Duisburger Bluttat "Krieg, sobald es um Geld geht"

Für den Sechsfachmord von Duisburg ist offensichtlich die kalabresische Mafia verantwortlich. Kein Wunder, sagt der Mafia-Experte Jürgen Roth im stern.de-Interview, schließlich sei die Stadt ein Stützpunkt der "Ndrangheta" in Deutschland. "Aber einen solchen Mehrfach-Mord gab es noch nie, das ist wirklich außergewöhnlich."

Meinen Sie, dass die Ndrangheta hinter den Morden steckt?

Ganz sicher. Die Methode mit Kopfschüssen ist in Kalabrien nicht ungewöhnlich. Zudem ist Nordhrein-Westfalen ein Zentrum der Ndrangheta. Seit Ende der der 80er-Jahre haben sie den Ruhrpott und vor allem Duisburg als einen Stützpunkt aufgebaut.

Warum gerade Duisburg?

Das hängt mit der Migration der italienischen Fremdarbeiter zusammen, die hier im Ruhrpott Arbeit gesucht haben. Mit ihnen kam auch die Ndrangheta nach Nordrhein-Westfalen.

Wie muss man sich die Struktur dieser Gruppe vorstellen?

Ndrangheta ist der terminus technicus für die kalabrische Mafia. Es gibt rund 150 verschiedene Clans, die zu dieser Gruppe gehören. Allein in San Luca, einem kleinen Bergdorf mit 5000 Einwohnern, leben 30 unterschiedliche Clans. Diese sind oft auch verwandtschaftlich miteinander verbunden, sie bekriegen sich aber, sobald es um Geld geht.

Jürgen Roth

wohnt in Frankfurt am Main und hat mehrere Bücher über die organisierte Kriminalität in Osteuropa und Deutschland veröffentlicht.

Wie viele Clan-Mitglieder leben in Deutschland?

Wenn man den Zahlen des BKA glaubt, beläuft sich die Zahl in Deutschland auf rund 1800. Das sind natürlich nicht alles kriminelle Personen. Aber früher oder später werden alle in den Clan integriert. Und wenn es dann um Geld geht, kann sich dem niemand entziehen. Die Familie und der Clan hat einen ernormen Stellenwert und wenn ein Befehl aus Kalabrien kommt, muss jedes Mitglied dem folgen.

Worum geht es bei den Auseinandersetzungen der Clans in Deutschland?

In der Regel um Waffen- und Drogenhandel. Die Ndrangheta hat dabei die Führungsstellung im Drogenhandel inne. Und die Indizien bei den Morden in Duisburg weisen daraufhin, dass es sich um eine Auseinandersetzung wegen des Drogengeschäfts handelt

Haben diese Auseinandersetzungen in den vergangenen Jahren schon Opfer gefordert?

Es gab immer wieder mal Straftaten, die der Ndrangheta zugerechnet wurde. Aber einen solchen Mehrfach-Mord gab es noch nie, das ist wirklich außergewöhnlich

Wird denn genug gegen diese Mafia-Gruppe getan?

Es wurde viel getan, vor allem vom BKA und auch der örtlichen Polizei. Aber zum einen ist die wichtige Verbindung zur Polizei in Kalabrien in den vergangenen Jahren schlechter geworden. Zum anderen wurden viele Polizeistellen in Deutschland personell ausgedünnt und konnten sich deshalb nicht mehr so intensiv mit der Mafia auseinandersetzen. Und: Zuletzt hat sich die Mafia sehr ruhig verhalten.

Interview: Malte Arnsperger

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