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Kultur-Schock 9 Dinge, über die Amerikaner sich wundern, wenn sie nach Deutschland kommen

Touristin in Berlin
In Deutschland tragen nicht alle Menschen Dirndl und Lederhosen? Für viele Amerikaner eine echte Überraschung. 
© Wolfram Steinberg/dpa / Picture Alliance
Deutschland besteht nicht nur aus Lederhosen und Brezeln – auch wenn viele Amerikaner genau dieses Bild vor Augen haben, wenn sie zum ersten Mal nach Deutschland reisen. Unsere Autorin kann das bestätigen, denn ihr erging es nicht anders. 
Von Shara Tibken

Ich kann mich noch gut an meinen ersten Besuch in Deutschland erinnern. Vor 14 Jahren, als College-Studentin, wollte ich mir während meines Auslandssemesters an einem verlängerten Wochenende München anschauen. Die Stadt war schneebedeckt, kalt und schön, aber die Bierlokale, wie das Hofbräuhaus, sahen gemütlich und einladend aus. München war im Großen und Ganzen so, wie ich mir Deutschland vorgestellt hatte: mit Trachten, Bier und Humtata.

Ich hatte – wie viele andere Amerikaner – keine Ahnung, dass das restliche Deutschland komplett anders aussieht. Ich war ziemlich geschockt, als ich etwa zehn Jahre später nach Berlin kam und es dort Craft-Biere gab und mehr Dönerläden als Brezeln. Manche Gegenden in Deutschland sehen vielleicht so aus wie in den Filmen, die meisten jedoch nicht. Und es gibt eine Menge Dinge in diesem Land, über die Amerikaner nicht wirklich etwas wissen. Hier sind einige davon.

1. Deutschland hat mehr zu bieten als Lederhosen, Brezeln und Bier

Das Bild, das Medien, Fernsehshows und Filme von Deutschland zeichnen, besteht typischerweise aus blonden, rotbackigen Deutschen in Dirndl und Lederhosen mit einer Brezel in der einen und einem Bier in der anderen Hand. Als Apple-CEO Tim Cook vergangenen Monat in Deutschland war, erhielt das Foto, auf dem der reservierte Unternehmer einen Steinkrug mit Bier schwang, von allen Fotos dieser Reise auf Twitter die meisten Likes.

Blonde Frau auf einem Fahrrad

Wenn man nach Bayern fährt, sieht man viele Leute in traditioneller Kleidung, vor allem zu besonderen Anlässen wie Hochzeiten. Manche, hauptsächlich ältere Männer und Frauen, tragen auch täglich Lederhosen und Dirndl. Als ich in den Alpen war,  unter anderem in Garmisch-Partenkirchen, trugen in den Restaurants alle traditionelle Kleidung, nicht weil es einen besonderen Anlass gab, sondern weil sie das täglich tun. Und während des Oktoberfestes in München hat man das Gefühl, dass die ganze Stadt in Dirndl und Lederhosen unterwegs ist, obwohl viele in Wahrheit betrunkene Touristen sind, die sich in der Nähe des Hauptbahnhofs billige Outfits gekauft haben. Wenn man jedoch nach Berlin, Hamburg oder fast überall sonst fährt, sieht man so gut wie nie Trachten.

2. Das Oktoberfest ist gar nicht (nur) im Oktober

A propos Oktoberfest, das findet auch nicht im Oktober statt, also jedenfalls nicht ausschließlich. Es beginnt im September und endet Anfang Oktober. Wer hätte das gedacht? Die meisten Amerikaner jedenfalls nicht. Wenn auch nur wenige Amerikaner deutsche Vorfahren haben, so waren doch viele schon mindestens einmal in ihrem Leben auf einem Oktoberfest. (Wer lässt sich schon gerne eine gute Entschuldigung zum Bier trinken entgehen?). Oktoberfest-Partys gibt es im Herbst überall in Amerika, aber die meisten finden im Oktober statt. Mein Büro in San Francisco veranstaltet jedes Jahr ein großes Oktoberfest und zwar – Ihr ahnt es – im Oktober, lange nachdem das echte Oktoberfest zu Ende gegangen ist.

Keiner kann es sich anders vorstellen. Es gibt noch viele andere Dinge, die Amerikaner nicht über das Oktoberfest wissen, zum Beispiel dass man Tische reservieren kann, dass auch Familien hingehen und dass es nicht nur um darum geht, sich komplett zu besaufen.

3. Sonntags hat alles zu

In den Vereinigten Staaten ist Sonntag normalerweise der Tag, an dem man Besorgungen macht, Lebensmittel einkauft, ein bisschen shoppen geht. Oder jedenfalls mache ich das so. Nicht aber in Deutschland. Es war wirklich ein Schock für mich, als ich bei meinen ersten Aufenthalten in Deutschland feststellen musste, dass sonntags fast alles geschlossen hat. Ich hatte mir vorgenommen, ein paar schöne Lederstiefel zu kaufen, mit denen ich schon tagelang geliebäugelt hatte, nur um festzustellen, dass der Laden an meinem letzten Tag, einem Sonntag, geschlossen hatte. Mein Herz hat wirklich geblutet. Aber damit stehe ich wahrscheinlich nicht alleine da.

4. Fast nirgendwo kann man mit Kreditkarte bezahlen

Bevor ich nach Deutschland kam, war ich ziemlich entspannt, weil ich dachte, ich könnte alles mit Kreditkarte bezahlen. Dabei werden keine Auslandsgebühren verlangt, so dass ich davon ausging, eine Menge Geld zu sparen, da ich keine horrenden Gebühren für Geldautomaten zahlen müsste. Leider falsch! Die einzigen Geschäfte, die immer Kreditkarten annehmen, sind Kleider- und Lebensmittelgeschäfte. Fast kein Restaurant in den großen Städten und kleinen Dörfern, die ich besucht habe, hat Mastercard oder Visa akzeptiert. Auch deine American Express oder Discover Card kannst du getrost zu Hause lassen.

Der neueste Test: Wird meine Apple Card irgendwo funktionieren? Ich mache mir keine großen Hoffnungen.

Junge Frau sitzt im Park.

5. Die Züge fahren nicht pünktlich 

Die Deutschen sind bei uns Amerikanern für ihre Pünktlichkeit bekannt. Wir gehen also selbstverständlich davon aus, dass Züge pünktlich sind, dass alles perfekt funktioniert und man nie zu irgendetwas zu spät kommt. HAHA! Weit gefehlt! Es scheint ein offenes Geheimnis unter Deutschen zu sein, dass die Züge nicht so zuverlässig fahren, wie wir Fremden das glauben.

Es geht hier nicht um italienische Verhältnisse mit Verspätungen und Ausfällen, aber wir sind doch ein gutes Stück von der Zuverlässigkeit des schweizerischen Verkehrssystems entfernt. Das musste ich vor zwei Jahren am eigenen Leib erfahren. Ich nahm im August ohne Schwierigkeiten einen Zug von München nach Baden-Baden und beschloss, an einem der Tage, die ich dort verbrachte, das französische Straßburg zu besuchen. Die Probleme begannen, als ich versuchte, über die DB Navigator App eine Rückfahrt nach Baden-Baden zu buchen.

Ich konnte nicht verstehen, warum jeder Zug, den ich buchen wollte, gestrichen wurde. Niemand konnte mir sagen, was los war. Ich schaffte es schließlich, nach Baden-Baden zurück zu kommen, wo hunderte, wenn nicht tausende Menschen auf dem Bahnsteig standen – und alle weiteren Züge für diesen Tag gestrichen worden waren. Ich hatte keine Ahnung, was hier vorging. Ich sollte eigentlich am nächsten Tag nach Heidelberg fahren, aber es stellte sich heraus, dass Baden-Baden vom Rest Deutschlands weitestgehend abgeschnitten war, weil der Rastatter Tunnel eingestürzt war.

Statt der geplanten Reise von etwas mehr als einer Stunde musste ich mehrere Regionalbusse und -züge nehmen, bis ich nach über vier Stunden endlich am Ziel war. Die Deutsche Bahn erstattete mir das ursprüngliche Zugticket (wie nett von ihr!), aber diese Fahrt nach Heidelberg war mehr als qualvoll. Trotz dieser Probleme sind der öffentlicher Nahverkehr und das Bahnnetz um Längen besser als in den meisten Orten der USA.

6. Fahrradfahrer fahren auf dem Bürgersteig

Das ist fantastisch, wenn du auf einem Fahrrad sitzt, aber leicht beängstigend, wenn du ein neu angekommener Tourist bist. Ich wurde fast von einem Fahrrad über den Haufen gefahren, als ich an meinem ersten Tag in Berlin auf dem Bürgersteig stand und ein Gebäude anstarrte. Ich hatte das Fahrrad überhaupt nicht kommen sehen und mir war nicht bewusst, dass sich Fahrradwege nicht wie in den USA direkt neben der Fahrbahn befinden.

In Amerika ist es verboten, auf dem Bürgersteig Fahrrad zu fahren. Eine Freundin von mir musste ein Bußgeld zahlen und einen Verkehrserziehungskurs machen, weil sie in New York in Brooklyn auf dem Bürgersteig Fahrrad gefahren war. Obwohl die deutschen Fahrradwege eine andere Farbe oder einen anderen Belag haben als die Gehwege, dauert es eine Weile, bis man herausgefunden hat, was was ist. Ich frage mich, ob manche Touristen überhaupt einen Unterschied bemerken oder einfach davon ausgehen, dass das alles Gehwege sind.

7. Klimaanlagen, Lichtschalter und Fenster - alles anders

Klimaanlagen gibt es in Deutschland kaum, vor allem deshalb, weil es früher nie lange so heiß war, dass man sie brauchte. Es ist ein Schock, wenn man bei Hitze hier ankommt und feststellt, dass das gebuchte Hotel keine Klimaanlage hat. In den USA ist eine Klimaanlage fast überall Standard.

Dann sind da die deutschen Lichtschalter. Sie werden genau andersherum gedrückt als in den USA (dort drückt man den Schalter nach oben, um das Licht anzumachen, nach unten, um es wieder auszumachen). Irgendwie verwirrt mich das jedes Mal ungemein, wenn ich das Licht anmache. Hat Deutschland – zusammen mit dem Rest Europas – beschlossen, es genau andersherum zu machen als in den USA?

Fenster sind in Deutschland auch anders. Und ich LIEBE sie. In Deutschland kann man den Griff drehen, um das Fenster entweder wie eine Tür zu öffnen oder es oben aufzukippen. Ich liebe es einfach, auch wenn ich nicht genau erklären kann wieso. In den USA schiebt man die Fenster normalerweise nach oben und unten oder zur Seite, um sie zu öffnen.

Die spinnen, die Deutschen: Andy aus Ohio berichtet

8. Eier müssen hier nicht gekühlt werden 

Wie? Warum? Wieso? Muss man sie wirklich nicht kühl lagern? Kann man sie wirklich einfach so ins Regal stellen? Auch wenn ich "weiß", dass man sie ohne Bedenken essen kann, kann ich doch nicht anders, als sie direkt nach dem Einkaufen in den Kühlschrank zu verfrachten. Sonst werde ich ganz nervös.

Und was die Eier selbst angeht, so findet man darauf manchmal kleine Überraschungen – wie Hühnerdreck und Federn. In den USA sieht man so etwas NIEMALS, außer man lebt auf einer Farm. Ich bin sogar auf einer Farm in Iowa aufgewachsen und mein jüngster Bruder hielt eine Zeit lang Hühner. Ich habe Eier in ihrem natürlichen Zustand gesehen, doch das ist bei den meisten Amerikanern nicht so. Und obwohl die Eier frisch aus dem Hühnerstall kamen, wurden sie von meiner Familie natürlich in den Kühlschrank gestellt!

9. Wasser ist oft nicht gratis. Und Toiletten manchmal auch nicht 

Sobald du in den USA in einem Restaurant Platz nimmst, bekommst du ein Glas Leitungswasser mit viel Eis gebracht. Du kannst es so oft nachfüllen lassen, wie du willst, und es kostet dich keinen Cent. Es ist wirklich ein Schock für Amerikaner, die nach Europa kommen, wenn sie zum ersten Mal für ihr Wasser bezahlen müssen. Und das mit dem Eis kannst du auch vergessen! Selbst wenn es fast 40 °C warm ist, bekommst du fast nie Eis zu deinen Getränken.

Man kann in Deutschland kostenlos Leitungswasser bekommen, aber als Amerikaner weißt man nicht wirklich, wie man danach fragen soll. Meistens läuft es am Ende auf eine teure Flasche Mineralwasser hinaus. In den USA bekommt man in 99 Prozent der Fälle stilles Wasser serviert. Auch wenn Mineralwasser mit Kohlensäure in Amerika mittlerweile etwas populärer geworden ist, wissen die meisten Amerikaner nicht, wie sie in Deutschland nach stillem Wasser oder Mineralwasser fragen sollen.

Und dann sind da noch die Toiletten. In Amerika sind sie kostenlos und es gibt kein Toilettenpersonal, dem man ein Trinkgeld geben müsste, außer man ist in einem Nachtclub. Ich erinnere mich noch genau daran, als ich zum ersten Mal einen Euro bezahlte, um eine Toilette zu benutzen. Es war ein trauriger Abend. Ich hätte das Geld lieber für ein Eis ausgegeben.

Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Journalistenaustauschprogramms "Nahaufnahme" des Goethe-Instituts und des Deutschlandjahrs USA unter dem Motto "Wunderbar Together". Weitere Informationen finden Sie unter www.goethe.de/nahaufnahme und unter #GoetheCloseUp sowie #WunderbarTogether.

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