Entführung Kuchen und Bier für den Geiselnehmer

Psychologische Meisterleistung: Spezialeinsatzkräfte und Polizisten waren vor Ort, doch letztendlich waren es Polizeipsychologen, die den Geiselnehmer mit Worten und Essen zur Aufgabe zwingen konnten.

Ein Dutzend Polizisten umringt den schwarzen Wagen, die Pistolen im Anschlag, die Mündungen auf die Scheiben des Autos gerichtet. Immer mehr Streifenwagen kommen herbeigerast, Beamte sprinten über die Straße auf den Parkplatz der Autovermietung an einer Ausfallstraße von Münster: Am späten Montagabend hatte die Polizei den Geiselnehmer der 13-jährigen Wai Wai Hu aus dem niederländischen Grenzort Rekken nach einer wilden Verfolgungsfahrt durchs Münsterland eingekeilt. Mehr als sechs lange Stunden sollte es dauern, ehe der Mann endlich die Aussichtslosigkeit seines Unterfangens einsah und das Messer niederlegte.

Mit der Waffe hatte er das Mädchen am vergangenen Sonntag in Rekken (Niederlande) bedroht und anschließend in seinen Wagen gezerrt. Was genau die 13-Jährige in dem 40 Stunden dauernden Martyrium durchgemacht hat, blieb zunächst unklar. Dem Kind ging es bei der Befreiung den Umständen entsprechend gut. Äußerlich seien auf den ersten Blick keine Verletzungen zu erkennen, sagt ein Polizeisprecher. Das Mädchen, das bei seiner Befreiung als erste aus dem Auto gestiegen war, wurde am Dienstag psychologisch betreut und in einem Krankenhaus untersucht.

"Verhandlungstaktik ist aufgegangen"

Polizeipsychologen hatten die ganze Nacht hindurch stundenlang beruhigend auf den Geiselnehmer geredet, berichten Augenzeugen. Schokolade, Kuchen, Bier sollen sie ihm gebracht haben, um den Mann zur Aufgabe zu bewegen. "Unsere Verhandlungstaktik ist aufgegangen", sagte ein Polizeisprecher. Ziel sei es gewesen, die Geiselnahme ohne Blutvergießen zu beenden. "Die Psychologen haben ihm aber auch klar gemacht, dass er keine Chance hat, wenn er nicht aufgibt", sagt Dominik Drohmann, ein Nachbar. "Es war wie im Fernsehen, nur besser, eine Meisterleistung".

Drohmann hatte zusammen mit einem Kumpel das Szenario per Fernglas verfolgt. Am Morgen wurde den Beobachtern von Polizisten beschieden, in einen rückwärtigen Raum der Wohnung zu gehen. Ein Schusswechsel schien offenbar möglich. Insgesamt hatte die Polizei in der Nacht zum Dienstag mehrere hundert Beamte aus der gesamten Umgebung zusammengezogen. Darunter waren auch Spezialeinsatzkräfte und Polizisten aus den Niederlanden.

Was den 37 Jahre alten Niederländer zu der Geiselnahme bewegt hat, blieb auch Stunden nach dem unblutigen Ende des Verbrechens im Dunkeln. Der Mann war vor zehn Jahren nach Polizeiangaben schon einmal als Entführer aufgetreten, damals wohl von einem Freund zur Aufgabe bewegt worden. Diesmal hatte er laut Augenzeugen nach seinen Eltern verlangt.

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Michael Donhauser/DPA

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