WAS MACHT EIGENTLICH... Ulrike Meyfarth

Vor dreißig Jahren gewann die Hochspringerin bei den Olympischen Spielen in München mit 16 ihre erste Goldmedaille. Stunden später überfielen palästinensische Terroristen das Dorf der Athleten.

Vor dreißig Jahren gewann die Hochspringerin bei den Olympischen Spielen in München mit 16 ihre erste Goldmedaille. Stunden später überfielen palästinensische Terroristen das Dorf der Athleten.

Zur Person:


Ulrike Nasse-Meyfarth, 46, lebt mit ihren Töchtern Antonia, 9, und Alexandra, 14, und Ehemann Roland Nasse in Odenthal bei Köln und sichtet Leichtathletik-Nachwuchs für Bayer Leverkusen. Die Diplom-Sportlehrerin gewann 1972 ihr erstes olympisches Gold im Hochsprung; überschattet wurden die Spiele vom Überfall palästinensischer Terroristen auf die Mannschaft Israels, bei dem 17 Menschen starben. Nasse-Meyfarth war unter anderem siebenmal Deutsche Meisterin und dreimal Europameisterin. 1984 in Los Angeles holte sie erneut olympisches Gold und beendete bald darauf ihre sportliche Karriere.

Stichwort Olympia 1972 in München. Woran denken Sie zuerst?

An den 4. September - meinen großen Tag. Und dann natürlich an das Attentat.

In den frühen Morgenstunden des 5. September fielen palästinensische Terroristen in das Olympische Dorf ein. Was haben Sie davon mitbekommen?

Zunächst gar nichts. Aber beim Frühstück sprachen alle darüber, keiner konnte es glauben. Dann haben wir alle gespannt verfolgt, wie das Drama weiterging. Jeder stand unter Schock. Und meine Freude über den Sieg war erst mal gedämpft.

Es gab kritische Stimmen darüber, dass die Spiele trotz des Attentates fortgesetzt wurden.

Den Opfern wurde man damit überhaupt nicht gerecht. Aber ich denke, es war trotzdem gut, dass die Spiele weitergingen. Nach der Trauerfeier habe ich mir die Wettkämpfe angeguckt - und das auch genossen. Es ist doch menschlich, dass man unangenehme Dinge verdrängt.

Nach Ihrem Goldsprung standen Sie plötzlich im Blickpunkt der Öffentlichkeit.

Nach der Siegerehrung wurde ich von Fernsehsender zu Radiosender gekarrt und überall interviewt. Das war ganz neu für mich, entsprechend unbedarft bin ich da aufgetreten. Mein Vater hat mich begleitet und war total aus dem Häuschen. Dieser Sieg hat sicher mein Leben geprägt.

Inwiefern?

Keiner hatte mit meinem Sieg gerechnet, ich wurde von der Popularität völlig überrollt und kam erst Jahre später dazu, richtig über alles nachzudenken. Für einen Teenager war so ein Rummel nicht zu verkraften. Ich war zuvor eine stinknormale Schülerin - und plötzlich war nichts mehr normal. Jeder hat geguckt, was ich mache. Und im Leistungssport habe ich gedacht, es ginge alles so weiter. Aber das war nicht so, ich hatte dann eine Verletzung und bin in ein tiefes Loch gefallen. Erst mit einem neuen Trainer ging es ab 1978 wieder aufwärts.

Bei den Spielen 1984 in Los Angeles gewannen Sie Ihr zweites Gold. Welcher Olympiasieg bedeutet Ihnen mehr?

Man kann die beiden nicht miteinander vergleichen. Das erste Gold war überraschend, das zweite hart erarbeitet. Es hat die Eintagsfliege bestätigt - das musste sein.

Warum sind Sie danach zurückgetreten?

Ich hatte einfach genug und wollte in Würde zurücktreten und nicht des Geldes wegen rumtingeln. Und ich freute mich auf ein anderes Leben. Ich hab versucht, beruflich Fuß zu fassen und bei Bayer Leverkusen eine Stelle angeboten bekommen im organisatorischen Bereich. Und dann trat mein Mann in mein Leben...

...der Rechtsanwalt Roland Nasse. Sie haben nach der Hochzeit den Namen Meyfarth abgelegt. Um ein Stück Anonymität zurückzugewinnen?

Ja, vor allem auch für unsere Kinder. Nur wenn ich in Sachen Sport unterwegs bin, bin ich noch immer die Meyfarth.

Was machen Sie konkret?

Ich suche Leichtathletik-Talente für Bayer Leverkusen. Ich gehe an die Schulen und organisiere auch mal einen Wettkampf, um Schüler für den Sport zu werben. Unsere Vereine müssen viel aggressiver vorgehen, um an Nachwuchs ranzukommen.

Und Ihre eigenen Töchter? Treten die mal in Mutters Fußstapfen?

Das Potenzial wäre vorhanden, sie machen ein bisschen Leichtathletik und Tennis. Aber mehr aus Spaß an der Freude.

Und Sie, treiben Sie noch Sport?

Ich jogge und mache Gymnastik. Der Hochsprung ist für mich gelaufen. Es gibt ja Athleten, die gehen auf »Seniorenwettkämpfe« - aber zu denen gehöre ich nicht.

Interview: Maja Sellschopp

PRODUKTE & TIPPS

Mehr zum Thema