Tierschutz Influencer will Böllern verbieten: "Tiere leiden unter Todesangst!"

Für ein Böllerverbot: Malte Zierden
Für ein Böllerverbot: Der Tierschützer und Influencer Malte Zierden
© Flemming-Ole Fries
Auch zwei Wochen nach Silvester wird über ein Böllerverbot gestritten. Der Influencer Malte Zierden will nicht nur die menschlichen Opfer betrachten, sondern auch die Tiere. 

Malte Zierden, 34, ist Tierschützer und Influencer. Er sammelt Spenden und reist mit dem Verein "Notpfote" in Krisengebiete wie die Ukraine, um in Not geratenen Tieren zu helfen. Auf Tiktok folgen ihm 1,3 Millionen Menschen, per Instagram 975.000. Zuletzt unterstützte Zierden eine Petition der Gewerkschaft der Polizei (GdP) und der Deutschen Umwelthilfe für ein Böllerverbot. Auch wegen seines Engagements hat die Initiative inzwischen mehr als zwei Millionen Unterstützer gefunden.

Herr Zierden, mal ehrlich: Sie haben doch auch schon zu Silvester geböllert?
Na klar, zusammen mit meinen Brüdern. Und auch nicht besonders vorsichtig. Aber das ist lange her. Ich war damals noch ein Teenager, der sich nicht viele Gedanken über das große Ganze und seine Umwelt gemacht hat. In meinem sozialen Umfeld war es völlig normal, dass in den Tagen rund um Neujahr ständig herumgeböllert wurde. Heute sehe ich das aus einer ganz anderen Perspektive.

Warum?
Ich setze mich für Tiere ein und schütze sie, so gut es nur geht. Außerdem haben meine Freundin und ich eine Hündin adoptiert, die aus dem ukrainischen Kriegsgebiet gerettet wurde, aus Charkiw. Sie heißt Ma, ist ungefähr drei Jahre alt und schwer durch den Krieg traumatisiert. Sie leidet sehr unter dem Lärm der Böller.

Aber für viele Leute gehört das Feuerwerk nun mal einfach zum Jahreswechsel dazu. Haben Sie dafür kein Verständnis?
Null. Natürlich verstehe ich die Tradition und die damit verbundenen Gefühle. Ich bin ja, wie gesagt, selbst so aufgewachsen. Aber nur weil ich etwas verstehe, muss ich kein Verständnis dafür haben. Am Ende ist es doch schrecklich, dass man dabei sich und andere gefährdet, die Umwelt verschmutzt und massenhaft Tiere quält. Und selbst wenn einem die Tiere egal sind: Es sind fünf Menschen gestorben und Hunderte verletzt worden!

Wo waren Sie denn zu Silvester?
Wir sind quasi geflohen. Ich lebe in Hamburg. Silvester war dort im vergangenen Jahr die Hölle, einfach katastrophal. Und ich spreche nicht nur von der Nacht. Das Böllern beginnt ja schon spätestens ab dem Moment, an dem die Raketen und Knaller verkauft werden – und endet noch lange nicht an Neujahr. Also sind wir über Neujahr verreist, zusammen mit Freundinnen und Freunden, die auch Angsttiere haben, in ein Ferienhaus nach Dänemark. Aber der Schutz war dort auch nur relativ. Und als wir zurückkamen, wurde in Hamburg immer noch wild geböllert.

Was illegal ist.
Ja, aber das interessiert kaum jemanden. Es wird geduldet, von einem großen Teil der Bevölkerung, aber auch von der Polizei, die kaum einschreitet. Ich empfinde das als gesellschaftlichen Egoismus.

Aber die Berliner Gewerkschaft der Polizei hat eine Petition für ein Böllerverbot gestartet… 
…das ich auf meinen sozialen Kanälen unterstützt habe, vor allem auf Instagram. Es gibt auch in den Reihen der Polizei immer mehr Kritik am Böllern, weil es ihre Einsätze in der Silvesternacht noch gefährlicher macht. Es wurden ja auch viele Leute von Polizei und Feuerwehr verletzt. 

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Millionen Menschen folgen Ihnen in den sozialen Medien: Wie waren die Reaktionen auf Ihr Engagement?
Überwiegend positiv. Es gibt sehr viele, die sich ein Silvester ohne Böller wünschen. Und ich habe sehr viele Videos zugeschickt bekommen, die zeigen, wie stark ihre Hunde, Katzen oder Pferde leiden. Aber auch die sogenannten Nutztiere können das Feuerwerk nicht einordnen und leiden unter Todesangst!

Ebenso wie die Wildtiere.
Genau. An die denken viele ja gar nicht, vor allem nicht an die Vögel, die während des Feuerwerks hin und her fliegen und irgendeinen Ort der Ruhe suchen, den sie aber de facto in dieser Nacht nicht finden können. Sie sind dann auf der Flucht. Sie fliegen deshalb so lange und so hoch, dass sie vor Erschöpfung sterben. Das wird gerne vergessen, wir sehen es halt nicht.

Werden Sie für Ihre Haltung im Netz auch angefeindet?
Natürlich! Wenn man mich nicht einfach nur beschimpft, werden vor allem zwei Argumente vorgebracht. Die einen sagen: "Das ist Tradition, das haben wir schon immer so gemacht." Und die anderen, dass es eine Art Grundrecht sei, wenigstens einmal im Jahr ihr Hobby ausleben zu können. Und dann gibt es noch diejenigen, die sagen, dass es ja nicht sein kann, dass die Mehrheit wegen ein paar ausartenden Idioten auf eine schöne Tradition verzichten soll. Da müsse der Staat halt einfach konsequenter die bestehenden Regeln kontrollieren.

Wäre das nicht ein Anfang?
Ja, aber nur dann, wenn die Kontrolle funktionieren würde. Die Realität sehen wir doch jedes Jahr aufs Neue. Es ist doch selbsterklärend, was passiert, wenn man einer unüberschaubaren Masse an betrunkenen Menschen Sprengstoff in die Hand drückt. Es wird den Menschen auch nicht schwer gemacht, sich illegale Knallkörper zu besorgen oder gar Rohrbomben zu bauen. Diese fünf Toten und unfassbar vielen Verletzten hätte es nicht geben müssen. Darüber hinaus gibt es mehr als 400 Hunde, die laut der Tierschutzorganisation Tasso abgehauen sind, und teilweise immer noch vermisst werden. Und das ist nur ein kleiner Ausschnitt des Leidens. 

Also ein Verbot. Aber ließe sich das überhaupt durchsetzen?
Das wird sehr schwierig, ich bin nicht naiv. Aber erstmal sollte die Politik auf die Mehrheit hören, die laut Umfragen zumindest eine Verschärfung möchte. Und dann kann es ja Kompromisslösungen geben, also städtisch organisierte Feuerwerke, die nur eine halbe Stunde dauern und von Profis durchgeführt werden. Damit gibt es ja in anderen Ländern positive Erfahrungen. So wird die Tradition erhalten und zeitgleich werden weniger Menschen und Tiere einer Gefahr ausgesetzt. Klingt doch schön, wenn man mich fragt.

Können Sie sich wirklich vorstellen, dass dies in der derzeitigen Stimmungslage durchsetzen lässt?
Warum nicht? Es kann ja Schritt für Schritt gehen. Als das Rauchverbot erst in Flugzeugen, dann in öffentlichen Räumen und den meisten Kneipen durchgesetzt wurde, war der Aufschrei auch groß. Aber mit den Jahren haben sich die Menschen daran gewöhnt. Besser noch, heute wäre es ein Unding, wenn sich jemand in einem Restaurant eine Zigarette anmacht. Und wer weiß, in fünf oder zehn Jahren, könnte es bei der Böllerei ähnlich aussehen. Es wird Zeit, dass wir diese Tradition endlich in die Gegenwart holen.