Gespür für die Mode Autorin Dijanna Mulhearn: "Tina Turners Stil war sexy, ohne frivol zu sein"

Tina Turner bei einem Konzert 2003 im niederländischen Groningen
Tina Turner bei einem Konzert 2003 im niederländischen Groningen
© Ed Oudenaarden / AFP
Miniröcke, High Heels, tiefes Dekolleté: Mit ihrer Mode sorgte Tina Turner stets für Aufsehen. Die Stil-Kritikerin und Buchautorin Dijanna Mulhearn erklärt, was ihren Look auch über den Tod hinaus besonders macht.

Sie kleidete sich wie ein Showgirl, tanzte über die Bühne wie ein Wirbelwind: Tina Turner war nicht nur eine Ikone der Musik, sondern auch der Mode. Für Dijanna Mulhearn gehörte sie zu den stilprägendsten Frauen des Showbusiness. Die australische Modekennerin und Journalistin nimmt seit vielen Jahren den Stil der Stars unter die Lupe. Anfang 2023 brauchte sie das Buch "Oscars – Glamour auf dem roten Teppich" heraus. Darin erklärt sie, wie sehr auch Kleider zum Erfolg von Stars beitragen. Eine Erkenntnis, die niemand besser verstand als Tina Turner.

Frau Mulhearn, haben Sie einen "Tina Turner"-Moment?
Ich habe sie einmal persönlich erlebt. Ich war 21 und arbeitete in einem Hotel in Sydney. Als sie eines Tages dort abstieg, wurde ich in ihr Zimmer gerufen. Sie war im Bad, im Zimmer hing ihre Perücke. Ich erschrak, denn ich hatte nie darüber nachgedacht, dass ihre Haare nicht echt sein könnten.

Wie hat sie reagiert?
Mit einem Lächeln. Ich erinnere mich an die Wärme in ihrem Blick. Eine tolle Frau!

Tina Turner war nicht nur eine der größten Musikerinnen unserer Zeit, sondern galt auch als Modeikone. Was zeichnete sie aus?
Tina Turner verstand die Wirkung von Mode – und nutze sie für sich. So auch Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre. Während andere Künstlerinnen wie Trophäen in schicken, adretten Kleidern vor ihren Mikrofonen standen, fegte sie mit ultrakurzen Kleidern über die Bühne. Pailletten, Fransen, Bänder – bei Tina Turner war alles in Bewegung. Obwohl ihre Highheels schwindelerregend hoch waren, zeigte sie, dass sie nun als Solokünstlerin mit beiden Beinen im Leben stand. Sie wurde zum Sinnbild des Aufbruchs, als Musikerin, als Mode-Ikone – aber auch als Frau.

Wie meinen Sie das?
Als Tina Turner sich Ende der 1970er von ihrem Mann trennte, musste sie sich als schwarze Solo-Künstlerin in einer von Weißen geprägten Musikwelt durchsetzen. Sie war geschieden und zu jener Zeit bereits um die 40. Doch sie kämpfte sich unerschrocken an die Spitze. Das machte sie zum Vorbild vieler Frauen, egal welcher Hautfarbe und welchen Alters. Tina Turner gehört zu den Pionierinnen des Female Empowerments.

Mode spielte dabei eine wichtige Rolle. In ihrer Biografie schrieb Tina Turner einst, dass ihr Stil stets auch ihr Leben widerspiegelte. Wie genau gelang ihr das?
In der Zeit mit Ike Turner war sie wie ein hübscher Vogel im goldenen Käfig. Ihre Kleider waren bereits kurz, doch nach der Scheidung konnte man die Befreiung von allen Zwängen buchstäblich sehen: Ihre Bühnenoutfits waren ein Hauch von nichts, aufregend, schockierend, aber ohne zu viel preiszugeben. Sie erinnerten an Showgirl-Kostüme. Anfang der 1980er veröffentlichte sie ihr Album „Private Dancer“. Damals entwickelte sie ihren typischen Look: Powermähne, Endlosbeine, dazu die superkurzen Minis. Die Showgirl-Kostüme der Siebziger brauchte sie nicht mehr. Ihr war die Aufmerksamkeit sicher. Ihr Look war noch immer sexy, aber relaxter und lässiger. Sie war angekommen, das zeigte sie auch durch ihre Mode.

Welche Kleider stachen heraus?
Zu den wichtigsten Kleidern gehören wohl ein rotes Flammenkleid und ein goldenes, das mit großen Flügeln geschmückt war. Sie trug beide in der Zeit nach ihrer Scheidung. Sie zeigten die neue Tina. In ihrer Biografie schrieb sie damals, sie habe nicht nur ausgesehen, als sie wolle sie losfliegen – sie tat es auch. Ihre modische Befreiung unterstütze damals der amerikanische Kostümmacher Bob Mackie. Tina Turner lernte ihn durch ihre Freundin Cher kennen. Sie war damals oft Gast ihrer Show.

Wie unterstütze er sie?
Bob Mackie war ein brillanter Designer, der es verstand, aufregende Bühnenkostüme zu entwerfen. Er arbeitete für Cher, Diana Ross, für Marlene Dietrich, ebenso war er derjenige, der einst die Skizzen für Marylin Monroes berühmtes Strass-Kleid anfertigte. Auch Tina Turner arbeitete mit ihm. Er wusste, wie weit er gehen durfte, um mit Kleidern zu schockieren, ohne plump zu sein. Ihr Stil war sexy, ohne frivol zu sein.

Ein schmaler Grad. Wie gelang das?
Tina Turners Looks unterstrichen ihre Freiheit, nie ihre Freizügigkeit. Man nahm ihr ab, dass ihre Röcke kurz sein mussten, anders hätte sie sich nicht wie ein Wirbelwind auf der Bühne bewegen können. Alles an ihr war einzigartig: die Haare, die langen Beine, die Mode. Frauen bewunderten sie für das, was sie in ihrem Leben erreicht hatte. Man feierte sie als Ikone, nahm sie auch deshalb nie als aggressiv sexy wahr. Je älter sie wurde, desto mutiger wurde sie.

Wie schaffte sie es, alterslos zu bleiben?
Sie scherte sich nicht darum, was andere von ihr dachten und kleidete sich so, wie es ihr gefiel. Unvergessen ist das silberne Versace-Kleid im Negligé-Stil, das sie in den Neunzigern trug. Es war ein Look, den damals Topmodels wie Claudia Schiffer und Naomi Campbell auf dem Laufsteg vorführten. Tina Turner war um die 60 zu jener Zeit und zeigte dennoch: Mode kennt kein Alter. Es war eine wichtige Botschaft.

War sie eine Pionierin des Power Dressings?
Nein, mit Power Dressing verbindet man Frauen in Businessanzügen und dicke Schulterpolster. Tina Turners Stil war einzigartig. Sie war mutig und zeigte mit all ihren Outfits, wie sehr sie in sich ruhte.

Wie hat ihr Stil die Mode beeinflusst?
Sie hat viele Stars inspiriert, wie etwa Beyoncé, sogar Mick Jagger. Ihre Bühnenpräsenz, die Art wie sie ihren ganzen Körper in Bewegung setze, waren einzigartig. Ihr ikonischer Stil wird bleiben – auch über ihren Tod hinaus.

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