Die Spirale der tödlichen Bandengewalt in Schweden dreht sich weiter – und ein Ende ist nicht in Sicht. Allein seit Mittwochabend sind innerhalb von 12 Stunden drei Menschen durch Schüsse und eine Explosion ums Leben gekommen. Der Justizminister des Landes sagte, die "letzten 24 Stunden sind das Schlimmste, was man sich in einer offenen, freien Gesellschaft vorstellen kann".
Die ersten tödlichen Schüsse fielen gegen 18.40 Uhr im Südwesten Stockholms. Der Polizei wurde gemeldet, dass ein Mann durch Schüsse tödlich verletzt worden sei. Eine Fahndung nach den mutmaßlichen Tätern wurde eingeleitet, die Polizei sucht nach einem grauen Toyota und ermittelt wegen Mordes.
Wie die Zeitung "Expressen" berichtet, wurde der Mann auf einem Sportplatz erschossen. Bei dem Opfer soll es sich um einen "bekannten Rapper im späten Teenageralter" handeln. Nach Angaben der Zeitung wurde die Tat gefilmt, ein Video liege der Redaktion vor. Der Tote soll Verbindungen ins Bandenmilieu haben.
Schüsse auf Sportplatz: Rapper getötet
Der Sportplatz wird laut "Expressen" viel genutzt. "Soweit ich weiß, waren dort Leute. Ich weiß nicht, wie viele Leute (...) – ob es Trainingseinheiten mit Jugendlichen, Kindern oder Erwachsenen waren. Aber ich weiß, dass Menschen dort waren", sagte Mats Eriksson, Pressesprecher der Stockholmer Polizei.
Die Zeitung "Dagens Nyheter" berichtete unter Berufung auf einen Augenzeugen, dass zum Zeitpunkt der Schüsse Kinder und Jugendliche auf dem Platz trainierten. "Wir hörten fünf Schüsse. Dann rannten zwei kleine Jungen los und riefen 'Schießerei', bevor alle auf dem Platz zur Wand rannten."
Kurz vor Mitternacht wurde die Stockholmer Polizei erneut zu einer Schießerei gerufen, diesmal in Jordbro im Süden der Stadt. Die Beamten fanden zwei Männer mit Schussverletzungen vor. Einer der beiden erlag seinen Verletzungen, der andere wurde ins Krankenhaus gebracht. Auch hier ermittelt die Polizei wegen Mordes und darüber hinaus wegen versuchten Mordes.
Am frühen Morgen teilte die Polizei mit, dass drei Männer im Zusammenhang mit der Tat festgenommen wurden. Sie werden verdächtigt, an der Tat beteiligt gewesen zu sein.
Explosion tötet junge Frau
Der dritte tödliche Anschlag ereignete sich am Donnerstag gegen 3.45 Uhr in der Nähe der Stadt Uppsala, eine Autostunde nördlich von Stockholm. In einem Wohngebiet kam es zu einer Explosion, mehrere Häuser wurden beschädigt. Eine 25-jährige Frau wurde ins Krankenhaus eingeliefert. Sie starb später, die Polizei ermittelt wegen Mordes. Am Vormittag dann ein Fahndungserfolg: Zwei Männer wurden unter dem Verdacht des Mordes und der schweren Sachbeschädigung festgenommen. Nach Angaben des öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders SVT ist unter einer der Adressen in dem explodierten Viertel eine Person mit Verbindungen zum Bandenmilieu gemeldet. Das Todesopfer soll jedoch keine Verbindungen zu Banden gehabt haben.
Mit den drei Toten steigt die Zahl der Menschen, die in Schweden durch Gewalttaten wie diese ums Leben gekommen sind. SVT berichtete, dass allein im September dieses Jahres elf Menschen bei Schießereien getötet wurden. Es sei somit der tödlichste Monat in Bezug auf Schusswaffengewalt seit Dezember 2019.
"Es ist kein schöner Morgen, um aufzuwachen. Aus polizeilicher Sicht müssen wir weiterhin alles tun, um solche Ereignisse mit sehr katastrophalen Folgen zu verhindern", sagte Magnus Jansson Klarin, Sprecher der Polizeiregion Mitt, zu der auch Uppsala gehört. Viele der Gewalttaten würden sich gegen Mitglieder krimineller Netzwerke richten, so Klarin zu SVT. Es sei unmöglich, den Überblick zu behalten.
Regierung in Schweden will Bandengewalt bekämpfen
Grassierende Bandengewalt plagt Schweden seit Jahren, immer wieder kommt es zu Schießereien und Sprengstoffanschlägen. Opfer aber auch Täter werden immer jünger. Regierung und Polizei versuchen immer wieder, mit neuen Maßnahmen und Gesetzen der Lage Herr zu werden. Doch bisher waren diese Versuche kaum von Erfolg gekrönt, wie die vergangene Nacht zeigt. Dabei hatte sich die liberal-konservative Regierung von Ministerpräsident Ulf Kristersson den Kampf gegen die Kriminalität auf die Fahnen geschrieben und als "politische Priorität" bezeichnet.

Justizminister Gunnar Strömmer bezeichnete die jüngste Eskalation der Gewalt in den vergangenen Stunden als "zutiefst tragisch": "Die letzten 24 Stunden sind das Schlimmste, was man sich in einer offenen und freien Gesellschaft vorstellen kann", sagte er dem Sender TV4. Er wolle die Polizei noch stärker unterstützen. So soll zum 1. Oktober ein Gesetz in Kraft treten, das es den Ermittlern erleichtert, Verdächtige abzuhören. "Das stand schon lange auf der Wunschliste der Polizei."
Am Mittwoch hatte die Regierung nach zwei anderen Explosionen neue Maßnahmen gegen die Gewaltwelle angekündigt. Zu den vorgestellten Maßnahmen gehört der Vorschlag, die Mindeststrafen für schwere Waffendelikte, einschließlich des Besitzes von Sprengstoff, ab April nächsten Jahres zu verdoppeln, berichtete "Expressen".
Quellen: Polizei Schweden, "Expressen", SVT, "Dagens Nyheter", Regierung Schweden