Der Libanon stehe "am Rande des Kollaps", mahnte Baerbock in Beirut. Angesichts des Leids der Zivilbevölkerung müsse gemeinsam mit Partnern in den USA, Europa und der arabischen Welt eine "tragfähige diplomatische Lösung" erarbeitet werden, welche "die berechtigten Sicherheitsinteressen Israels und ebenso des Libanon" wahre, forderte die Ministerin.
Es ist Baerbocks zwölfte Reise in die Region und ihr vierter Besuch im Libanon seit dem Überfall der radikalislamischen Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023. Am Donnerstag will sie an einer Libanon-Konferenz in Paris teilnehmen.
US-Außenminister Blinken beendete unterdessen einen Besuch in Israel mit der Forderung nach einem baldigen Kriegsende im Gazastreifen. Es sei "jetzt an der Zeit", den Gaza-Krieg zu beenden, sagte er vor seiner Abreise aus Tel Aviv. Israel habe die meisten seiner strategischen Ziele mit Blick auf Gaza erreicht. "Jetzt ist es an der Zeit, diese Erfolge in einen langen, strategischen Erfolg zu wandeln", sagte Blinken, der im Anschluss nach Saudi-Arabien weiterreiste.
Am Vortag hatte der US-Außenminister bei einem Gespräch mit Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu betont, dass die Tötung von Hamas-Chef Jahja Sinwar eine günstige Gelegenheit biete, um die Freilassung der Geiseln zu erreichen und den Konflikt im Gazastreifen zu beenden.
Sinwar war vergangene Woche bei einem israelischen Armeeeinsatz im Süden des Gazastreifens getötet worden. Er galt als Drahtzieher des von der radikalislamischen Palästinenserorganisation verübten Überfalls auf Israel vor über einem Jahr, bei dem nach israelischen Angaben 1206 Menschen getötet worden waren. 251 Geiseln wurden damals in den Gazastreifen verschleppt, wo sich 97 von ihnen nach wie vor befinden sollen.
Israel geht seitdem militärisch gegen Ziele im Gazastreifen vor. Nach Angaben der Gesundheitsbehörde der Hamas, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden seitdem mehr als 42.700 Menschen getötet.
Die Hisbollah im Libanon hatte unmittelbar nach dem Beginn des Gaza-Kriegs mit permanenten Raketenangriffen auf den Norden Israels eine zweite Front im Nachbarland eröffnet. Als Reaktion beschoss Israel Ziele im Libanon.
In den vergangenen Wochen hatte die israelische Armee ihre Luftangriffe auf Hisbollah-Ziele im Libanon deutlich verstärkt und mit Bodeneinsätzen gegen Stellungen der Miliz im Südlibanon begonnen. Ende September wurden Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah und andere hochrangige Kommandeure der Schiitenmiliz getötet.
Am Dienstagabend bestätigte Israel dann auch die Tötung des potentiellen Nasrallah-Nachfolgers Haschem Safieddin in Beirut. Dieser sei gemeinsam mit weiteren Hisbollah-Kommandeuren bei einem Angriff vor rund drei Wochen im südlichen Beiruter Vorort Dahijeh getötet worden, erklärte die israelische Armee. Das Gebiet gilt als wichtigste Hisbollah-Hochburg in der libanesischen Hauptstadt.
Nach einer Evakuierungswarnung für die südlibanesische Stadt Tyros griff die israelische Armee am Mittwoch dort mehrere Ziele an. Dichte schwarze Rauchsäulen stiegen über mehreren Stadtteilen von Tyros auf, wie Videoaufnahmen der Nachrichtenagentur AFP zeigten. Die staatliche libanesische Nationale Nachrichtenagentur berichtete von vier Angriffen.
Katastrophenschutzleiter Mortada Mhann sprach von einer "sehr schlimmen" Situation. "Wir sind dabei, Menschen zu evakuieren", erklärte er. Sprecher Bilal Kaschmar teilte der AFP mit, dass viele Menschen aus der Stadt in die Vororte flüchteten. "Man könnte sagen, dass die gesamte Stadt Tyros evakuiert wird."