Mein geschätzter Kollege Christian Hensen teilte am Neujahrstag mächtig gegen das Böllern aus ("Die Silvesternacht hat bewiesen: Ein Böllerverbot muss dringend her"), im Prinzip und im Speziellen. Das Prinzipielle ist das Altbekannte. Das ganze Böllern sei teuer, unnütz, umweltbelastend und so weiter. So wie fast alle Vergnügungen möchte ich ergänzen. Dazu sei die Knallerei auch gefährlich und mache eine Menge Dreck. Dem kann man nicht widersprechen. Dann kommt das Spezielle: Ihn stören die Böller beim Arbeiten am nächsten Tage und sie belasten den Hund.
Hunde leiden
Das wäre wohl der Pudels Kern, um mit Goethe zu sprechen: Christians Dackel mag das Böllern nicht. Und damit steht der Dackelfreund nicht allein, vor und nach der Böller-Nacht barmen sich Tierfreunde um das Wohl ihrer Liebsten. Den wenigsten ist klar, auf welch dünnem Eis sie sich bewegen, wenn sie sich für ihre Vierbeiner und gegen das Knallen einsetzen. Denn alles Böse, was man über Bienenkorb, Kanonenschlag und China-Kracher sagen kann, trifft auch auf Dackel, Cocker und Rottweiler zu. Allerdings nicht nur auf etwa 24 Stunden im Jahr begrenzt, Hunde treiben ihr Unwesen 365 Tage im Jahr.
Wenn man wie beim Böllern Spaß, Vergnügen und Gemeinsamkeit nicht als "Nutzen" anerkennt, wird die Luft auch für die Vierbeiner dünn. Denn wer besitzt schon noch einen echten Arbeitshund? Die Lawinenrettung und die Security-Branche, den ganzen Rest dient der Hund als Emotional-Kompagnon – ohne besonderen Nutzen. Und dafür geht ein Hund ganz schön ins Geld – rechnet man Steuern, Versicherungen, Futter, Tierarzt und Zubehör wie Körbchen zusammen, übersteigen die Kosten eines Hundes, die der Böllerei bei Weitem.
Böllerverbot? Der Hund ist eine Umweltsau
Und beim Thema "Umwelt" sieht der Hund erst recht keinen Stich. Das Problem des Tieres: Es frisst, und die Nahrungsproduktion bringt einen gewaltigen ökologischen Fußabdruck mit sich. Ein großer Hund belastet die Umwelt im selben Maße wie ein großer SUV. Gut, bei einem Dackel reicht es nicht für einen gewaltigen Toyota Land Cruiser, sondern nur für einen Opel Mokka – aber immerhin. Schaut man auf die Kritik, die den Autofahrern entgegenschlägt, sind die Haustierfreunde bislang ungeschoren davongekommen.
Nun zum Thema Gefahr: Es gab zwei Tote, die in einen Zusammenhang mit der Böllerei gesetzt werden. Der eine hat offenbar eine Art von Rohrbombe gezündet, also alles andere als einen handelsüblichen Böller. Der andere wurde von einem total betrunkenen Autofahrer überrollt – wo dann die Ursache wohl eher bei den 1,8 Promille zu suchen ist und nicht beim Feuerwerk. Dazu gab es zahllose kleinere Verletzungen. Die beiden Toten, die wenig mit "Feuerwerk" zu tun haben, zeigen aber doch, wie überzogen die Gefahrendiskussion ist. Jeden Tag sterben weit mehr Menschen im Verkehr und vermutlich auch bei Unfällen im Haushalt, etwa weil sie unglücklich von der Leiter fallen.
Zurück zu Hund und Dackel: Gemessen an den einem Rohrbomben-Böller-Toten sind Hunde mit immerhin 3,3 tödlichen Angriffen deutlich gefährlicher als die Böllerei. Die Assekuranz geht von 30.000 bis 50.000 Bissattacken durch Haustiere aus, die sie regulieren muss. Größtenteils sind Hunde die Schuldigen. Bei Bissen trifft es fast immer Dritte, die das Unglück hatten, dem Hund zur Unzeit über den Weg zu laufen. Böllerverletzungen sind dagegen häufig Eigenleistungen.
Erst das Böllern - dann die Haustiere
Das Ende der langen Rede: Es mag viele Gruppen geben, die mit Fug und Recht gegen die Böllerei zu Felde ziehen, aber Hundebesitzer ganz sicher nicht. Dafür fehlt ihnen jede Berechtigung. Schlau ist es übrigens nicht. Sollte die Knallerei tatsächlich verboten werden, wird ein neues Objekt des Unmuts auf die Liste der kommenden Verbote gesetzt. Hunde wären dafür prädestiniert.
PS: Der Autor besitzt selbst einen Hund mit einem gewaltigen Appetit.