Dieser Beitrag erschien zuerst bei RTL.de.
Sie sind vom Aussterben bedroht oder gezüchtet, um erschossen zu werden: Auf der "Jagd & Hund"-Messe in Dortmund laden Aussteller derzeit zu Safaris der Extraklasse ein. Sie bieten Pauschalreisen an, bei denen man bedrohte Tierarten wie Eisbären oder Geparden erschießen kann. Flug, Hotel, Knarre, Schuss – alles inklusive. Jetzt laufen Tierschützer Sturm. RTL hat mit "Pro Wildlife", der Stadt Dortmund, den Betreibern der Messe und einem Safari-Anbieter gesprochen.
Tierschützer erheben Vorwürfe gegen "Jagd und Hund"-Messe in Dortmund
Waldelefanten, Giraffen, Nashörner, Geparden: Auf der "Hund und Jagd"-Messe gibt es kaum ein Tier, das vor der Flinte der Interessenten sicher ist. Laut "Pro Wildlife" sollen dort ganze 82 Aussteller Trophäenjagdreisen anbieten. "Sogar besonders tierschutzwidrige Jagden, zum Beispiel auf in Jagdfarmen gezüchtete Löwen, werden angeboten. Obwohl solche Angebote laut Messeregeln untersagt sind, geht die Messeleitung nicht dagegen vor", kritisiert Dr. Mona Schweizer von Pro Wildlife.
Aus Flyern und Plakaten geht hervor, dass die Tiere tatsächlich zu Schnäppchenpreisen verscherbelt werden. Will man eine Löwin – oder einen seltenen weißen Löwen – töten, ist man mit 4.000 Euro dabei. Das Leben eines Waldelefanten ist 5.000 Euro wert. Einen Geparden, frei zum Abschuss, bekommt man ebenfalls für 4.000 Euro. Von den Tieren gibt es weltweit nur noch 6.600. Auch der Waldelefant steht auf der Liste bedrohter Tierarten. Medienberichten zufolge soll die Population im Minkébé-Nationalpark in Gabun in nur zehn Jahren von 36.000 auf 7.000 Tiere gesunken sein. Erschreckend: Der Organisation zufolge soll das Töten von Pavianen und Schakalen sogar kostenlos sein.

Sogar unter Jägern geächtet: Das so genannte "Canned Hunting". Dabei geht es um die Jagd von Tieren, die in Gefangenschaft großgezogen wurden. Sie werden quasi geboren, um als Trophäe an einer Wand zu enden. In einem Statement aus dem Jahr 2015 positionierte sich der Landesjägerverband NRW klar gegen diese Form der Jagd – die Messe Dortmund soll dem zugestimmt haben. Konkret heißt es: "Der Landesjagdverband NRW und die Messeleitung Dortmund haben sich gegen das so genannte ‘Canned hunting’, die Jagd auf in Gefangenschaft groß gezogene Tiere, positioniert. Im Vorfeld der Messe ‘Jagd & Hund’ fordern beide Einrichtungen die Aussteller auf, die Jagdmethode nicht anzubieten."
Jagdreisen-Veranstalter: Geld aus Jagd wird in den Naturschutz investiert
Doch die Realität sieht anders aus. Aussteller wie Carlo Engelbrecht bieten immer noch Reisen an, auf denen man eben diese in Gefangenschaft gezüchteten Tiere töten kann – und das kommuniziert er ganz offen. Auf einem Angebots-Flyer ist zu lesen "Captive-Bred Lions" – zu Deutsch: in Gefangenschaft gezüchtete Löwen.

RTL erreichte Engelbrecht telefonisch auf der Messe. "Was ich auf der Messe verkaufe, ist nicht verboten in Südafrika", erklärt er. Er habe eine Farm von seinem Vater geerbt, das Land wieder in ein natürliches Habitat umgewandelt. Dort würden mehrere Generationen von Nashörnern leben. Doch, wenn Tiere zu alt würden, um sich fortzupflanzen, wäre es besser, sie zu Geld zu machen. "Das Einkommen stecken wir dann wieder in den Naturschutz", so Carlo Engelbrecht. Man dürfe auf einem bestimmten Stück Land auch nur eine bestimmte Anzahl an Tieren halten. Was also tun, wenn es zu viele werden? "Wir müssen den Bestand regulieren", sagt er. Und das Halten und Schützen der Tiere koste nun mal Geld. Das beziehe er aus der Jagd. Und die Sache mit den Löwen? Er selbst züchte die Tiere nicht, sagt er. Er arbeite aber mit Leuten zusammen. "Ich selbst bejage Löwen aus der Zucht."
Doch er sei auch gesprächsbereit: "Ich lade alle Kritiker zu mir auf die Farm ein, kostenlos. Und wenn es nach einer Woche ernsthaft etwas zu kritisieren gibt, dann bin ich bereit, Dinge zu ändern." Mit Menschen, die auf ihn schimpften, aber noch nie selbst in Afrika gewesen seien, könne er aber wenig anfangen. Abschließend stellt er fest: "Die Tiere bei mir schnackseln, und das tun sie nur, wenn sie happy sind!"
Messe Dortmund: Tolerieren keinen Verstoß gegen Tier- und Artenschutz
Und die Dortmunder Messe? Auf RTL-Anfrage erklärte Robin Uhlenbruch, Unternehmenssprecher der Westfalenhallen Gruppe: "Die Messe Dortmund führt mit Experten kontinuierliche Prüfungen über den gesamten Messezeitraum durch. Trotz der genannten Selbstverpflichtung wurden bei diesen Kontrollen einzelne Verstöße festgestellt. Die Aussteller wurden unmittelbar aufgefordert, illegale Angebote zu entfernen."
Die Eisbärenjagd sei beispielsweise "ein völkerrechtlich verbrieftes Recht der Inuit, die diese Rechte auch an Dritte weitergeben dürfen". Nachhaltig regulierte Jagd würde das Einkommen der Lokalbevölkerung, Lebensräume und den Schutz von Wildtieren sichern. Wissenschaftlich nachgewiesene Beispiele gebe es hierfür in Afrika, Asien, Nord und Südamerika.
Auf Safari: Wo Sie Afrikas Wildtiere ganz nah erleben können

Sobald man den Automotor abstellt, kann man die wenige Meter entfernte Breitmaulnashörner beim Fressen hören. In der Ferne trotten Elefantenherden vorbei und im Gestrüpp lauern Löwen.
Infos: pilanesbergnationalpark.org; März–Okt. 6–18, Nov.–Feb. 5.30–19 Uhr; Erw./Ki. 110/30 R; 3 Std. 20 Min. von Johannesburg.
Die Messe Dortmund widerspreche auch dem Vorwurf, dass Verstöße gegen den Tier- und Artenschutz toleriert würden. "Wir sind bereits mit Pro Wildlife in Kontakt und haben diese gebeten, uns konkrete Hinweise zu möglichen Verstößen zu übersenden", so Uhlenbruch. Entgegen dem von Pro Wildlife erhobenen Vorwurf würde die Messe jeden Hinweis prüfen. "Sollte sich herausstellen, dass tatsächlich ein Verstoß vorliegt, geht die Messe Dortmund umgehend dagegen vor", so der Sprecher. Bisher habe man aber keine konkreten Informationen von "Pro Wildlife" erhalten.
Und tatsächlich: Als wir nach dem Gespräch mit der Messe Dortmund mit Carlo Engelbrecht telefonieren, ist er gerade dabei, die Werbung abzukleben, die "Canned Hunting" und "Captive-Bred Lions" enthält.

"Jagd und Hund": Jagdreisen werden Thema im Ethikrat der Stadt Dortmund
Auf RTL-Anfrage äußert sich auch die Stadt Dortmund. "Wie bereits in der Vergangenheit angekündigt, politisch diskutiert und beschlossen, wird die Stadt Dortmund eine Ethikkommission einrichten", schreibt Sprecher Frank Bußmann. Die Ethikkommission des Oberbürgermeisters werde "ethische Fragen der Stadtgesellschaft diskutieren und so dem Rat der Stadt Dortmund zu unterschiedlichen Themen eine Entscheidungsgrundlage anbieten". Und weiter: "Das jetzt im Rahmen der Messe Jagd und Hund angesprochene Thema der Trophäenreisen wird ein Teil der kommenden Arbeit der Kommission sein." Die Kommission soll ihre Arbeit noch in der ersten Jahreshälfte aufnehmen.