Der Erpresser der Quandt-Erbin Susanne Klatten ist bereits am ersten Verhandlungstag wegen versuchter Erpressung und Betrugs zu sechs Jahren Haft verurteilt worden. Der 44-jährige Schweizer Helg Sgarbi hatte am Montag vor dem Landgericht München I gestanden, vier wohlhabende Frauen, darunter Klatten, verführt und um mehrere Millionen Euro erleichtert zu haben. Die Anklage hatte eine neunjährige Haftstrafe gefordert, die Verteidigung hatte fünf Jahre Haft für angemessen gehalten.
Laut Plädoyer der Anklage hat Sgarbi die BMW-Großaktionärin und drei weitere Frauen um 9,3 Millionen Euro betrogen und zum Teil auch mit Videos von intimen Begegnungen zu erpressen versucht, sagte Staatsanwalt Thomas Steinkraus-Koch. Auf der einen Seite habe der 44-Jährige mit seinem überraschenden Geständnis seinen Opfern erspart, als Zeuginnen erneut an die Öffentlichkeit gezerrt zu werden, und "uns heute hier eine große Beweisaufnahme erspart", sagte Steinkraus-Koch.
Auf der anderen Seite habe er drei wichtige Fragen nicht beantwortet: "Erstens, wo ist das Geld? Zweitens, wo sind die Videos? Drittens, was ist mit einer Tatbeteiligung eines Herrn B.?" Helg Sgarbi hatte mit einer erfundenen Geschichte von einem angefahrenen Mädchen sieben Millionen Euro allein von Klatten ergaunert. Der Italiener Ernano B. stehe unter dringendem Verdacht der Mittäterschaft. Er werde aber von den italienischen Behörden nicht ausgeliefert, weil er wegen Bildung einer kriminellen Bande in seiner Heimat vor Gericht gestellt werden solle, erklärte der Staatsanwalt.
Sgarbis Verteidiger hatten fünf Jahre Haft für ihren Mandanten verlangt. Klatten habe praktisch aus freier Entscheidung einen Millionenbetrag bezahlt, sagte Anwalt Egon Geis. Die versuchte Erpressung wiederum drehe sich um die Bekanntgabe einer sexuellen Beziehung, nicht etwa vergleichbar mit der Erpressung von Supermarkt-Ketten durch Gift in Lebensmitteln.
Ankläger lobt Klattens Mut
Der Staatsanwalt zeigte für Klattens Mut zur Anzeige des Täters hingegen große Hochachtung: "Die einzige Geschädigte, die hier aufgestanden ist und eine Aussage machte, ist Frau Klatten. Die anderen mussten wir mühselig suchen." Allein für den Betrug Klattens und den Erpressungsversuch mit dem Video eines Schäferstündchens forderte der Staatsanwalt sieben Jahre Gefängnis, für die anderen drei Fälle neun Jahre. Unterm Strich forderte die Anklage eine Gesamtstrafe von neun Jahren. Der Angeklagte Helg Sgarbi sei "nicht zum ersten Mal in dieser Form tätig geworden": In der Schweiz sei ein Verfahren eingestellt worden, in einem zweiten Fall sei er wegen Nötigung mit intimen Fotos 2003 zu einem halben Jahr Bewährungsstrafe verurteilt worden. Er habe auch Susanne Klatten und die drei anderen Frauen "ganz gezielt ausspioniert und angegangen, um an Geld zu gelangen". Ein Opfer zahle noch heute Kreditzinsen für die an Helg Sgarbi übergebene Summe.
Sgarbi hatte zum Prozessauftakt am Vormittag ein umfassendes Geständnis abgelegt. Er bedauere das Vorgefallene zutiefst und entschuldige sich in aller Öffentlichkeit bei den geschädigten Damen, ließ er über seinen Anwalt verlesen. Die Anklagepunkte "treffen im Kern zu".
Nach Polizeiangaben ergab die Auswertung von Sgarbis Computer, dass es wahrscheinlich ein mindestens 38 Minuten langes Video von einem intimen Treffen Sgarbis mit Klatten gibt. Einen siebenminütigen Ausschnitt hatte der Schweizer an die Milliardärin geschickt. "Wo der Rest dieser Aufnahme ist, wissen wir nicht", sagte ein ermittelnder Polizist.
Geständnis ohne Ross und Reiter
So lange die offenen Fragen nicht geklärt seien, könne das Geständnis "nicht zu seinen Gunsten ausgelegt werden", sagte Staatsanwalt Thomas Steinkraus-Koch während des Prozesses. "Das Geständnis nennt nicht Ross und Reiter." Jemand, der sich nicht zum Verbleib der Beute oder zu Hintermännern äußere, könne auch später im Strafvollzug nicht mit Milde rechnen, sagte der Staatsanwalt.
Nach Angaben eines Ermittlers sind bislang zwischen drei und vier Millionen Euro der Beute - als Bargeld oder auch in Grundstücken und Immobilien - aufgetaucht. "Dann würden immer noch sechs Millionen fehlen", sagte Richter Gilbert Wolf. Laut Anklage hat Sgarbi mehr als neun Millionen Euro von den Frauen bekommen.
Die Staatsanwaltschaft warf dem 44-Jährigen vor, sich an wohlhabende Frauen herangemacht zu haben, "mit der Zielsetzung, sich durch gleich gelagerte Vorgehensweisen eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von erheblichem Umfang zu beschaffen". Ihm wird in vier Fällen Betrug im besonders schweren Fall und in zwei Fällen zusätzlich versuchte Erpressung im besonders schweren Fall vorgeworfen. Die BMW-Großaktionärin Klatten (46) hatte das Verfahren gegen den Übersetzer, der sechs Sprachen spricht, mit ihrer Anzeige ins Rollen gebracht. Sgarbi stellte sich zu Beginn der Verhandlung ruhig und gelassen den Fotografen und Kameraleuten. Die Verlesung der Anklage verfolgte er dann mit hochrotem Kopf.
Der Schweizer hatte die Frauen in edlen Wellness-Hotels kennengelernt und Beziehungen begonnen. Als er seine Erpressungsversuche startete, hatte er laut Anklage von Klatten und zwei anderen Frauen binnen eineinhalb Jahren mehr als neun Millionen Euro bereits freiwillig bekommen.