"Hansa Stavanger" Offizier berichtet von Scheinhinrichtungen an Bord

Das viermonatige Martyrium der Besatzung der "Hansa Stavanger" in der Hand von Piraten war offenbar noch größer als bisher angenommen. Ein Schiffsoffizier berichtet von Scheinhinrichtungen an Bord. Unterdessen kommt Kritik an der Lösegeldzahlung auf.

Die somalischen Piraten haben Besatzungsmitglieder der "Hansa Stavanger" offenkundig mit Scheinhinrichtungen terrorisiert. Der 27-jährige Frederik E. aus Brake, 2. Offizier auf dem Schiff, habe seinem Vater berichtet, dass sich Besatzungs-Mitglieder mit verbundenen Augen hinknien mussten und anschließend Gewehrsalven über ihre Köpfe hinweg abgefeuert wurden, berichtete die "Deutsche Schifffahrts-Zeitung" online.

Das deutsche Containerschiff mit seinen 24 Crewmitgliedern, darunter fünf Deutsche, wird am Donnerstagabend oder am Freitag in der kenianischen Hafenstadt Mombasa erwartet. An Bord ist auch ein Marinearzt. Laut Bundeswehr wird das Schiff von der Fregatte "Brandenburg" begleitet.

Vier Monate hatte das Martyrium der Besatzung an Bord der "Hansa Stavanger" gedauert, ehe die Piraten das Schiff am Montagabend verließen. Zuvor hatten sie nach eigenen Angaben umgerechnet 2,1 Millionen Euro Lösegeld vom Eigentümer, der Hamburger Reederei Leonhardt & Blumberg, erhalten. Die Piraten hatten die "Hansa Stavanger" am 4. April rund 650 Kilometer von der somalischen Küste entfernt in ihre Gewalt gebracht.

Der CSU-Sicherheitsexperte Hans-Peter Uhl forderte unterdessen ein Ende der "Scheckbuch-Diplomatie mit somalischen Piraten". Der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte Uhl: "Bei aller Erleichterung über die Freilassung der Besatzung sollte keiner jubeln, dass 2,7 Millionen Dollar Lösegeld an Schwerkriminelle überwiesen wurden." Für die Piraten am Horn von Afrika sei das eine Aufforderung zu weiteren Überfällen. "Die Gefahr für deutsche Handelsschiffe wird dadurch größer statt kleiner."

Zeitweise war die Lage an Bord der "Hansa Stavanger" höchst dramatisch. "Wir haben kein Wasser, kein Essen, keine Medikamente", berichtete der Kapitän laut einem Bericht des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" bereits Ende Juli. "Wir können nicht mehr", schrieb er in einer E-Mail. Ein Sprecher der EU-Operation Atalanta sagte am Dienstag, es bestehe zwar keine akute Gefahr für Leib und Leben, die psychische Belastung habe jedoch Spuren hinterlassen. Den Besatzungsmitgliedern des deutschen Containerschiffs gehe es den Umständen entsprechend gut.

Nachdem die Seeräuber das Schiff am Montagabend verlassen hatten, habe der Frachter zunächst Kurs auf die in der Nähe wartende Fregatte "Rheinland-Pfalz" genommen, teilte der Kapitän der "Hansa Stavanger" mit. "Seit 20.45 Uhr befand sich neben der Fregatte "Rheinland-Pfalz" auch die Fregatte "Brandenburg" vor Ort", heißt es auf der Webseite der Bundeswehr am Dienstag weiter. Unmittelbar nach Abzug der Piraten hätten die Kriegsschiffe Soldaten auf den Frachter geschickt, die medizinische Versorgung anboten und Lebensmittel brachten. "Alle Besatzungsmitglieder wurden untersucht und sind wohlauf. Es gibt keine Verletzten und keine medizinische Notlage."

An Bord der "Hansa Stavanger" befänden sich größere Mengen Patronenhülsen und Blindgänger, teilte die Marine weiter mit. Feldjäger unterstützten die Polizei und sicherten Spuren. "Diese können zu einem späteren Zeitpunkt für eine Strafverfolgung genutzt werden", heißt es. Die Bundeswehr habe das Containerschiff und ihre Besatzung seit Beginn der Geiselnahme Anfang April "permanent mit mindestens einem Schiff und einem Seefernaufklärer der Marine beschattet".

Die Hamburger Reederei erwartet nun, dass ihr Containerschiff im Hafen von Mombasa als Tatort beschlagnahmt wird. Sowohl das Bundeskriminalamt (BKA) als auch kenianische Behörden wollten an Bord ermitteln, sagte ein Reedereisprecher in Hamburg. Die Hamburger Staatsanwaltschaft bat die kenianischen Behörden um Hilfe. "Wir haben ein Rechtshilfeersuchen gestellt", sagte Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers. Die Staatsanwaltschaft der Hansestadt ermittelt seit April gegen Unbekannt wegen des Verdachts eines gemeinschaftlichen Angriffs auf den Seeverkehr und der schweren räuberischen Erpressung.

DPA
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