Fund von Nazi-Raubkunst Reporter entdecken Cornelius Gurlitt in München

Kunsthändlersohn Gurlitt ist nicht mehr verschollen. Per Brief hat er sich selbst zu Wort gemeldet und wurde angeblich von Reportern in München gestellt. Wütend und verängstigt, sei er gewesen.

Erstmals seit Bekanntwerden des Münchner Kunstfunds gibt es gleich mehrere Lebenszeichen des Kunsthändlersohns Cornelius Gurlitt. Während Ermittler seit Längerem keinen Kontakt zu dem Beschuldigten haben, schrieb der 79-Jährige in seiner ersten öffentlichen Reaktion auf den Fall einen Brief an den "Spiegel", wie das Magazin selbst am Sonntag in seiner Onlineausgabe berichtete. Darin bitte er, den Namen Gurlitt "nicht mehr in Ihrem Blatt erscheinen zu lassen". Gurlitt gehe es offenbar darum, dass sein Vater nicht in Zusammenhang mit dem Nazi-Regime gebracht werde.

Gurlitt wohnt womöglich noch in Schwabing

Außerdem soll Gurlitt nun im Münchener Stadtteil Schwabing gesichtet worden sein, nachdem tagelang über seinen Aufenthaltsort gerätselt wurde. Laut Angaben von Reportern der "Paris Match", fingen sie den Kunsthändlersohn in einem Einkaufszentrum ab. Zuvor hätten die Journalisten beobachtet, wie Gurlitt seine Schwabinger Wohnung verließ. Es handele sich um die Wohnung, in der auch die Kunstwerke gefunden wurden.

Auf die Bitte nach einem Interview hätte Cornelius Gurlitt ängstlich und wütend zugleich reagiert, so "Paris Match". "Eine Gutheißung der schlechten Seite ist das Schlimmste, was passieren kann", zitierten ihn die Reporter. Ein begleitendes Foto zeigt einen weißhaarigen Mann, vornehm mit langem Mantel und Schal gekleidet.

Der Fall Gurlitts sorgt seit gut einer Woche für weltweites Aufsehen. Wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung und Unterschlagung läuft bei der Staatsanwaltschaft in Augsburg schon länger ein Verfahren gegen den Sohn des in den 50er-Jahren verstorbenen Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt. Im Zuge dessen wurden im vergangenen Jahr 1406 Bilder aus der Münchner Wohnung von Cornelius Gurlitt beschlagnahmt, wie vergangene Woche bekannt wurde.

Viele Werke gehören rechtmäßig Gurlitt

Der "Focus" zitierte derweil am Wochenende einen Bericht des Zollkriminalamts in Köln, wonach 315 der 1406 gefundenen Bilder im Nationalsozialismus zur sogenannten entarteten Kunst zählten. Diese könnten wohl nicht ihren alten Besitzern zurückgegeben werden. Grund sei, dass die Bilder nicht direkt von ihren ursprünglichen Besitzern an Gurlitt gegangen seien, sondern zwischenzeitlich Museen gehört hätten.

In dem vierseitigen Papier an das Bundesfinanzministerium heiße es, da diese Bilder "ausschließlich aus staatlichen und städtischen Museen bzw. Landesmuseen stammen", seien "Rückgabe/Restitutionsansprüche der ehemaligen Eigentümer nicht durchsetzbar". Der Zoll zweifele darüber hinaus, ob es wegen des gegen Gurlitt erhobenen Hauptvorwurfs der Einfuhrumsatzsteuer überhaupt zu einer Anklage kommen könne.

Jüdische Sammler mit wenig Geld abgespeist

Dem Bericht zufolge fanden die Ermittler bei Gurlitt auch die Geschäftsbücher von Hildebrand Gurlitt. Darin seien auch die Namen der jüdischen Sammler dokumentiert, denen Gurlitt während des Nationalsozialismus meistens für einen Spottpreis die nun gefundenen Bilder abgekauft habe. Die Staatsanwaltschaft habe aber noch zu keinem der Erben Kontakt aufgenommen.

Wie "Bild am Sonntag" berichtete, liegt für 200 der gefundenen Bilder ein Kaufvertrag vor. Hildebrand Gurlitt zahlte demnach auf Grundlage des mit Propagandaminister Joseph Goebbels geschlossenen Vertrags 4000 Schweizer Franken für die Bilder. Laut Bericht nahmen am Samstag Polizisten weitere 22 Bilder in Gewahrsam, die sich beim Schwager Gurlitts in Stuttgart befunden hätten. Dieser habe die Ermittler selbst darum gebeten, die Bilder aus Sicherheitsgründen nach Bekanntwerden des Falls abzuholen.

Die mit der wissenschaftlichen Aufarbeitung des Falls beauftragte Berliner Kunsthistorikerin Meike Hoffmann kritisierte unterdessen im "Focus" das Verhalten der Ermittler nach dem Fund. Viel zu lange sei in diesem "hochkomplexen Fall" geschwiegen worden, sagte Hoffmann. Ihr vorläufiges Gutachten liege der Staatsanwaltschaft vor. Würde nun nicht endlich gehandelt, drohe alles in einem "Desaster" zu enden, zitierte der "Focus" Hoffmann.

AFP
awö/AFP

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