Shooting im Hochzeitskleid Trend in Japan: "Solo Weddings" – Frauen heiraten sich selbst

Japanische Frau in Hochzeitskleid
Bei den "Solo Weddings" steht die Braut im Mittelpunkt. Frauen dürfen in ein Hochzeitskleid schlüpfen und für Erinnerungsfotos posieren
© AFLO / Imago Images
Immer mehr Menschen in Japan lehnen Hochzeit und Familienleben ab. Frauen, die trotzdem von einem Tag im Hochzeitskleid träumen, können stattdessen sich selbst heiraten.

Die Braut trägt ein pompöses, weißes Hochzeitskleid und ein funkelndes Krönchen auf dem Kopf. Haare und Make-up sitzen perfekt an ihrem großen Tag. Glücklich strahlt sie in die Kamera. Einen Bräutigam gibt es nicht, sie heiratet – sich selbst. Und damit ist sie nicht allein. Sogenannte "Solo Weddings" für Frauen sind ein wachsender Trend in Japan.

Einzel-Hochzeit als Erlebnispaket

Reiseagenturen und Fotostudios verkaufen die Einzel-Hochzeit als Erlebnispaket: Brautkleid, Blumenstrauß, Frisur und ein abschließendes Shooting mit Fotoalbum sind meist in dem Preis enthalten. Je nach Angebot gibt es auch eine Fahrt mit einer Limousine und eine Übernachtung dazu. Die Preise starten bei 2000 Euro. Für die Kundinnen geht es um die Erfahrung, die Erinnerung und um Selbstwertschätzung.

Sie habe den Service ins Leben gerufen, "um Frauen zu ermutigen, positive Gefühle für sich selbst zu empfinden", zitiert die BBC Yukiko Inoue, die Chefin von "Cerca Travel". Der in Kyoto ansässige Reiseveranstalter hat die zweitägige Solo-Hochzeitreise 2014 als Erster angeboten. Während die ungewöhnliche Idee am Anfang noch mit Skepsis beäugt wurde, ist die Nachfrage im Laufe der Jahre stetig gewachsen.

"Therapeutisches" Erlebnis

Nicht nur Singles, sondern auch verheiratete oder geschiedene Frauen, die bei der Eheschließung auf die Hochzeitsfeier verzichtet haben oder im Nachhinein unzufrieden mit der Zeremonie waren, buchen die "Solo Weddings". Arzthelferin Sayaka Takimoto erzählt in einem Bericht von "China Daily": "Ich habe keine Hochzeitsfotos mit meinem Ex-Mann, da wir sehr plötzlich geheiratet haben." Deshalb haben sie beschlossen, sich das Hochzeits-Shooting zu ihrem 30. Geburtstag zu schenken.

Natsumi Akai von "Cerca Travel" bekräftigt im Gespräch mit dem "Guardian", dass das Hochzeitskleid für japanische Frauen ein Symbol für Schönheit sei. "Heiraten und das Tragen eines Hochzeitskleides können zwei völlig verschiedene Dinge sein", fügt sie hinzu. Es brauche dennoch Mut, sich für die Single-Heirat zu entscheiden. Neben den Erinnerungsfotos würden die Kundinnen deshalb auch mit einem erhöhten Selbstbewusstsein nach Hause gehen. Deshalb beschreibt Natsumi Akai die Einzel-Hochzeit sogar als "therapeutisch".

Immer weniger Hochzeiten in Japan

Außerdem werde den Frauen so bewusst, "dass die Ehe nicht das einzige Ziel im Leben ist". Von diesem Gedanken verabschieden sich immer mehr Japanerinnen. Die Anzahl der Eheschließungen nimmt in dem Land seit Jahren ab. Eine Volkszählung, über die "New York Times" berichtet hat, zeigt, dass in den 1990er-Jahren eine von 20 Frauen unter 50 Jahren unverheiratet war. Im Jahr 2015 hingegen war es eine von sieben Frauen. Unter den 35- bis 39-Jährigen waren 25 Prozent noch nie verheiratet.

Schulmädchen in Japan fotografieren Kirschblüten
Immer mehr junge Japanerinnen verschieden sich von der Idee, eine Familie zu gründen
© Rodrigo Reyes Marin / Picture Alliance

Im Gegensatz dazu sind fast 70 Prozent aller Frauen zwischen 15 und 64 Jahren erwerbstätig. In Japan, wo noch immer die traditionelle Rollenverteilung dominiert, wird von Frauen erwartet, mit der Eheschließung das Berufsleben aufzugeben und die Karriere gegenhäusliche Pflichten einzutauschen. Ein veraltetes Modell, das Frauen zunehmen als Belastung ansehen. Zumal sie mit einem eigenen Job finanziell unabhängig bleiben können.

Tausche Freiheit gegen Familie

"Wenn sie heiraten, müssen sie ihre Freiheiten und die Unabhängigkeit aufgebe", sagt Mari Miura, Professorin für Politikwissenschaft an der Sophia-Universität in Tokio, im Gespräch mit der "New York Times". Single zu bleiben, nimmt eine wachsende Anzahl an Japanerinnen deshalb als Befreiung war. Einzig der Kinderwunsch motiviert viele Frauen noch zur Eheschließung, doch auch hier zeigt die Statistik einen Rückgang. Die Geburtenrate in Japan geht ebenfalls kontinuierlich zurück. "Wenn ich Mutter werde, fürchte ich, dass die japanische Gesellschaft von mir fordert, die Mutterrolle zu spielen, anstatt ich selbst zu sein", erzählt eine junge Frau der "New York Times".

Auch die 20-jährige Rina sieht in dem Bund fürs Leben wenig Sinn. Die BBC hat die Japanerin bei ihrer "Solo Wedding" begleitet. Diese Events seien aktuell sehr beliebt in ihrer Heimat, erzählt sie, während die junge Frau für ihr Shooting geschminkt wird. Für sie ist die Einzel-Hochzeit ein besonderes Erlebnis, bei dem der Spaßfaktor im Vordergrund steht. "Man kann sich wie eine Prinzessin fühlen", sagt sie in dem Video.

Ansonsten drehe sich ihr Leben auf die Arbeit. "Ich will Geld verdienen, während ich jung bin", erläutert sie. Dabei denkt sie vor allem an die Altersvorsorge. Aufgrund der rapiden abnehmenden Geburtenrate schrumpft die Gesamtbevölkerung des Landes. Die Generation von Rina könnte deshalb Probleme mit der Rente bekommen.

Hochzeiten auch für Männer eine Belastung

Arakawa Kazuhisa, ein japanischer Forscher, der den sozialen Wandel in seiner Heimat untersucht, schätzt, dass bis 2040 rund 39 Prozent aller Haushalte aus Einzelpersonen bestehen könnten. Singles könnten dann nahezu die Hälfte der Bevölkerung ausmachen. Der Markt passt sich der Entwicklung an: Einzimmerwohnungen, Restaurants mit Einzeltischen und Karaoke-Bars mit abgetrenntem Frauen-Bereich sind auf dem Vormarsch.

Frau sitzt an einem Einzeltisch im Café
Cafés, Restaurants und Bars stellen in Japan vermehrt auf Einzeltische um
© PantherMedia / Leung Cho Pan / Imago Images

Der Trend lässt sich aber nicht nur bei Frauen beobachten. Auch Männer sehen zunehmen von Eheschließungen ab. In den 1990er-Jahren galt ein Viertel der Japaner als unverheiratet, 2015 ist der Anteil auf ein Drittel gewachsen. Da die Arbeitslöhne seit Jahren stagnieren und von Männern erwartet wird, Frau und Kinder zu versorgen, empfindet eine Vielzahl von Männern das Gründen einer Familie als zu hohe finanzielle Belastung.

Bräutigam ist nicht gefragt

Die "Solo Weddings" richten sich bisher jedoch nur an Frauen. Während einige die Hochzeit alleine zelebrieren, machen andere Bräute eine größere Feier aus dem Event. Laden eine große Gruppe ein oder lassen sich mit der besten Freundin, Verwanden oder ihren Haustieren ablichten. Aim Tokyo Harajuku, ein Fotostudio in Tokyo gibt gegenüber "China Daily" an, in den fünf Jahren, seitdem sie das Hochzeitspaket anbieten, 300 Kundinnen "getraut" zu haben. Anfragen kommen fast täglich.

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Im Original-Angebot von "Cerca Travel" bestand für die Frauen sogar die Möglichkeit, einen Bräutigam zu buchen: Ein etwa gleichaltriges, männliches Model, das auf den Hochzeitsfotos den Partner spielen würde. Doch wie der "Guardian" berichtet, habe keine einzige Kundin die Leistung jemals in Anspruch genommen, weshalb die Agentur sie schließlich gestrichen habe. Kaum verwunderlich, geht es doch laut Mitarbeiterin Natsumi Akai um "die Feier deines Selbst".  Das trifft auch die 20-jährige Rina zu. "Ich will das Kleid tragen und Fotos von mir machen lassen", sagt sie unmittelbar vor dem Shooting. Die Fotos seien für sie selbst, ihre Familie und – klar – ihren Instagram-Account.

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