Bundestag beschließt historische Grundgesetzänderungen für Finanzpaket

CDU-Chef Merz bei Rede im Bundestag
CDU-Chef Merz bei Rede im Bundestag
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In einem historischen Beschluss hat der Deutsche Bundestag mit den alten Mehrheiten das beispiellose Schuldenpaket von Union und SPD abgesegnet. Bei der Abstimmung kamen die erforderlichen Grundgesetzänderungen am Dienstagnachmittag auf die nötige Zweidrittelmehrheit. Diese ist auch im Bundesrat nötig, der am Freitag abstimmen soll. Der Abstimmung ging eine kontroverse Debatte voraus, in der es heftige Kritik an CDU-Chef Friedrich Merz hagelte.

Die Zweidrittelmehrheit kam nach aktualisierten Angaben des Bundestags mit 512 Ja-Stimmen zustande - nötig waren 489. 206 der an der Abstimmung teilnehmenden Abgeordneten stimmten dagegen, Enthaltungen gab es nicht. Jeweils ein Abgeordneter bei SPD, Union und Grünen stimmte gegen das Schuldenpaket. Im Bundesrat gilt die Zweidrittelmehrheit seit einer Einigung zwischen CSU und Freien Wählern am Montagabend als knapp, aber gesichert.

Das Paket soll der künftigen Regierung erheblichen finanziellen Spielraum geben. Geplant ist erstens die Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben über einem Prozent der Wirtschaftsleistung. Zudem sollen die Länder wie bisher schon der Bund jährlich Kredite von bis zu 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufnehmen können. Und schließlich sollen 500 Milliarden Euro in ein neues Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz fließen.

Union und SPD hatten sich in ihren Sondierungsgesprächen über die Bildung einer künftigen Bundesregierung auf das Paket geeinigt. In schwierigen Verhandlungen und nach einer Reihe von Zugeständnissen sicherten sie sich zudem die Zustimmung der Grünen. Alle anderen Parteien versuchten mit mehreren Klagen beim Bundesverfassungsgericht sowie mit Geschäftsordnungsanträgen vergeblich, die Sondersitzung des alten Bundestags und die Abstimmung noch zu verhindern.

Merz verteidigte die Pläne im Parlament vor dem Hintergrund von Russlands Angriffskrieg in der Ukraine und der Bedrohung von Europas Sicherheit. Das Finanzpaket eröffne "eine Perspektive für unser Land, die in der Zeit, in der wir heute leben, dringend geboten ist." Deutschlands Stärkung im Verteidigungsbereich sei dabei "der erste große Schritt hin zu einer europäischen Verteidigungsgemeinschaft". Seine Fraktion könne die nötigen Grundgesetzänderungen "mit gutem Gewissen beschließen".

SPD-Chef Lars Klingbeil sagte, das Finanzpaket sei ein "historischer Kompromiss" zwischen SPD, Union und Grünen. Er verteidigte dabei die massive Schuldenaufnahme. Nicht diese belaste aber die Bürgerinnen und Bürger, sondern die massiven Defizite bei Infrastruktur, Klimaschutz und Verteidigung, wenn nicht gehandelt werde. Dabei sei Eile geboten: "Die Welt wird gerade neu vermessen, niemand wartet auf Deutschland und niemand wartet auf Europa."

Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann rechtfertigte die Billigung des Pakets mit den ausgehandelten Zugeständnissen. Hier haben die Grünen unter anderem erreicht, dass aus dem Sondervermögen 100 Milliarden Euro in den Klimaschutz fließen. Haßelmann betonte, ihre Partei habe auch durchgesetzt, dass die Investitionen in Infrastruktur zusätzlich erfolgen müssten.

FDP-Fraktionschef Christian Dürr warf dem voraussichtlichen künftigen Kanzler Merz vor, er führe "die erste Schuldenkoalition der Bundesrepublik Deutschland". Merz wolle an die Spitze einer Regierung treten, "die den Wohlstand von morgen für kurzfristige Wahlgeschenke bereit ist zu opfern".

Die AfD sprach von "Wählerbetrug". Merz habe mit den Mehrheiten des abgewählten Bundestags "eine nie dagewesene Schuldenorgie in Gang gesetzt, die die nachfolgenden Generationen noch lange bezahlen müssen", sagte Parteichef Tino Chrupalla nach dem Votum. Ko-Chefin Alice Weidel warnte vor Verwerfungen auf den Finanzmärkten und davor, dass Deutschland nun seine Top-Bonität verlieren werde. Das beschlossene Finanzpaket sei geeignet, "die finanzpolitische Stabilität von Deutschland endgültig abzuschaffen".

Die Linke warf Merz eine "unsoziale und verlogene" Politik vor. Gruppenchef Sören Pellmann sprach von einer "gigantischen Aufrüstungsverschuldung". BSW-Chefin Sahra Wagenknecht brandmarkte die Finanzpläne als "Kriegskredite mit Klimasiegel" - und spielte darauf an, dass über das Sondervermögen auch Klimaneutralität bis 2045 in die Verfassung geschrieben wird.

AFP