Der streitbare Hochdruckschweißer aus Stuttgart, Exkommunist und -betriebsrat von Daimler-Benz, war als 'Realo' Mitbegründer der Grünen STERN: Hätten Sie es damals darauf angelegt, wären Sie heute vielleicht Alterspräsident des Bundestags oder Staatssekretär. Reizt Sie der Gedanke?
HOSS: Überhaupt nicht mehr. Ich habe in acht Jahren Bundestag meinen Hintern plattgesessen, mein letztes Lebensdrittel will ich nicht in Sitzungen verbringen. Die Zeit in Bonn war wertvoll, ist aber abgehakt.
STERN: Als Gründungsmitglied der Grünen müssen Sie mächtig stolz sein, daß Joschka jetzt als Außenminister um die Welt jettet ...
HOSS: Formal ist das faszinierend. Aber um den Militäreinsatz der USA im Irak gutzuheißen, braucht es keinen Fischer, das hätte auch Kinkel gemacht. Fischer ist unser Bester, er hätte Chef eines Ministeriums neuen Zuschnitts für Ökologie, Energie, Verkehr werden müssen, als Vizekanzler. Das wäre ein Signal gewesen.
STERN: Umweltminister Trittin mißfällt Ihnen auch?
HOSS: Inhaltlich macht der Positionen deutlich, und das ist gut. Persönlich mochte ich ihn nie richtig, weil er so überheblich auftritt.
STERN: In der Partei galten Sie als 'Feigenblatt-Arbeiter'. Hat Sie das geärgert?
HOSS: Ich war nun mal der einzige, der Schweißer und Betriebsrat bei Daimler-Benz war. Wenn die anderen mit Strickzeug und Babys zu Parteitagen kamen, bin ich natürlich aufgefallen.
STERN: Aufgefallen sind Sie immer: Sie flogen aus der KP und der IG-Metall, legten sich mit Daimler-Managern an. Wem spucken Sie heute in die Suppe?
HOSS: Nun mal langsam: In der KP wollte ich nicht mehr sein, weil sie den Einmarsch in der Ci SSR guthieß, und in der IG-Metall wehrte ich mich gegen Filz. Jetzt bin ich Rentner, arbeite drei Monate im Jahr als eine Art Enwicklungshelfer in Brasilien und setze so mein Thema fort: Solidarität mit den Armen.
STERN: In wessen Auftrag?
HOSS: Ich arbeite mit der Bundesuniversität in Belem zusammen. Unser Projekt 'Poema' zeigt den Bauern am Amazonas, wie sie das Drei- bis Fünffache produzieren und vermarkten können, ohne den Urwald durch Brandrodung zu zerstören. Einige hundert Dörfer arbeiten nach dem System. Wir bauen Brunnen und Wasserleitungssysteme, versorgen Dörfer ohne Strom mit Solarlampen. Eben haben wir ein Zentrum für regenerative Energien eröffnet.
STERN: Woher kommt das Geld?
HOSS: Das zu beschaffen ist mein Job. Ich rede in Schulen, Dritte-Welt-Initiativen, Firmen, werbe bei Politikern und um Patenschaften.
STERN: Wieviel haben Sie bisher eingetrieben?
HOSS: Etwa eine halbe Million Mark, plus zwei Millionen Dollar von 'Unicef' und meinem Ex-Arbeitgeber. Daimler unterstützt ein Forschungsprojekt, das untersucht, wo beim Autobau herkömmliche Materialien durch umweltfreundliche ersetzt werden können. In einem Betrieb werden seit 1993 Kopfstützen aus Kokosfasern für die Lkw-Produktion in Sao Paulo hergestellt, und bald auch für die A-Klasse. In der neuen Fabrik einer Bauernkooperative werden 200 Menschen arbeiten.
STERN: Überlegen Sie, ganz in Brasilien zu bleiben?
HOSS: Nein, dort nütze ich den Leuten wenig. Mit meinen Kontakten hier kann ich besser helfen. Außerdem ist hier meine Familie ...
STERN: ... Ihre Tochter Nina wurde durch den Film 'Das Mädchen Rosemarie' bekannt, in dem sie eine Edelprostituierte spielte. Wie gefiel Ihnen die Nacktszene?
HOSS: Nina, meine Frau, die übrigens Schauspielerin und Regisseurin ist, und ich - haben lange vorher darüber gesprochen. Und wir fanden die Szene überzeugend, sie gehörte eben zu dieser Figur.