Koalition bei freiwilligem Wehrdienst einig - Pflicht-Musterung für junge Männer

Rekruten bei Schießübung
Rekruten bei Schießübung
© AFP
Pflicht-Musterung für alle jungen Männer ab Jahrgang 2008 und klare Aufwuchsziele für die nächsten Jahre: Die schwarz-rote Koalition will mit dem neuen Wehrdienst genug Rekruten für die Bundeswehr gewinnen - allerdings zunächst auf rein freiwilliger Basis. Dies gaben die Spitzen der Koalitionsfraktionen am Donnerstag bekannt. Eine Verpflichtung soll es durch das neue Gesetz nicht geben. Falls die angestrebte Truppenstärke verfehlt wird, soll aber eine "Bedarfswehrpflicht" greifen. Über diese müsste der Bundestag erneut abstimmen.

Knapp 15 Jahre nach Aussetzung der Wehrpflicht soll das nun verabredete Gesetz die Wehrerfassung kompletter Jahrgänge junger Männer wieder einführen. Taugliche Männer - und nach freiwilliger Musterung auch Frauen - sollen dann den Wehrdienst ableisten können, aber nicht müssen. Der Kompromiss soll einen wochenlangen koalitionsinternen Streit beenden.

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sprach im ZDF von einem "stabilen Kompromiss". Innerhalb seiner Bundestagsfraktion habe es "keine einzige kritische Stimme gegeben", sagte Pistorius. "Der Streit von gestern ist morgen vergessen. Wir haben uns zusammengerauft. Es war leichter als am Anfang erwartet."

Die Einigung sieht vor, dass bereits im kommenden Jahr beginnend mit dem Jahrgang 2008 alle volljährig gewordenen jungen Männer zu einer verpflichtenden Musterung geladen werden. In den Folgejahren sind dann die weiteren Jahrgänge dran. Ziel sei, "dass alle gemustert und alle erfasst werden", sagte Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU). 700.000 Männer und Frauen pro Jahrgang sollen mit einem Fragebogen angeschrieben werden; für Frauen ist die Beantwortung freiwillig.

Spahn betonte, es könne künftig auch eine Verpflichtung zum Dienst geben - dazu wäre aber ein neues Gesetzgebungsverfahren nötig. "Wir werden mehr Verbindlichkeit haben in der Freiwilligkeit", sagte Spahn. Ziel sei eine "Bedarfswehrpflicht".

SPD-Fraktionschef Matthias Miersch sagte, er sei sich "sicher, dass wir das schaffen werden auch im Rahmen der Freiwilligkeit". Auch Pistorius betonte, dass ein verpflichtender Dienst die "Ultima Ratio" sei. Er sei zuversichtlich, dass diese nicht nötig sei.

Das zuletzt diskutierte und vor allem von der Union favorisierte Losverfahren ist zunächst nicht vorgesehen. Pistorius sagte, ein Losverfahren sei "vielleicht (...) das mildeste Mittel", wenn nicht genug Freiwillige gefunden würden. Statt auf Pflicht will Pistorius auf Attraktivität setzen. "Wir gestalten einen attraktiven Dienst", sagte er mit Blick auf das Gehalt von rund 2600 Euro Brutto für Wehrdienstleistende und Zuschüssen etwa zum Führerschein. 

Damit soll das Ziel von 260.000 aktiven Soldatinnen und Soldaten bei der Bundeswehr bis 2035 erreicht werden. Derzeit sind des nur gut 182.000.

Pistorius mahnte angesichts der sicherheitspolitischen Weltlage zur Eile. Ziel sei es, "dass wir die Beratungen in den nächsten Wochen schnell zu einem Ende bringen" und das Gesetz zum Jahreswechsel in Kraft treten könne. Bei den Zahlen für den personellen Aufwuchs der aktiven Truppe würden "Zielkorridore" im Gesetz verankert, sagte Pistorius. Dies seien "feste Zahlen, die wir erreichen wollen". Spahn zufolge soll der Bundestag künftig halbjährig über die Aufwuchszahlen informiert werden. 

Die Grünen äußerten Zweifel an dem Kompromiss. Dieser sei ein "klarer Punktsieg für die SPD", sagte die Verteidigungsexpertin Sara Nanni der "Rheinischen Post". Eine umfassende Musterung halte sie für "kaum machbar". 

Linken-Chef Jan van Aken lehnte die Pläne grundsätzlich ab. "Mit der von der Regierung geplanten allgemeinen Musterung wird eine Wehrpflicht als Zwangsdienst vorbereitet", sagte er der "Rheinischen Post". "Wir sind grundsätzlich gegen jede Form von Zwangsdienst."

FDP-Chef Christian Dürr forderte eine Grundgesetzänderung, um auch Frauen zum Wehrdienst verpflichten zu können. "Bei der Verteidigung unseres Landes können wir es uns nicht leisten, auf die Hälfte der Bevölkerung zu verzichten", sagte Dürr der Nachrichtenagentur AFP. "Dass Union und SPD Frauen ausschließen, ist völlig aus der Zeit gefallen."

AFP

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