Die Toten von Fischerhude "Helft mir! Drüben wird geschossen": Wie ein idyllischer Ort zum Schauplatz eines Verbrechens wurde

Im idyllischen Ort Fischerhude wurden zwei Personen erschossen
Grüne Weihnachtszweige ranken sich um die Haustür des gemütlichen Fachwerkhauses. Nur das gelbe Polizeisiegel verrät, dass hier in Fischerhude ein Gewaltverbrechen stattgefunden hat.
© Julian Stratenschulte / DPA
Fachwerkhäuser, ein plätscherndes Flüsschen, Pferdeweiden: Der niedersächsische Ort Fischerhude ist bekannt für seine Idylle – und seit Dienstag auch für eine Bluttat, die sich niemand erklären kann.

Es war gegen 16.45 Uhr als Sabine Sammann das Telefongespräch mit einer Freundin beenden musste. Es hatte an der Tür geklingelt. Diesen Moment wird die 49-Jährige aus Fischerhude wohl nie vergessen: Vor ihr steht eine schwer verletzte, blutüberströmte Frau. "Helft mir! Drüben wird geschossen", sagt sie. Die Nachbarin lässt sie sofort rein, leistet Erste Hilfe, ihr Mann Joachim alarmiert die Polizei. Die findet nur kurze Zeit später zwei Leichen in einem Fachwerkhaus, das keinen Steinwurf von den Sammanns entfernt liegt.

Die Polizei kam mit einem Großaufgebot in den rund 3000 Einwohner zählenden Ort, der so ruhig und beschaulich an der Wümme rund 30 Kilometer nordöstlich von Bremen liegt. 60 Polizisten nahmen an dem Einsatz am Dienstagabend teil – darunter Spezialkräfte. Rettungswagen und Notärzte waren vor Ort. Blaulicht überall.

Am Anfang war unklar, ob sich der Täter möglicherweise noch in dem 1825 errichteten Fachwerkhaus aufhielt. Dann stürmten die Polizisten das Haus. "Gesichert", hieß es kurz danach am Abend. In dem Haus finden die Beamten die Leichen eines 56-jährigen Mannes und einer 73-jährigen Frau.

Die Ermittler rätseln – am Ende stellt sich der Täter selbst

Die Ermittler mussten sich zunächst fragen, ob vielleicht der tote Mann der Täter sein könnte. Er war es nicht, wie sich später herausstellte. Noch am Abend forcierte die Polizei die Fahndung. Es wurden Spürhunde eingesetzt, eine Drohne suchte aus der Luft nach einem "namentlich bekannten flüchtigen Mann", wie die zuständige Polizei Verden/Osterholz in einer Pressemitteilung informierte. Auch über Twitter hielt die Behörde die Öffentlichkeit auf dem Laufenden. Sie bat darum, den Einsatzbereich und die gesperrte Straße weiträumig zu umfahren.

Schnell richtete die Polizei eine Mordkommission ein, ein Indiz dafür, dass es sich tatsächlich um ein Gewaltverbrechen handelt. Wie die Frau und der Mann ums Leben kamen, dazu schwieg die Polizei noch. Aber die Frau, die sich am Dienstagabend wohl nur mit viel Glück zu den Nachbarn retten konnte, war trotz der schweren Verletzungen noch in der Lage von mehreren Schüssen zu berichten. Die Polizei wird später nur mitteilen, dass wohl eine Schusswaffe zum Einsatz gekommen sein soll.

Keine 24 Stunden nach der Tat stellte sich dann am Mittwochvormittag bei der Polizei ein 64-jähriger Mann. Er ist es, nach dem die Beamten so intensiv fahndeten. Es gab erste Befragungen. Was sie ergaben, ist noch unklar. Der mutmaßliche Täter sollte dem Haftrichter vorgeführt werden. In welcher Verbindung er zu den Opfern stand, müssen die Ermittlungen noch zeigen.

Künstlerort Fischerhude eigentlich beliebtes Ausflugsziel

In Fischerhude reagierte man betroffen und fassungslos auf die Bluttat. "Das so etwas hier passiert, hätte man sich ja nie vorstellen können", sagte ein Nachbar. Die 73-Jährige wohnte nach Aussagen der Nachbarn schon seit Mitte der 1980er Jahre in dem Fachwerkhaus. Ihr Mann war verstorben. Nachbarn beschrieben sie als immer freundlich und hilfsbereit. In Fischerhude kennen sich die meisten.

Der Tatort, ein großes ziegelgedecktes Haus, liegt unweit eines Nebenarms des Wümme-Flusses. Die zweiflüglige Haustür war am Mittwoch mit einem gelben Polizeisiegel verschlossen. Um den Türrahmen rankte sich eine grüne Weihnachtsgirlande.

Nicht nur bei Wanderern und Wochenendausflüglern ist der Ort inmitten der Wümme-Niederung beliebt. Das frühere Bauerndorf hat auch einen Namen als Künstlerkolonie, deren Geschichte Ende des 19. Jahrhunderts begann, als sich der Maler Heinrich Breling mit seiner Familie dort niederließ. An dem Ort wirkten unter anderen Otto Modersohn und Clara Rilke-Westhoff und zahlreiche weitere Maler, Grafiker und Schriftsteller.

DPA
Helmut Reuter & Julian Stratenschulte / cl

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