Es ist einer der größten Coups in der deutschen Kriminalgeschichte. Vermutlich mehr als 30 Millionen Euro haben Diebe am Montag bei einem spektakulären Einbruch in den Tresorraum einer Sparkassenfiliale in Gelsenkirchen-Buer erbeutet.
Unbemerkt haben sich die Kriminellen über die Feiertage und das Wochenende von einer Parkgarage aus mit einem Kernbohrer Zugang zu dem Raum mit Tausenden Schließfächern verschafft (der stern berichtete). Die Wut der betroffenen Bankkunden und die Sorge um ihre Wertsachen schlugen daraufhin in Tumulte vor der Sparkasse um.
Die Augen der Opfer richten sich jetzt auf die Polizei: Gelingt es den Ermittlern, die Bande zu fassen und zumindest einen Teil der Beute zurückzuholen? Festlegen will sich im Gelsenkirchener Polizeipräsidium naturgemäß niemand, aber es gibt zumindest Ansatzpunkte für die eigens eingerichtete Ermittlungskommission.
Polizei in Gelsenkirchen geht konkreten Spuren nach
Denn so abgebrüht die Täter auch vorgingen – Spuren haben sie dennoch hinterlassen. Vor allem die Aufnahmen der Überwachungskameras aus dem Parkhaus vom Mittwochmorgen, die zunächst die "Bild-Zeitung" veröffentlichte und auch dem stern vorliegen, machen Hoffnung. Sie zeigen unter anderem das Fahrzeug der Täter und mindestens einen von ihnen, wenn auch mit schwarzer Sturmhaube maskiert. Er trägt einen hellen Pullover mit der Aufschrift "Fujitrail" auf dem Rücken und eine dunkle Hose. Die Aufnahmen offenbaren dazu ein kurioses Detail: Der Mann, der mutmaßlich gerade noch Werte in Millionenhöhe gestohlen hat, steht am Parkscheinautomat des Parkhauses und wirft Münzen ein, um das Parkticket zu bezahlen.
Wenig später durchfährt das Fahrzeug der Kriminellen die geöffnete Schranke und rast in der Dunkelheit davon. Bei dem hochmotorisierten Auto handelt es sich um einen schwarzen Audi RS6 mit Hannoveraner Kennzeichen. Die Kfz-Schilder sind laut Polizei zuvor in Hannover gestohlen worden.
Eine weitere Sequenz zeigt einen weißen Mercedes-Kleintransporter. Ihn haben die Täter womöglich zum Abtransport ihrer kiloschweren Millionenbeute genutzt. Mindestens drei Personen müssten demnach an dem Coup beteiligt gewesen sein. "Die Videos sind bekannt und Teil der Ermittlungen", sagt ein Polizeisprecher.
Auch Zeugen, die sich bei den Ermittlern gemeldet haben, wollen laut Polizei in der Nacht von Samstag auf Sonntag "mehrere Männer" im Treppenhaus des Parkhauses gesehen haben. Sie sollen große Taschen bei sich gehabt haben. Bis zum Mittwoch seien zudem mehrere Dutzend Hinweise auf die Täter eingegangen, so der Sprecher weiter.
Verärgerte Kunden bangen um ihr Erspartes
Bei den Kunden der Sparkasse in Gelsenkirchen-Buer wachsen derweil Ärger und Angst um ihren Besitz, den sich eingeschlossen in der Bank sicher glaubten. Am Dienstag warten mehrere Hundert Bankkunden vor der Filiale, die eigentlich wieder öffnen soll – und dann doch geschlossen bleibt. Wann sie wieder geöffnet wird, soll "je nach Sicherheitslage" entschieden werden. Zur Beruhigung trägt das nicht gerade bei.
"Wir wollen rein", skandiert die Menge, bei manchen fließen Tränen. Die Filiale muss von der Polizei geschützt werden. Gegenüber Medien berichten Kunden von Schmuck, Erbstücken und Edelmetallen, die sie in den Schließfächern deponiert haben, sowie von fünf- bis sechsstelligen Bargeldsummen.
"Ich habe ein großes Schließfach, dort liegt Geld und Gold im Wert von 100.000 Euro", erzählt eine Frau der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung". Ein Kunde klagt bei Welt TV: "Ich habe hier komplett meine Ersparnisse hier angelegt. Ich bin ein Arbeiter. Alles weg."
Ob der Inhalt der Bankschließfächer tatsächlich verloren ist, weiß im Moment niemand so genau – ein weiterer Punkt, der bei vielen Kunden für Angst und Wut sorgt. Allerdings muss man davon ausgehen: 95 Prozent der Fächer im Tresorraum wurden geknackt.
Für die Kommunikationspolitik der Sparkasse bringen viele kein Verständnis auf. Die Bank kündigt auf ihrer Website an, die betroffenen Kunden "zeitnah" per Brief zu informieren. Bis das passiert, nehmen Verunsicherung und Wut zu. "Was soll ich jetzt machen: zu Hause sitzen und abwarten? Das ist hier meine Bank, die müssen mir Infos geben", sagt ein Mann vor der Filiale dem "Spiegel".
Inhalt der Schließfächer nur bis 10.300 Euro versichert
Auf eine Rückerstattung können die Opfer des Tresorraubs nur teilweise hoffen. Nach Angaben der Sparkasse ist der Inhalt jedes Fachs standardmäßig bis zu 10.300 Euro versichern. Alles, was darüber liegt, muss mit einer privaten Zusatzversicherung abgedeckt werden. Diese lässt sich zum Beispiel über die private Hausratversicherung oder spezielle Angebote von Versicherungsgesellschaften vornehmen. Fachleute raten dringend dazu.
Doch selbst wenn eine solche Versicherung besteht, könnte es für die betroffenen Kunden schwierig werden, den Verlust zurückerstattet zu bekommen. Dazu müsste ein genauer Nachweis über den Inhalt des Bankschließfachs vorgelegt werden. Existiert dieser nicht, dürfte es auch nicht einfach werden, Geld und Wertgegenstände den einzelnen Schließfächern zuzuordnen – selbst wenn es der Polizei gelingt, die Täter zu fassen und die Beute sicherzustellen.
Die Polizei Gelsenkirchen sucht weiterhin Zeugen. Sie werden gebeten, sich unter den Telefonnummern (0209) 3658112 oder (0209) 3658240 bei den Beamten zu melden.
Hinweis: Dieser Artikel wurde aktualisiert.