Sie sind klein, putzig, überaus beliebt, in Australien sowas wie ein Wahrzeichen – und vom Aussterben bedroht. Die Anzahl der Koalas ist in den vergangenen Jahrzehnten drastisch gesunken. Im Februar erst haben die Bundesstaaten New South Wales, Queensland und das Australian Capital Territory die Beuteltiere offiziell als "stark gefährdet" eingestuft. Eine Studie der Australia Koala Foundation geht von maximal noch 58.000 lebenden Exemplaren im ganzen Land aus. In nur drei Jahrzehnten sei der Bestand um 30 Prozent zurückgegangen.
Brände töteten Tausende Koalas
Die Koalas werden Opfer von Hundeangriffen oder Verkehrsunfällen. Daneben schwächen Chlamydien-Infektionen die Tiere. Doch am meisten setzt ihnen der Verlust ihrer Lebensräume zu. Während der verheerenden Buschfeuer zwischen Juni 2019 und Februar 2020 haben mehr als 15.000 einzelne Feuer Millionen Hektar Waldfläche niedergebrannt. Die Naturkatastrophe ging als "schwarzer Sommer" in die Geschichte Australiens ein.
Der WWF spricht von "einem der größten Desaster der modernen Geschichte für die Tier- und Pflanzenwelt". Einer Studie der Umweltorganisation zufolge sind rund drei Milliarden Tiere bei den Bränden ums Leben gekommen, darunter 60.000 Koalas. Aufgrund der globalen Erwärmung und ausbleibender Niederschläge haben die Frequenz und die Intensität der Buschfeuer stetig zugenommen. Bis 2050 rechnen Experten mit noch einmal 25 Prozent mehr extremen Feuer-Ereignissen.

"Wir haben einen drastischen Rückgang im Inland aufgrund von Dürre, Hitzewellen und Wassermangel für Koalas beobachtet. Ich habe einige Landschaften gesehen, die wie der Mond aussehen – mit toten und sterbenden Bäumen", beschreibt Deborah Tabart, Leiterin der Australien Koala Foundation die Folgen des "schwarzen Sommers" in der "Welt". Für die zuvor schon bedrohten Koalas bedeutete die Naturkatastrophe einen gravierenden Verlust.
Koalas verlieren Lebensraum
"Die Populationen waren insbesondere in New South Wales bereits lange vor den Buschbränden des Schwarzen Sommers 2019/2020 in Schwierigkeiten", zitiert die "Welt" Aliison Kelly, Vizepräsidentin der Tierschutzorganisation Friends of the Koala. Denn der Lebensraum der Tiere sei schon zuvor immer weniger geworden. Um Platz für Landwirtschaft, Infrastruktur und Stadtentwicklung zu machen, sind im Laufe der Jahre riesige Waldareale, besonders in Queensland und New South Wales, gerodet worden.
Für die Beuteltiere brachten diese Entwicklungen eine neue Reihe Bedrohungen in die Wälder ein: Hunde, Autos, Pestizide und die extreme Zersplitterung des Lebensraums in isolierte Bereiche. Das wiederum hat zur Folge, dass in den einzelnen Koala-Populationen bei der Fortpflanzung nur noch ein sehr eingeschränkter Genfluss stattfinden kann. Es komme vermehrt zu Inzucht, erklärt Stephen Johnston, ein Koala-Experte der University of Queensland. Ein möglichst diverser Pool an Genen ist außerdem wichtig, damit sich die Tiere an veränderte Umweltbedingungen anpassen können. Geringer Genfluss macht die Populationen weniger widerstandsfähig – eine weitere Gefahr für die ohnehin bedrohten Koalas.
Zucht-Koalas mit diversen Genen sollen helfen
An dieser Stelle setzt das Projekt "Living Koala Genome Bank" der University of Queensland an. In Zusammenarbeit mit dem Tierpark "Dreamworld" haben Forscher Koalas "mit hohem genetischen Wert" gezüchtet, wie die Universität auf ihrer Internetseite berichtet. Die drei Tiere – "Jagger", "Bowie" und "Freddie" – könnten möglicherweise das Schicksal gefährdeter Koala-Kolonien entlang der Ostküste wenden und damit eine wichtige Rolle bei der Rettung ihrer Spezies einnehmen. "Wenn die Populationen zu klein werden, ist eine Art Management erforderlich", erläutert Johnston in einem Video der Universität. Dazu hat der Experte ein kontrolliertes Zuchtprogramm gestartet: Die Wissenschaftler haben zwei wilde Koalas aus unterschiedlichen Populationen, deren Gene zuvor analysiert worden waren, in dem Tierpark miteinander gekreuzt.

Die Nachkommen sollen nach einiger Zeit wieder in der Wildnis ausgesetzt werden und sich so oft wie möglich vermehren, um ihre Gene in die lokalen Populationen einzubringen und damit die genetische Variation in den einzelnen Koala-Gruppen zu erhöhen. "Jagger" haben Johnston und sein Team kürzlich in einer Kolonie im Elanora Conservation Park ausgesetzt. Das gezüchtete Tier "ist vollständig gegen Chlamydien geimpft, frei von Krankheiten und wird – dank seiner vielfältigen Genetik – dazu beitragen, Koalas in dieser Population vor den Risiken der Inzucht zu schützen", berichtet Johnston. "'Bowie" und "Freddie" sollen ebenfalls bald in die freie Wildbahn entlassen werden.
Tierärzte vor Ort
Das Projekt sieht der Experte als ersten Schritt, um die Tiere widerstandsfähiger gegen Krankheiten und den Klimawandel zu machen. Ein Modell, um den langfristigen Schutz von Koalas in freier Wildbahn zu erreichen. Gleichzeitig betont Johnston aber auch, dass die Zucht-Tiere nicht die Lösung für die Zukunft der Art seien, sondern eher eine unterstützende Maßnahme.
Einen anderen Ansatz verfolgt Johnstons Kollege Sean FitzGibbon. Mit einem Team von Wildtierforschern ist es dem Wissenschaftler der Universität Queensland gelungen, eine schwindende Koala-Population an der Südseite von Brisbane zu rehabilitieren. Jedes einzelne Tier haben die Experten ausführlich untersucht. Verletzte oder kranke Individuen habe man sofort eingefangen und behandelt. Mit diesen "konzentrierten, kontinuierlichen Bemühungen" habe man laut dem Bericht von FitzGibbon "das Schicksal der schrumpfenden Population gewendet".
Schutz des Lebensraumes die wichtigste Maßnahme
Zu Beginn des Projektes seien 60 Prozent der Beuteltiere mit Krankheiten infiziert gewesen und die Population sei zusammengebrochen. Inzwischen vermehren sich die Tiere wieder und seien weitestgehend frei von Infektionen. "Die allgemeine Gesundheit dieser Bevölkerung hat sich merklich verbessert", berichtet der Forscher. Die Arbeit vor Ort sei der Erfolgsfaktor gewesen. "Eine vollständige, klinische Untersuchung im Feld durchführen zu können ist entscheidend, um festzustellen, ob wir eine Krankheit haben, wie weit verbreitet sie ist und wie effektiv wir diese Kolonie säubern können", sagt Wildtiertierärztin Dr. Amber Gillett.
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Aus beiden Projekten hat man jedoch das Fazit gezogen, dass solche Schritte zwar effektive Methoden zum Schutz der Koalas seien, aber man schlussendlich die Ursache des Problems – den Verlust der Lebensräume – angehen müsse. Die "Ausbreitung von Krankheiten zu verhindern und Lebensräume zu schützen, aufzukaufen oder zu rehabilitieren" sollten an erster Stelle stehen, findet Koala-Experte Johnston. Nur so hat das tierische Wahrzeichen das Landes die Chance, sich langfristig wieder zu erholen.
Quellen: Australian Koala Foundation, "Die Welt", University of Queensland (I), University of Queensland (II), WWF (I), WWF (II)