Das Sperma eines dänischen Samenspenders, bei dem eine gefährliche genetische Mutation festgestellt wurde, soll Berichten zufolge zur Zeugung von knapp 200 Kindern in Europa genutzt worden sein.
Das ist das Ergebnis der aufwendigen Recherche eines investigativen Reporternetzwerks der Europäische Rundfunkunion (EBU), einem Zusammenschluss öffentlich-rechtlicher Sender.
Krebsrisiko erheblich erhöht
Den Recherchen zufolge, an denen unter anderem Reporter der Deutschen Welle und des ORF beteiligt waren, erhöht der Gendefekt im Sperma des anonymen Spenders das Risiko von Krebserkrankungen erheblich. Es wurde demnach in 20 Prozent seiner Spermien nachgewiesen. Mindestens 197 Kinder sollen mit den Samen des Mannes gezeugt worden sein. Wie viele davon von dem Gendefekt betroffen sind, ist nicht bekannt.
Bei Betroffenen des seltenen Defekts im Gen TP53 sind den Berichten zufolge wegen des dadurch ausgelösten Li-Fraumeni-Syndroms regelmäßige Krebsvorsorgeuntersuchungen dringend notwendig. Krebs kann bereits in der Kindheit auftreten. Laut den Recherchen ist das Problem mit dem Sperma des als Spender 7069 oder "Kjeld" bekannten Mannes seit 2023 bekannt. Dennoch seien noch immer nicht alle potenziell betroffenen Familien kontaktiert worden.
Spender selbst ist nicht erkrankt
Der Fall wirft Fragen hinsichtlich des profitablen Geschäfts mit dem unerfüllten Kinderwunsch vieler Paare auf. Die Samenbank European Sperm Bank in Kopenhagen, von der die Spenden an sogenannte Kinderwunschzentren in verschiedenen europäischen Ländern weiterverkauft wurde, teilte mit, man habe tiefes Mitgefühl mit den Familien, Kindern und dem Spender.
Es handle sich um eine zuvor unbekannte Mutation, die nur in einem kleinen Teil der Spermien auftrete, so die Mitteilung weiter. Der Spender selbst und seine Familie seien nicht erkrankt und eine Mutation dieser Art könne durch genetisches Screening vorsorglich nicht erkannt werden. Als der Gendefekt bestätigt worden sei, habe man den Spender unverzüglich gesperrt und Behörden und Kliniken informiert. Verantwortlich für die Informierung der Betroffenen seien aber die Kliniken.
Allein in Belgien wurden 53 Babys mit dem Sperma gezeugt
Besonders viele Fälle sind den Berichten zufolge aus Belgien bekannt, wohin auch Frauen aus Deutschland zur Behandlung reisten. Allein dort sollen 53 Kinder von 38 verschiedenen Müttern mit dem Sperma gezeugt worden sein, obwohl es in dem Land ein Limit von maximal sechs Familien gibt, die Sperma eines einzigen Spenders verwenden dürfen. Etliche der Frauen sollen aus anderen europäischen Ländern für die Behandlung nach Belgien gereist sein, darunter auch aus Deutschland.
Belgiens Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke forderte der Nachrichtenagentur Belga zufolge eine europäische Datenbank und internationale Beschränkungen für die Verwendung von Sperma eines einzelnen Samenspenders.