Eigentlich war Bobby Bostic aus St. Louis, Missouri, als 16-Jähriger zu 241 Jahren Haft verurteilt worden. Doch seine Haftzeit wurde verkürzt. Seit November ist er wieder ein freier Mann. In einem Interview erklärte er nun, wie es ist, in Freiheit zu leben und welche Dinge ihn am meisten erstaunt haben.
Verurteilt als 16-Jähriger – zu 241 Jahren Haft
Fast 10.000 Tage saß Bostic im Hochsicherheitsgefängnis Jefferson City Correctional Center in Missouri. Und eigentlich sollte er es nie wieder verlassen. Mitte der 1990er Jahre war Bostic an einer Reihe von Raubüberfällen beteiligt, bei denen unter anderem ein Mann von einem Projektil einer Handfeuerwaffe gestreift wurde. 1995 wurde dem damals 16-Jährigen der Prozess gemacht. Und seine Richterin Evelyn Baker kannte damals keine Gnade. Das Urteil: schuldig in 17 Anklagepunkten. Die Strafe: 241 Jahre Haft in Jefferson City. Frühester Antrag auf Bewährung: 2091 – Bostic wäre zu diesem Zeitpunkt 112 Jahre alt. Heute aber ist Bostic ein freier Mann und maßgeblich dafür verantwortlich ist ausgerechnet die Frau, die ihn einst hinter Gitter gebracht hatte.
Bostic änderte sich im Gefängnis. Er begann Bücher zu schreiben: Prosa, Kurzgeschichten, sogar die Biografie seiner Mutter. Er machte einen Bachelor-Abschluss in Wirtschaft. Und seine positive Entwicklung beeindruckte viele Menschen in den USA – auch Baker, die ihn einst lebenslänglich in Gefängnis geschickt hatte. Sie gründete mit anderen Mitstreitern eine Initiative, um Bostic Haftzeit prüfen zu lassen. "241 Jahre sind Wahnsinn, wenn ich daran zurückdenke", sagte sie in einem Interview mit dem Reporter Erin Moriarty im Jahr 2021.
Hier können Sie die ganze Geschichte über Bobby Bostic lesen:
Über Jahre engagierten sich die Aktivisten, um Bostic aus dem Gefängnis zu holen. Und sie waren erfolgreich. 2021 setzte der republikanische Abgeordnete Nick Schroer aus O'Fallon erfolgreich ein Gesetz durch, das es Jugendlichen, die zu 15 Jahren oder mehr verurteilt wurden, ermöglicht, nach Verbüßung von 15 Jahren Haft auf Bewährung entlassen zu werden. Die Medien nannten es das "Bobby Bostic-Gesetz".
Bostic wurde im November vergangenen Jahres tatsächlich entlassen – nach knapp 27 Jahren. Und die erste Frau, die er in Freiheit umarmte, war Evelyn Baker. An seinem ersten Tag in Freiheit sagte er, er wolle nach St. Louis zurückkehren – die Stadt, die er zuletzt als freier Mann betreten hatte.
Das ist nun fast ein halbes Jahr her und um Bostic war es ruhig geworden. Zusammen mit seiner Schwester leitet er ehrenamtlich die Wohltätigkeitsorganisation" Dear Mama", benannt nach seiner verstorbenen Mutter Diane, die wie Bostic sagte "vielen Leuten etwas gab, obwohl wir selber nie viel hatten." So versorgt er Bedürftige in St. Louis mit dem Nötigsten: Essen, Kleidung, Spielzeug für Kinder. Leben könne er davon kaum, gibt er zu. Sein Einkommen beschränkt sich auf den Verkauf seiner Bücher, die er in Haft geschrieben hatte.
Bobby Bostic: Diese Dinge erstaunen ihn nach 27 Jahren Haft am meisten
Der britischen "BBC" erklärte er in einem Interview nun, was ihn an seinem Leben in Freiheit am meisten erstaunt. Noch immer müsse er sich an gewisse Dinge gewöhnen, so Bostic. Zum Beispiel daran, dass viele Menschen mit ihren Bluetooth-Kopfhörern telefonieren: "Warum reden die Leute alle mit sich selbst?"
Allgemein seien technische Neuerfindungen, die in seiner Zeit im Gefängnis entstanden sind, sehr befremdlich. Zum Beispiel Sprachassistenten wie Amazons Alexa, zu der Bostic nur scherzend fragte: "Was ist Alexis?" Und auch digitale Automaten, wie Getränkespender erstaunten den 44-Jährigen: "Man bewegt einfach nur die Hand und da kommt Wasser raus?" Die Welt habe sich wirklich verändert, seitdem er 1995 in Haft musste.
Die größte Änderung seien für ihn aber die Menschen, so Bostic: "Wie freundlich die Menschen sind... Wenn man in ein Geschäft geht, heißt es nur 'Wie kann ich Ihnen helfen, Sir?'. In Haft gibt es nichts als böse Gesichter und Schikanen." Er habe sich daran gewöhnen müssen, "Hey, wie geht's?" zu hören und nicht "Komm mir nicht zu nahe!"
"Hier draußen ist alles schön. Menschen, die lächeln. Kleine Kinder, die dir zuwinken. So ist es einfach, es ist normal. Und so sollte es sein." Die Freundlichkeit sei befremdlich für ihn, der 27 Jahre lang im Gefängnis war, aber es sei einfach, sich daran zu gewöhnen, weil er genau das eigentlich immer wollte, erklärte Bostic: "Tief im Inneren wollte man immer diese Menschlichkeit. Man wollte diese menschliche Verbindung... das ist das Leben. Das ist Schönheit. Das ist die Freude, ein Mensch zu sein."
Quelle: BBC