canary Wharf und Buckingham Palace, zwischen Downing Street und Notting Hill.
Dann werden geschickt noch prominentere Prominente in die Geschichte eingewoben, in diesem Fall der Schauspieler Charlie Sheen und sein Vater, die Paris Hilton einen Rosenkranz schenken. Wir lernen, dass die 27-Jährige vor einem Start im Flugzeug ein Kreuz schlägt und ihren Hund vermisst, den sie wegen der Quarantäne-Vorschriften nicht nach England mitnehmen kann. Dafür kennt sie aber in London die tollsten Stylisten und kommt in die heißesten Restaurants, die natürlich alle mit Namen genannt werden und komischerweise häufig gerade erst aufgemacht haben und die tolle Publicity mit der tollen Paris gerade toll brauchen können.
Dann gibt es noch die zwölf Kandidaten, die wie bei jeder Casting-Show nach dem Muster Zicke, naive Prinzessin, hässliches Entlein, Proletin, Nervensägerin und so weiter ausgesucht wurden. In diesem Fall sind das zum Beispiel Kat, die Strip-Tänzerin, die gleich zu Anfang klarstellt, dass das Ganze hier ein knallharter Wettbewerb ist. Samuel, der Fan, der alles für Paris tun würde sowie Laura, die mit ihrem Spruch "Du bist doch auch ein ganz normales Mädchen" das Grinsen in Paris Hiltons Gesicht festfrieren lässt.
Jane muss gehen
Und dann ist da noch Jane aus Liverpool, die einen so harten Dialekt spricht, dass sogar das englische Fernsehen sie untertiteln muss. Sie weint, weil ihr die Stylisten die Haar-Verlängerungen abschneiden, die sie aber doch schon "ihr ganzes 19-jähriges Leben getragen habe". Sie muss als erste gehen.
Für diesen Akt sitzt Paris auf einem kleinen Thron und hat eine Art Zauberstab in der Hand, mit dem sie auf die Kandidaten zeigt, die sie BBF nennt - British Best Friends, die britischen besten Freunde. Die Lust an Abkürzungen hat bei Hilton fast etwas Militärisches: Der Abschiedsgruß heißt TTYN, gesprochen Ti Ti Wei En. Das steht für Talk To You Never, was auch auf Englisch so wenig elegant klingt wie die deutsche Übersetzung "Sprech mit dir nie mehr".
Der erste Akt ist also vorbei. In ungefähr zwei Monaten wissen wir dann, wer Paris Hiltons neue britische Freundin wird, von bester gar nicht erst zu reden. "Wir werden hier wirklich als Menschen bewertet", sagte eine der besonders hellen Kandidatinnen direkt zu Beginn. Paris ist da weniger dramatisch. Sie sagt nur Sätze wie "Gute Freunde sind schwer zu finden". Oder auch "Bei Freundschaft geht es allein um die Wahrheit."
Sie hat die gleiche Show schon in Australien gedreht und wird bei Erfolg sicher auch in andere Länder kommen, die genug für die TV-Rechte bezahlen. Denn egal, ob das hässliche Entlein oder die Zicke am Ende übrig bleiben - es geht sowieso nur um eines: die Zementierung der Marke Paris Hilton im Rampenlicht.