Rukiye, 38, Mutter Als Mutter und Muslimin möchte ich, dass meine Kinder ihren Glauben ausleben können

Protokoll: Florian Schillat
Ramadan im Sommer: Kein Essen und Trinken bis Sonnenuntergang: Wie fasten Muslime eigentlich in Schweden?
Sie verzichten 4 Wochen von Auf- bis Untergang
der Sonne auf Essen, Trinken, Rauchen oder Sex.
Wie im Christentum spielt auch im Islam
das Fasten eine große Rolle.
Als eine der fünf Säulen des Islams gehört der
Fastenmonat sogar zu den Hauptpflichten.
Der Verzicht soll helfen, sich intensiv
mit dem Glauben auseinanderzusetzen,
Gutes zu tun und das Verhältnis zu Gott und
seinen Mitmenschen zu festigen.
Schwangere, Kranke, Alte, Kinder und Reisende
müssen nicht fasten.
Sie sollten jedoch für jeden versäumten Fastentag
einen Armen speisen oder das Fasten nachholen.
Muslime feiern im Ramadan, dass dem
Propheten Mohammed der Koran offenbart wurde.
Ramadan ist der 9. Monat
im Islamischen Mondkalender.
So verschiebt sich der Monat Ramadan 11 Tage
pro Jahr nach vorne.
Gefastet wird also sowohl an kurzen Winter-,
als auch an langen, heißen Sommertagen.
Vor allem für Nordskandinavier eine große
Herausforderung.
Geht die Sonne 18 Stunden nicht unter, dürfen
sie sich deshalb nach der Zeit in Mekka richten.
Die Mahlzeit vor Sonnenaufgang wird "Sahūr"
genannt, die nach dem Sonnenuntergang "Iftar".
Der "Iftar" wird traditionellerweise
nach einem Gebet mit einer Dattel begonnen.
Zusätzlich ergänzen viele lokale Traditionen die festen islamischen Rituale des Ramadans.
In einigen muslimischen Städten, wie z.B. Sarajevo,
beendet ein Kanonenschuss die tägliche Fastenzeit.
Die Kinder der Golfregion freuen sich besonders
auf "Garangao" – ein Kinderfest in der 15. Nacht.
In Festgewänden singen sie für Nachbarn Lieder
und bekommen dafür Nüsse und Süßigkeiten.
Die ägyptischen Ramadanlaternen findet
man heute auch in anderen islamischen Ländern.
Überall wird das Ende der Fastenzeit mit dem
dreitägigen Zuckerfest gefeiert.
Man trifft sich mit der Familie und Freunden,
die Kinder bekommen Geschenke,
es wird gebetet - und natürlich gegessen.
Bei sommerlichen Temperaturen den ganzen Tag nichts essen oder trinken? Im Fastenmonat Ramadan sieht so der Alltag für gläubige Muslime aus. Wie kommen sie damit klar und wie reagiert das Umfeld in Deutschland? Im stern berichten drei Muslime. Heute: Rukiye, 38.

Einen knappen Monat kein Essen und Trinken, kein Sex, kein Rauchen - zumindest nicht, solange die Sonne scheint. Seit dem 16. Mai begehen Muslime aus aller Welt den Fastenmonat Ramadan. Noch bis zum 14. Juni wird tagsüber gefastet. Ramadan gilt als heiliger Monat im islamischen Mondkalender und dauert in der Regel 29 bis 30 Tage, von Beginn der Morgendämmerung (aktuell gegen 4 Uhr) bis zum Sonnenuntergang (etwa 21.15 Uhr). Erst im Anschluss wird das Fasten, oft gemeinsam mit Familie und Freunden, bei der sogenannten "Iftar",  gebrochen. Viele Muslime wollen während des heiligen Monats zu innerer Ruhe finden und Gott näher kommen. 

Der stern hat mit drei Muslimen gesprochen, die Ramadan in Deutschland feiern. Rukiye, 38, ist Mutter von zwei Kindern und lebt in Hamburg. Auch ihre siebenjährige Tochter und ihr 14-jähriger Sohn feiern den Fastenmonat - wenn auch mit Ausnahmen. Worum es der Hausfrau beim Ramadan geht, hat sie dem stern erzählt. 

Der stern protokolliert das Gespräch im Wortlaut: 

Rukiye, 38, Mutter aus Hamburg: "Als Mutter und Muslimin möchte ich, dass meine Kinder ihren Glauben ausleben können - egal, ob oder an was sie glauben"

Ramadan in Deutschland - Muslime erzählen: Rukiye, 38, Mutter
Im Gespräch mit dem stern berichten drei Muslime, wie sie Ramadan in Deutschland feiern
© ©mustafagull/Getty Images, privat

"Als überzeugte Muslimin ist der Ramadan für mich das Beste und Schönste im ganzen Jahr. So, wie es für viele Christen Ostern oder Weihnachten sein dürfte. Bereits im April treffe ich mit Vorfreude die ersten Vorbereitungen und bringe etwa die Wohnung auf Vordermann und koche die ersten Leckereien. Auch, damit ich mich in den Tagen der Enthaltsamkeit, die im Sommer sehr lang, heiß und anstrengend sein können, nicht zwingend darum kümmern muss.

Natürlich gibt es Tage, an denen der Verzicht auf Essen und Trinken sehr schwer sein kann. Aber es macht mir vor allem Spaß, die Enthaltsamkeit ist für mich eigentlich kein Problem, sobald sich mein Körper daran gewöhnt hat. Es ist faszinierend, wie die Sinne durch das Fasten geschärft werden: Ich kann schon nach wenigen Tagen plötzlich riechen, was für eine Sorte von Apfel ich in den Händen halte. Oder beim sogenannten 'Iftar' nach Sonnenuntergang, wenn wir im Kreise der Familie das Fasten brechen, kann ich geradezu jedes einzelne Salatblatt schmecken. Es ist ein so schönes Gefühl, dass mir manchmal sogar die Tränen kommen. Für mich wird der Ramadan noch schöner, indem ich jeden Tag im Koran lese. Mal gemeinsam mit Freundinnen, mal für mich allein. Wenn ich jeden Tag rund 20 Seiten lese, habe ich den Koran zum Ende des Ramadan einmal komplett gelesen.

Als Mutter möchte ich alles dafür tun, dass meine Kinder ihren Glauben ausleben können - aber so, wie sie das möchten

Dieses Ramadan ist für mich als Mutter ein ganz besonderes. Mein Sohn, der gerade 14 Jahre alt geworden ist, fastet dieses Jahr mit. Er hat es sich unbedingt gewünscht und ich möchte ihm dabei nicht im Weg stehen. Bereits im vergangenen Jahr haben er und seine Freunde es versucht, während der langen und heißen Tage haben sie aber die ein oder andere Pause eingelegt.

Gregor Peter Schmitz mit den Buchstaben GPS

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Das war für mich kein Problem und wird es auch nie sein: Als Mutter möchte ich alles dafür tun, dass meine Kinder ihren Glauben ausleben können - aber so, wie sie das möchten. Und als Muslimin möchte ich das sowieso. Für alle Menschen und alle Religionen. Auch wer nicht glaubt, glaubt an etwas. Und das unterstütze ich genauso.

Meine siebenjährige Tochter fastet noch nicht, findet es aber auch ganz toll und vor allem aufregend, was ihre Eltern da machen. Daher versucht sie sich, wie mein Sohn im vergangenen Jahr, erst einmal am 'Kinderfasten': Sie verzichtet, so lange sie das möchte - sobald sie Hunger oder Durst bekommt, gibt es aber natürlich etwas zu Trinken oder zu Essen. Generell möchte ich, dass meine Kinder nur so lange fasten, wie sie das möchten und auch aushalten. Es sind Kinder, die zur Schule gehen und den ganzen Tag auf Trab sind. Wenn meine Kinder an etwas glauben, dann finde ich das schön und unterstütze das. Im Islam gibt es auf alle Fragen eine Antwort und dies bringt mich dazu, meine Kinder so zu erziehen, dass sie ihre Religion lieben, schätzen und verstehen. Die Antwort auf all ihre Fragen kann ich meinen Kindern mit reinem Gewissen mit auf ihren Lebensweg geben. Das Positive zu vermitteln und ihnen so zu zeigen, dass keine andere Religion in Frage kommt. Auch dies ist ein wichtiger Aspekt für mich.

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Kein Essen und Trinken bis Sonnenuntergang: Wie fasten Muslime eigentlich in Schweden?
Ich versuche meinen Kindern die Religion, die Liebe und die Toleranz weiterzugeben, die meine Eltern uns mitgegeben haben

Ende der 60er-Jahre ist mein Vater als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen, mittlerweile leben meine Eltern wieder in der Türkei. Auch meine Eltern haben meine älteren Geschwister und mich zu nichts gezwungen. Ihnen war immer wichtig, dass wir glücklich sind. Mit zehn Jahren habe ich angefangen, ein Kopftuch zu tragen, weil ich es schön finde. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Dass meine ältere Schwester als gläubige Muslimin kein Kopftuch trägt, ist für uns natürlich kein Problem. Ich versuche, meinen Kindern die Religion, die Liebe und die Toleranz weiterzugeben, die meine Eltern uns mitgegeben haben. 

Ich kann es mir nicht leisten, die Nacht zum Tag zu machen

Ich habe Bürokauffrau gelernt, bin seit der Geburt meiner Tochter Hausfrau. Das ist in Kombination mit dem Dasein als Mutter ein 24/7-Job. Dafür kann ich mir den kleinen Luxus leisten, mich am Fastentag kurz hinzulegen oder mich auszuruhen, wenn ich mich etwas schwach fühle. Insgesamt ist es mir aber wichtig, und das versuche ich auch meinen Kindern zu vermitteln, während des Ramadans nicht nur auf der faulen Haut zu liegen. Sondern den gewohnten Alltag in Einklang mit diesem schönen Fest zu bringen. 

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Etwa, wenn wir uns vor der Morgendämmerung - wenn das Fasten wieder beginnt - gemeinsam noch eine kleine Stärkung gönnen. Da ich meine Tochter morgens zur Schule bringe, kann ich es mir nicht leisten, die Nacht zum Tag zu machen. Daher stehe ich gegen 3 Uhr morgens noch einmal auf, trinke etwa einen Tee und esse eine Banane. Mal weckt mich mein Sohn, mal wecke ich ihn, damit wir noch ein kleines Frühstück einnehmen können. Danach legen wir uns wieder hin. 

An Ramadan feiere ich das Leben

Im Alltag können wir immer trinken und essen, wann wir dazu Lust haben. Wir sehen Lebensmittel als selbstverständlich an, obwohl sie das nicht sind. Auch weil wir Menschen glauben, diese Dinge zu besitzen. An Ramadan feiern wir ihren wahren Besitzer: Allah, unseren Gott, der uns Menschen mit diesen schönen Dingen tagtäglich verwöhnt. 

Ich bin überzeugte Muslimin und liebe meinen Gott, meinen Glauben, meine Religion und alle Menschen. An Ramadan feiere ich das Leben und alles, was für mich dazugehört. Und während der Fastenzeit genieße ich das Leben umso mehr. In der Zeit, in der ich nichts esse oder trinke, bin ich aufmerksamer und habe mehr Zeit für mich. Diese innerliche Ruhe liebe ich an Ramadan.

fs