Die Tat steht nach bisherigen Ermittlungen und dem aktuellen Kenntnisstand in Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt, wie Polizei und Staatsanwaltschaft mitteilten. Der 19-Jährige habe bei seiner Festnahme in seinem Rucksack einen Gebetsteppich, einen Koran, einen Zettel mit Versen aus dem Koran mit dem Datum vom Freitag und die mutmaßliche Tatwaffe gehabt. Dies deute auf eine religiöse Motivation hin.
Der Beschuldigte soll den Ermittlern zufolge einen klaren Eindruck gemacht haben. Er soll auch kooperativ gewesen sein. Derzeit werde ermittelt, ob eine psychische Erkrankung vorliegt. Anhaltspunkte für "Verbindungen mit anderen Personen oder Organisationen" lägen bislang nicht vor.
Der mutmaßliche Täter soll am frühen Freitagabend den spanischen Touristen im Stelenfeld des Holocaust-Mahnmals von hinten mit einem Messer angegriffen haben; der 30-Jährige erlitt lebensgefährliche Verletzungen am Hals. Nur durch das schnelle Eingreifen von Rettungskräften und einer Notoperation, nach der der Tourist für einige Zeit in ein künstliches Koma versetzt werden musste, konnte den Angaben zufolge sein Leben gerettet werden. Ein für Sicherheitsfragen zuständiger Vertreter der baskischen Regionalregierung in Spanien, Bingen Zupiria, sagte am Samstag, der Mann komme aus Bilbao; er sei wohl ein Zufallsopfer.
Die Polizei nahm den mutmaßlichen Täter knapp drei Stunden später fest; er lief den Angaben zufolge auf die Polizeikräfte zu und hatte blutverschmierte Hände sowie eine mit Blut verschmutzte Hose.
Der Festgenommene soll 2023 als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling nach Deutschland gekommen sein, wie Polizei und Staatsanwaltschaft weiter mitteilten. Er habe hier Asyl beantragt, das anerkannt worden sei, und zwar nach Angaben des sächsischen Innenministeriums Ende 2023.
Ein Sprecher des Innenministeriums in Dresden sagte, der 19-Jährige habe in einem Flüchtlingsheim gewohnt. Er sei in Sachsen polizeilich bekannt "mit einfachen Straftaten der allgemeinen Kriminalität" und nicht als Mehrfach- oder Intensivstraftäter.
Ein Ermittlungsrichter sollte am Samstag Haftbefehl gegen den Mann erlassen. Die Ermittlungen wegen des Verdachts des versuchten Mordes und der gefährlichen Körperverletzung übernahmen der Staatsschutz und eine Mordkommission des Landeskriminalamts Berlin.
Das Holocaust-Mahnmal in Berlin-Mitte befindet sich in der Nähe des Brandenburger Tors und des Potsdamer Platzes. Das 2005 eröffnete Mahnmal mit mehr als zweitausend Betonstelen erinnert an die sechs Millionen unter der Nazi-Diktatur im Zweiten Weltkrieg ermordeten Juden.
"Wir müssen von einem antisemitischen Hintergrund ausgehen - und das am Denkmal für die ermordeten Juden Europas, einem Ort der Mahnung und Erinnerung", erklärte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Der Täter müsse "mit aller Härte des Gesetzes bestraft und direkt aus der Haft abgeschoben werden". Die Regierung werde "alle Wege nutzen, um Gewalttäter wieder nach Syrien abzuschieben", betonte die Ministerin. "Wer solche Taten begeht und den Schutz in Deutschland aufs Widerwärtigste missbraucht, der hat jedes Recht verwirkt, in unserem Land zu sein."
Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) nannte den Messerangriff "hinterhältig und feige". Er erwarte von der nächsten Bundesregierung, "dass sie dafür sorgt, dass solche Täter ihren Schutzstatus verlieren und schnell unser Land verlassen müssen", erklärte er im Onlinedienst X. Innensenatorin Iris Spranger (SPD) nannte das versuchte Tötungsdelikt am Denkmal für die ermordeten Juden Europas "unerträglich".
Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, äußerte sich erschüttert. "Die Tat macht nicht nur erneut die tödliche Gefahr von Judenhass deutlich, sondern zeigt auch, dass jeder Mensch Opfer einer antisemitischen Gewalttat werden kann", sagte er dem "Tagesspiegel". Der Täter gehöre vor Gericht gestellt und nach Verbüßung seiner Haftstrafe abgeschoben. "Ich warne aber dringend davor, die Tat für populistische Zwecke zu instrumentalisieren", sagte Klein einen Tag vor der Bundestagswahl.