Merkels Memoiren: Ex-Kanzlerin rechtfertigt Russland-Politik

Merkel und Putin im August 2021
Merkel und Putin im August 2021
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Angela Merkel blickt zurück auf ihr Leben. In ihren Memoiren, die kommende Woche auf den Markt kommen, berichtet die frühere CDU-Bundeskanzlerin von ihrer Jugend in der DDR, ihrem politischen Aufstieg in der Bundesrepublik, ihren Begegnungen mit den Staatsmännern der Zeit - und sie verteidigt ihre Russland-Politik, die inzwischen auch in ihrer eigenen Partei kritisiert wird. Die "Zeit" veröffentlichte am Donnerstag entsprechende Auszüge aus dem Buch, das den Titel "Freiheit" trägt. 

Merkel rechtfertigt darin insbesondere ihre Weigerung, der Ukraine und Georgien im Jahr 2008 den Status eines Nato-Beitrittskandidaten einzuräumen - und damit ein Stück weit auf Bedenken Russlands eingegangen zu sein: "Die Aufnahme eines neuen Mitglieds sollte nicht nur ihm ein Mehr an Sicherheit bringen, sondern auch der Nato", schreibt Merkel in ihren Erinnerungen. 

An Merkels Russland-Politik gibt es inzwischen viel Kritik. Der früheren Kanzlerin wird vorgeworfen, zu beschwichtigend gegenüber Russland aufgetreten zu sein. Kritiker argumentieren, die Ukraine wäre von späteren russischen Aggressionen verschont geblieben, wenn die Nato sie 2008 - wie von der damaligen ukrainischen Regierung gewünscht - offiziell als Beitrittskandidat anerkannt hätte. 

Merkel begründet ihre Haltung von damals mit Sicherheitsbedenken. "Ich verstand den Wunsch der mittel- und osteuropäischen Länder, so schnell wie möglich Mitglied der Nato zu werden, denn sie wollten nach dem Ende des Kalten Kriegs zur westlichen Gemeinschaft gehören", schreibt sie in ihren Erinnerungen. 

Doch zugleich hätten die Nato und ihre Mitgliedstaaten bei jedem Erweiterungsschritt die möglichen Auswirkungen auf das Bündnis prüfen müssen - "auf seine Sicherheit, Stabilität und Funktionsfähigkeit". 

Im Fall der Ukraine habe es damals die Besonderheit gegeben, dass die Schwarzmeerflotte der russischen Marine auf der ukrainischen Halbinsel Krim stationiert gewesen sei. "Außerdem unterstützte damals nur eine Minderheit der ukrainischen Bevölkerung eine Mitgliedschaft des Landes in der Nato."

Sie habe es für eine "Illusion" gehalten, dass der Nato-Beitrittsstatus "der Ukraine und Georgien Schutz vor Putins Aggression gegeben hätte, dass also dieser Status so abschreckend gewirkt hätte, dass Putin die Entwicklungen tatenlos hingenommen hätte", schreibt Merkel. 

Am Ende habe sie dann beim Nato-Gipfel 2008 in Bukarest auf einen Kompromiss hingewirkt, schreibt Merkel. Dass Georgien und die Ukraine damals keine Zusage für einen Beitrittsstatus bekamen, "war für sie ein Nein zu ihren Hoffnungen", räumt Merkel ein. 

"Dass die Nato ihnen zugleich eine generelle Zusage für ihre Mitgliedschaft in Aussicht stellte, war für Putin ein Ja zur Nato-Mitgliedschaft beider Länder, eine Kampfansage", fährt sie fort. Deswegen seien ihre "Sorgen über zukünftige Spannungen mit Russland in Bukarest nicht geringer geworden". 

Kritisch äußert sich Merkel in ihren Memoiren über den russischen Präsidenten Wladimir Putin, dem sie in ihrer 16-jährigen Regierungszeit häufig begegnete. Sie habe Putin erlebt als jemanden, "der immer auf der Hut war, bloß nicht schlecht behandelt zu werden, und jederzeit bereit, auszuteilen, Machtspiele mit Hund und Andere-auf-sich-warten-Lassen inklusive", schreibt die Altkanzlerin. "Das alles konnte man kindisch, verwerflich finden, man konnte den Kopf darüber schütteln. Aber damit verschwand Russland nicht von der Landkarte."

Kritische Worte findet Merkel auch über den damaligen US-Präsidenten Donald Trump, der im Januar 2025 ins Amt zurückkehren wird. "Wir redeten auf zwei unterschiedlichen Ebenen - Trump auf der emotionalen, ich auf der sachlichen", berichtet Merkel über ihr erstes Treffen mit Trump 2017 im Weißen Haus. "Wenn er meinen Argumenten doch einmal Aufmerksamkeit schenkte, dann zumeist nur, um daraus neue Vorhaltungen zu konstruieren."  

Merkels Erinnerungsbuch erscheint kommenden Dienstag weltweit in rund 30 Ländern. Verfasst hat sie es mit ihrer langjährigen Büroleiterin Beate Baumann. Am Dienstagabend will Merkel ihre Memoiren bei einer Veranstaltung im Deutschen Theater in Berlin persönlich vorstellen.

AFP