Mordprozess el-Sherbini Ein Außenseiter voller Hass

Aggressiv, einsam und mit dem Leben unzufrieden: Zeugen haben den mutmaßlichen Mörder der Ägypterin Marwa el-Sherbini als Außenseiter beschrieben.

Er kommt mit seinem Leben nicht zurecht und neigt schnell zu roher Gewalt: Im Prozess um den Mord an der Ägypterin Marwa el-Sherbini haben Zeugen dem Angeklagten Alex W. ein denkbar schlechtes Zeugnis ausgestellt. Schon vor der tödlichen Messerattacke auf die schwangere 31-Jährige habe er einen Mann mit einem Messer bedroht, berichtete etwa Ruslan S. am Montag vor dem Landgericht Dresden. Ein 21-jähriger Freund des Russlanddeutschen sprach über Selbstmordgedanken des Angeklagten: "Ich denke, er hasste sich selbst."

Der Zeuge Ruslan S. erzählte über Auseinandersetzungen mit Alex W. in einem Lehrgang des Arbeitsamtes. Er habe einen älteren Mitschüler beleidigt und angegriffen und dabei "sehr schnell" ein Messer mit acht bis zehn Zentimeter langer Klinge aus seiner Jeans gezogen. Die anderen Männer aus Russland, Kasachstan und der Ukraine hätten versucht, ihn zu beruhigen und aufgefordert, das Messer wegzustecken. "Nach dem Vorfall wollte keiner etwas mit ihm zu tun haben", sagte der 29-Jährige.

Alex W. sei ein Mensch, der allein lebte, mit dem niemand etwas zu tun haben wollte und der unter Einsamkeit gelitten habe, bestätigte auch sein Freund Sergej G. vor Gericht. "Er hatte keine Vorstellungen von der Zukunft, kein Ziel, keinen Sinn in seinem Leben", sagte der 21-Jährige. Alex W. sei ständig unzufrieden gewesen, auch weil er keine Arbeit gefunden habe. Allerdings habe er ihn nie aggressiv erlebt.

Aufregung um die Mutter

Eine Augenzeugin berichtete jedoch, der Angeklagte sei auf jenem Spielplatz "sofort aggressiv" geworden, auf dem Marwa el-Sherbini ihn im August 2008 bat, die Schaukel für ihren Sohn freizumachen. Er habe sie beleidigt und sich auch von seiner eigenen Mutter nicht beruhigen lassen, so ein anderer Augenzeuge. In der Verhandlung wegen Beleidigung wurde Alex W. zu einer Geldstrafe verurteilt. Da er gegen die Entscheidung in Berufung ging, kam es am 1. Juli zu einer Neuauflage des Verfahrens.

Der Russlanddeutsche ist angeklagt, die Ägypterin im Gerichtssaal aus Fremdenhass brutal erstochen und ihren Ehemann lebensgefährlich verletzt zu haben, als dieser seine Frau beschützen wollte. Die Tat löste vor allem in der islamischen Welt Entsetzen aus.

Am Montagvormittag hatte sich Alex W. über Aussagen seiner Mutter in der "Bild am Sonntag" aufgeregt. Wieder verzögerte sich der Prozess um eine Stunde, da die Anwälte des 28-Jährigen eine mögliche Verhandlungsunfähigkeit befürchteten.

"Er will nicht mehr leben"

Der Zeitungsbericht habe ihn "betroffen gemacht", sagte Pflichtverteidiger Michael Sturm. Sein Mandant empfinde das Interview als Verrat, da wohl vereinbart gewesen sei, nicht mit den Medien zu sprechen, erklärte die Vorsitzende Richterin Birgit Wiegand später. Die Kammer gestattete Alex W., nach der Verhandlung mit seiner Mutter darüber zu sprechen.

In der "BamS" hatte die Architektin öffentlich um Verzeihung gebeten. "Ich leide mit der Familie", wird sie zitiert. Es tue ihr leid um die getötete Frau, um deren ungeborenes Kind und den Sohn, der alles mit ansehen musste. Ihr eigener Sohn sei verzweifelt. "Er will nicht mehr leben."

Der Angeklagte schweigt

Es habe ihn tief verletzt, dass Marwa el-Sherbini ihm abgesprochen habe, Deutscher zu sein. "Das traf sein Selbstwertgefühl." W.s Mutter erzählte, ihre Familienmitglieder seien in Russland als Faschisten beschimpft worden. Mitschüler hätten Alex W. in der Schule wegen seiner Abstammung gehänselt und geschlagen.

Da der Angeklagte bisher schweigt, will die Kammer seine Mutter und seine Schwester hören. Beide hätten bisher aber von ihrem Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch gemacht, sagte Richterin Wiegand.

Alex W. muss sich seit dem 26. Oktober wegen Mordes, versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung verantworten. Der Prozess, über den viele arabische Medien berichten, wird an diesem Dienstag fortgesetzt. Als Zeugen sind vier Bundespolizisten und Ermittler geladen. Das Urteil soll am 11. November gesprochen werden.

DPA
DPA

PRODUKTE & TIPPS