Netanjahu landete am frühen Donnerstagmorgen in Ungarn und wurde von Orban empfangen. Gegen den israelischen Regierungschef liegt seit November ein vom IStGH ausgestellter Haftbefehl wegen Kriegsverbrechen im Gazastreifen vor. Die mehr als 120 IStGH-Mitgliedstaaten sind damit eigentlich verpflichtet, den israelischen Regierungschef festzunehmen, sobald er ihr Territorium betritt.
Orban bezeichnete den IStGH am Donnerstag als "politisches Gericht, das seine Unparteilichkeit verloren hat, wie die Entscheidungen zu Israel zeigen". Sein Bürochef Gergely Gulyas verkündete den Rückzug Ungarns aus dem IStGH kurz vor Beginn des Treffens zwischen den Regierungschefs. Das entsprechende Verfahren, das in der Regel ein Jahr in Anspruch nimmt, solle noch im Laufe des Tages angeschoben werden, erklärte Gulyas.
Ungarn hatte das sogenannte Römische Statut des IStGH 2001 ratifiziert. Das Inkrafttreten des Beschlusses zu dem Statut hat die ungarische Regierung wegen verfassungsrechtlicher Bedenken allerdings nie offiziell verkündet, so dass sie sich nicht an die IStGH-Entscheidungen gebunden fühlt. Die Ausstellung des Haftbefehls gegen Netanjahu hatte Orban scharf verurteilt und unmittelbar darauf eine Einladung an seinen israelischen Kollegen ausgesprochen.
Dieser lobte die ungarische Entscheidung zum Rückzug am Donnerstag in Budapest nun als "mutige und prinzipientreue Position". Die Entscheidung Ungarns sei "wichtig für alle Demokratien", sagte Netanjahu weiter. "Ich danke Ihnen, Viktor", fügte der israelische Regierungschef hinzu. "Es ist wichtig, dieser korrupten Organisation die Stirn zu bieten."
Der Strafgerichtshof selbst rief Orbans Regierung dazu auf, ihrer Verpflichtung als IStGH-Mitgliedsland nachzukommen. "Der Gerichtshof erinnert daran, dass Ungarn weiterhin zur Zusammenarbeit mit dem IStGH verpflichtet ist", sagte IStGH-Sprecher Fadi El Abdallah vor Journalisten.
Auch die palästinensische Autonomiebehörde (PA) forderte, die ungarische Regierung müsse den Haftbefehl gegen den israelischen Regierungschef durchsetzen, "indem sie Netanjahu übergibt, damit er vor Gericht gestellt werden kann", erklärte das Außenministerium in Ramallah.
Dass Netanjahu in Budapest empfangen worden sei und sich dort unbehelligt aufhalten könne sei eine Missachtung des IStGH, sagte Baerbock am Rande eines Nato-Außenministertreffens in Brüssel. Europa habe "klare Regeln, die für alle EU-Mitglieder gelten und das ist das Rom-Statut", fügte die scheidende Außenministerin mit Verweis auf das Gründungsdokument des IStGH hinzu.
Allerdings hatte der voraussichtliche künftige Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) Ende Februar ein baldiges Treffen mit Netanjahu in Deutschland in Aussicht gestellt. Bei einem Telefonat hatte Merz dem israelischen Regierungschef nach eigenen Angaben versichert, dass er in Deutschland nicht festgenommen werden würde, obwohl die Bundesrepublik Mitglied des IStGH ist. "Es ist für mich unvorstellbar, dass der demokratisch gewählte Ministerpräsident des Staates Israel Deutschland nicht besuchen kann", hatte der CDU-Politiker betont.
Der Besuch in Budapest ist Netanjahus erste Visite in Europa seit dem Überfall der radikalislamischen Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und dem dadurch ausgelösten Krieg im Gazastreifen. Vor dem Hintergrund des Krieges hatte der IStGH im November einen internationalen Haftbefehl gegen Netanjahu, seinen ehemaligen Verteidigungsminister Joav Gallant sowie den von Israel später getöteten Militärchef der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas, Mohammed Deif, erlassen. Ihnen werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen vorgeworfen. Die Hamas hatte Ende Januar den Tod von Deif bestätigt.
Israel hatte das Vorgehen des Gerichts scharf kritisiert. Er weise jeglichen von IStGH-Ankläger Karim Khan gezogenen "Vergleich zwischen dem demokratischen Israel und den Massenmördern der Hamas mit Abscheu zurück", erklärte Netanjahu damals. US-Präsident Donald Trump ordnete wegen der Haftbefehle gegen die israelischen Politiker Sanktionen gegen den IStGH an. Auch Trumps Vorgänger Joe Biden hatte den Haftbefehl gegen Netanjahu im November verurteilt.
Die USA gehören dem Gericht wie auch Russland, Israel und China nicht an. Aus einer Mitgliedschaft zurückgezogen haben sich bisher Burundi und die Philippinen.