150 Tote in drei Tagen Al-Kaida nutzt Machtvakuum im Irak für Massaker

Im Irak haben Terroristen innerhalb von drei Tagen mehr als 150 Menschen getötet. Die Fanatiker nutzen das Machtvakuum aus, das durch den Abzug der US-Truppen und das Fehlen einer handlungsfähigen Regierung entstanden ist. Eine Lösung ist nicht in Sicht.

Mahdi al-Saadi steuert sein Taxi im Feierabendverkehr durch Bagdads Ur-Viertel, als er eine laute Explosion hört. Kurz darauf vernimmt er Schmerzensschreie und das Heulen von Sirenen. Der 47 Jahre alte Taxifahrer hat nur einen Gedanken: "Bloß weg hier - wer weiß ob nicht gleich noch eine zweite Bombe hochgeht." Er macht mit seinem Taxi kehrt und fährt nach Hause.

An diesem Abend hat es die Schiiten getroffen. Wenige Stunden zuvor wurden in Bagdad Christen in einer Kirche massakriert. Die Schreckensnachrichten reißen nicht ab. General Dschihad al-Dschabiri vom irakischen Innenministerium stellt im staatlichen Fernsehen später nüchtern fest: Die Terroristen lagern in verschiedenen Vierteln Sprengstoff, sie benutzen hausgemachte, einfach konstruierte Bomben, und planen bei ihren multiplen Bombenattacken genau, wie viel Zeit zwischen den einzelnen Explosionen verstreichen soll.

Viele Iraker geben aber nicht nur den Al-Kaida-Terroristen die Schuld an der Gewalt, sondern auch den Politikern ihres Landes, die seit der Parlamentswahl vom vergangenen März erfolglos über die Bildung einer neuen Regierung verhandeln. "Bagdad wird so lange ein unsicherer Ort bleiben, bis es der Regierung gelingt, eine Lösung für die Sicherheitskrise zu finden", sagt Al-Saadi. Doch eine funktionierende Regierung gibt es in Bagdad zur Zeit gar nicht. Ministerpräsident Nuri al-Maliki und sein Kabinett führen zwar mehr schlecht als recht die Regierungsgeschäfte weiter. Doch die politischen Gespräche drehen sich in Bagdad seit der Wahl vom März nicht vorrangig um die Terrorbekämpfung, sondern darum, welche Parteien an der neuen Regierung beteiligt werden sein werden und wer welches Ressort übernehmen soll.

Auch in den Äußerungen westlicher Politiker, die nach jedem neuen Blutbad im Irak ihr Entsetzen bekunden, ist inzwischen eine gewisse Ungeduld spürbar. Auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) appelliert nach den Autobombenanschlägen in den Schiiten-Vierteln an die politischen Kräfte des Landes, "sich rasch auf die Bildung einer handlungsfähigen und alle Bevölkerungsgruppen einschließenden Regierung zu verständigen". Denn nur so könne man dem Terrorismus den Boden entziehen.

Um den nun schon seit fast acht Monate andauernden Stillstand in Bagdad zu beenden, hat der Alterspräsident des Parlaments, Fuad Masum, jetzt zumindest eine Parlamentssitzung anberaumt. Masum lud die Abgeordneten am Mittwoch für den kommenden Montag zu einer Sitzung ein, bei der sie einen neuen Parlamentspräsidenten wählen sollen. Dies hatten sie bei der bisher einzigen Sitzung dieser Legislaturperiode am 14. Juni nicht getan, um den Parteien mehr Spielraum für eine Vereinbarung über die Besetzung aller Schlüsselressorts zu geben. Das Ergebnis war ein Machtvakuum, das viele Vermittler auf den Plan gerufen hat. Die Syrer haben es schon versucht, der Iran und das Herrscherhaus von Saudi-Arabien. Doch alle Vermittlungsversuche blieben bislang erfolglos.

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Anne-Beatrice Clasmann, DPA

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