Stromausfall "Es ist vorbei"

Stern.de sprach mit stern-Korrespondent Ulli Rauss über die aktuelle Lage in New York.

Stern.de sprach mit stern-Korrespondent Ulli Rauss in New York City über die Situation nach dem großen Stromausfall

Wie ist die aktuelle Lage in New York City?


Ich würde sagen, es ist vorbei. Die U-Bahnen fahren nahezu alle wieder, seit gestern 21 Uhr gab es wieder Strom. Allerdings haben sie die ganze Nacht gebraucht, um den U-Bahn-Verkehr wieder zu koordinieren.

Gab es Unruhen, Verletzte oder Tote?


In Brooklyn wurden 17 Leute verhaftet, offenbar wegen versuchter Plünderungen. Der Bürgermeister gab an, dass im Zusammenhang mit den Stromausfällen drei Tote, unter anderem ein Herzinfarkt wegen der Hitze.

Sind die Ursachen des Stromausfalls denn mittlerweile bekannt?


Wie es heißt, ist eine Leitung im mittleren Westen der USA ausgefallen. Dies führte zu einem Elektrizitätsrückfluss und letztlich zu einer Kettenreaktion, in Folge dessen ungefähr 100 Kraftwerke abgeschaltet werden mussten. Die Frage bleibt allerdings, warum es nicht gelungen ist, das Problem zu isolieren.

Haben die USA denn ein so rückständiges Stromversorgungsystem?


Die Technik ist definitiv veraltet. Das Hauptproblem liegt aber in der Vernetzung der Stromversorgung. Früher war die Stromversorgung lokaler organisiert und so ausgerichtet, dass sie den örtlichen Bedarf decken konnte. Dann kam es aber zu immer stärkeren Vernetzungen der Unternehmen, die die Strom-Überkapazitäten wirtschaftlich nutzen wollten. Dies führte dazu, dass es nun viele Subunternehmen gibt, die unübersichtlich agieren. Da fehlt einfach die koordinierende Hand des Staates. Es gibt wohl schon seit zwei Jahren Gesetzesvorschläge, die vorsehen, das besser zu handhaben. Allerdings ruhen die seitdem im Kongress.

Was sind die Konsequenzen aus dem Stromausfall?


Präsident Bush kündigte an, mehr Kraftwerke bauen zu wollen. Ich schätze aber, dass man erst einmal daran gehen wird, diese Energiegesetze im Kongress zu überprüfen.

Wie haben Sie den Stromausfall persönlich erlebt?


Ich war am Donnerstag im Büro, als es passierte. Plötzlich flackerte das Licht, die Computer gingen aus. Wir waren etwa fünf oder sechs Leute im Büro, das im 78. Stock, in Midtown liegt. Gegenüber in den Büros sahen wir, wie die Leute schon am Fenster standen und raus blickten. Schließlich strömten alle nach draußen. .

War da sofort die Angst, das ist ein Terroranschlag!
Wir waren eher gelassen. Insgesamt aber hatte ich schon das Gefühl, dass die Leute mit dem Schlimmsten rechneten. Dazu kam, dass es ganze eineinhalb Stunden dauerte, bis der Bürgermeister Entwarnung gab, dass kein "terror related incident" vorliege. Ich bin dann nach Hause gelaufen, insgesamt 60 Blöcke. Dafür habe ich über zwei Stunden gebraucht.

Natürlich gab es auch Panikvorfälle. Manche Leute saßen über zwei Stunden in einer U-Bahn fest, bis die Schaffner endlich die Türen öffneten und die völlig verängstigten Leute heraus führten. Auch die ganzen Touristen, die die Hotels verlassen und draußen übernachten mussten, sorgten für eine weitere Anspannung der Lage. In Midtown kam es in manchen Hochhäusern zu Problemen mit der Wasserversorgung. Die Pumpen, die ausgefallen waren, konnten die oberen Stockwerke nicht mehr versorgen.

Aber es gab teilweise auch recht skurrile Szenen: Während alle größeren Geschäfte geschlossen hatten, verkauften kleinere Läden weiterhin, Leute wurden mit Taschenlampen hinein gelassen. Mancherorts kam sogar eine recht atmosphärische Stimmung auf: Im East Village wurden Feuerchen in Blechtonnen gemacht, Trommler musizierten

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