BVG-Urteil Kopftuchtragen kann erlaubt, aber auch verboten werden

Moslemischen Lehrerinnen kann nach einem Urteil des Verfassungsgerichts nicht ohne ein entsprechendes Gesetz verboten werden, im Unterricht an öffentlichen Schulen ein Kopftuch zu tragen. Über eine solche Frage müsse der Gesetzgeber entscheiden.

Baden-Württemberg kann einer muslimischen Lehrerin das Tragen eines Kopftuchs nur verbieten, wenn es dafür ein neues Gesetz verabschiedet. Nach dem am Mittwoch verkündeten Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist die gegenwärtige Gesetzeslage nicht hinreichend bestimmt, um einer Muslimin das Tragen des Kopftuchs im Unterricht zu verbieten. Das Urteil erging mit fünf zu drei Stimmen. Drei Richter gaben ein Sondervotum ab.

Die Lehrerin Fereshta Ludin war bisher in allen Instanzen der Verwaltungsgerichte mit ihrer Klage gescheitert. Nun erzielte sie einen Teilerfolg, weil das Verfassungsgericht das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aufhob und den Fall dorthin zurückverwies.

Entscheidung beim Gesetzgeber

Zugleich gaben die Karlsruher Richter aber die Entscheidung über den Kopftuch-Streit auch an den Gesetzgeber zurück. Nach ihrem Urteil ist es dem Landesgesetzgeber gestattet, angesichts der Zunahme verschiedener Religionsrichtungen in Deutschland das Ausmaß religiöser Bezüge in der Schule neu zu bestimmen.

Er kann religiöse Kleidung für Lehrer untersagen, muss es aber wohl nicht. Aus der gegenwärtigen Gesetzeslage lasse sich ein Verbot des Kopftuchs und die Einschränkung der Religionsfreiheit jedenfalls nicht begründen, so die Richtermehrheit.

Baden-Württemberg hatte es 1998 abgelehnt, die aus Afghanistan stammenden Lehrerin Ludin einzustellen, die seit Jahrzehnten in Deutschland lebt und inzwischen die deutsche Staatbürgerschaft besitzt. Die Muslimin besteht auf dem Tragen des Kopftuchs auch im Unterricht. Baden-Württemberg sah darin eine Verletzung der staatlichen Neutralitätspflicht in weltanschaulichen Dingen. Die Klage Ludins blieb vor allen Verwaltungsgerichten erfolglos. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte die Entscheidung des Landes Baden-Württemberg.

Lehrerin verzeichnet Teilerfolg

Die Lehrerin legte Verfassungsbeschwerde ein und hatte jetzt zumindest einen Teilerfolg. Allerdings kann ihr Baden-Württemberg die Einstellung weiterhin versagen. Dazu muss das Bundesland allerdings zuvor ein entsprechendes Gesetz verabschieden. Das müsste wohl allgemeine Regeln über religiöse Symbole und Kleidung von Lehrern innerhalb der Schule enthalten.

Ball liegt bei Kultusministerkonferenz

Nach dem Kopftuchurteil des Bundesverfassungsgerichts hat sich Schleswig-Holsteins Schulministerin Ute Erdsiek-Rave (SPD) für eine gemeinsame Linie der Länder ausgesprochen. "Ich gehe davon aus, dass die Kultusministerkonferenz sich im Oktober mit dem Problem befasst", sagte die Ministerin dem «Hamburger Abendblatt» (Donnerstagausgabe). "Es kann nicht sein, dass jedes Land jetzt etwas anderes beschließt", ergänzte die Ministerin. "Das wäre Kleinstaaterei". Andere Vertreter von Regierungskoalition und Opposition in Schleswig-Holstein begrüßten es am Mittwoch, dass die Entscheidung über ein Kopftuchverbot für muslimische Lehrerinnen den Landesparlamenten überlassen bleibe.

(Aktenzeichen: Bundesverfassungsgericht 2 BvR 1436/02)

PRODUKTE & TIPPS

Kaufkosmos

Mehr zum Thema