Krieg und Sprache "Bombenteppich" und "Blutzoll" - der Krieg der Worte

Krieg ist Menschen nicht leicht schmackhaft zu machen. Kriegsplaner benötigen daher Begriffe, möglichst plastisch. Wie der Krieg im Irak auf dem Feld der Semantik ausgetragen wird.

Im klassischen Fall hat der Krieg zwei Seiten; die Gute und die Böse. Das Feindbild ist klar, Krieg quasi notwendig. Was für dieses Schwarz-Weiß-Bild zu kompliziert ist, scheint in Nebel gehüllt. Oder in CNN-grün getaucht. Im jüngsten Bagdad-Thriller geschieht dies in Form von grob körnigen Pixeln, die meistens in Verbindung mit fein körnigem Sand aus den Nachtsichtgeräten der Operateure im Irak dringt. Und so, wie mancher Betrachter, der die Wackelbilder aus der Wüste verfolgt, sich fragt, ob diese "real" und "live" sind, ob sie die Pentagon-Panzer tatsächlich in einer Vorwärtsbewegung auf "Saddam-City" zeigen oder nur in einer Endlosschleife, die womöglich in einem Trainingscamp in der Wüste Arizonas entstand, so ist auch eine gehörige Portion Skepsis vonnöten bei dem, was in diesen Tagen durch den Schleier der Sprache dringt.

Konsumartikel Krieg

Denn Krieg muss konsumierbar sein - und wird folgerichtig gut verdaulich gereicht. Was eignet sich da besser, als sich den Mitteln der Rhetorik zu bedienen und delikate Sprachhäppchen zu servieren? Über die Macht - oder auch Ohnmacht - der Bilder wurde bereits erschöpfend diskutiert, über den Gebrauch der Sprache wird hingegen wenig bekannt. Die Art, wie etwas zur Sprache kommt, schließt dessen Bewertung mit ein: Sprache rückt damit in die Nähe des Handelns. Bekanntlich ist der Einfluss der Politikerworte auf die öffentliche Meinung in Krisen- und Kriegszeiten besonders groß. Sie gießen diffuse Ängste in die feste Form der Schablonen und Klischees. Noch nicht alt, aber schon ein Klassiker: der "Anti-Terror-Krieg". Durch die Vorschaltung von "Anti-Terror" rückt der unbarmherzige "Krieg" ins milde Licht moralischer Rechtfertigung. Ein edler Krieg, weil "Anti"-Krieg, der sich ja nur gegen den Terror richtet. Dumm nur, dass es auch unter Basken und Nordiren Terroristen gibt.

In ein simplifizierendes Weltbild finden sich Menschen schnell hinein, das Jonglieren mit Kriegsmetaphern- und synonymen steigert schließlich die Gefühle der Angst und Panik, die wiederum den Nährboden hergeben für das Einverständnis einer breiten Öffentlichkeit in einen "Waffengang", wie zuletzt geschehen in Afghanistan. Oder jüngst in der Irak-Frage, als George W. Bush sein Volk vom Krieg überzeugen und im Vorfeld Emotionen aufbaute musste. Als dann der Aufmarsch am Persischen Golf auf Hochtouren lief und die Invasion des Irak immer näher rückte, war von "Krieg" keine Rede mehr. Plötzlich ging es um "Maßnahmen zur Entwaffnung", Kriegsvorbereitungen wurden zur "Drohkulisse", und am Ende stand ein "Militärschlag", der die "Befreiung" Iraks als Ziel haben soll. Kaum hatte der Krieg begonnen, wurde er wieder beim Namen genannt, es tauchten "rücksichtslose Feinde" auf, die "Gräueltaten" begehen.

Rückgriff auf die Rhetorik der Antike

Sobald nämlich die Bilder des Krieges das Gegenteil der Versprechungen zeigen, tatsächlich tote Menschen, wirkt eine solche Sprache nicht mehr, da der Redner sonst unglaubwürdig wird. Die Befehlshaber müssen dann erklären: Ja, es ist Krieg, und er fordert Opfer. Nötig ist dann ein Wechsel der Rhetorik hin zu radikalisierenden und emotionalisierenden Vereinfachungen, um die Opfer zu rechtfertigen. Ein Beispiel ist die Behauptung Tony Blairs, irakische Soldaten hätten britische Soldaten exekutiert, was offensichtlich nicht stimmte. Oder, dass Saddam Husseins Söhne von den Amerikanern als notorische Vergewaltiger dargestellt werden. Das ist eine Steigerung, die schon der römische Schriftsteller Cicero verwendet hat, mit "Vergewaltigung" als Höhepunkt der Emotionalisierung nach "Vertreibung" und "Ermordung".

In einer derartigen Rhetorik unterscheiden sich Militärs und Politiker auch dann nicht, wenn sie auf verschiedenen Seiten stehen. In bester Gesellschaft: der bundesdeutsche Außenminister. Auch Joschka Fischer griff beim Kosovo-Krieg auf diese Stilmittel zurück: Fischer bezeichnete den Krieg damals als "Maßnahme", die dem "Schutz der Bevölkerung" diene. Dagegen hat er sich diesmal aber nicht gescheut, das Geballere am Golf beim Namen zu nennen. Dennoch verfehlt im Fall des Irak-Krieges die typische Kriegsrhetorik teilweise ihre Wirkung.

Sprache als Schleier

Korrespondenten westlicher Medien, die zwischen Basra und Bagdad über den Bush- und Blair-Krieg berichten, haben dazu gelernt. Im Unterschied zum zweiten Golfkrieg lassen sie sich nicht nur auf die Sprache der Militärs ein. Sprache werde im Krieg sehr parteilich benutzt, um zum Beispiel zu verschleiern, dass Menschen umgebracht werden, moniert etwa ZDF-Korrespondent Ulrich Tilgner in Bagdad, der eine Aversion gegen das Wort "Militärschlag" habe, weil er eigentlich ein "Angriff" sei.

In Kriegszeiten bedingen sich also Sprache und Bewusstsein gegenseitig. Die Sprache der Militärs und Politiker kommt aus deren Bewusstsein heraus und soll aber umgekehrt das Bewusstsein der Bevölkerung bestimmen. Inwiefern den Kriegsplanern gelungen ist, den Menschen weltweit mit dem "Wüstensturm" buchstäblich Sand in die Augen zu wirbeln, wird jeder für sich selbst beurteilen müssen. Oder im Anschluss testen, was sich hinter dem "Nebel des Krieges", wie ein häufig zitiertes Clausewitz-Wort lautet, verbirgt.

Dusko Vukovic / Mitarbeit: Klaus Werle

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