Natascha Kampusch hat ein achtjähriges Martyrium erlebt - nun werden neue Details über ihr Leben mit ihrem Entführer Wolfgang Priklopil bekannt. Schon in ihrem Fernsehinterview hatte die heute 18-Jährige erzählt, dass Priklopil sie in ihrem Verlies hungern ließ - im Alter von 15 Jahren wog sie nur noch 37 Kilo. Wie der stern nun in seiner neuen Ausgabe berichtet, spielte der Entführer Jo-Jo mit dem Körpergewicht seines Opfers. Demnach gab er Natascha nach einer Hungerphase viel zu viel zu essen, sagt einer ihrer Anwälte. Priklopil nötigte Natascha auch zu demütigender Hausarbeit: Als der Putz von der Decke bröckelte, musste sie jedes einzelne Körnchen wieder aufpicken. War Priklopil mit ihrer Arbeit nicht zufrieden, schlug er Natascha grün und blau. Nach solchen Gewaltakten versuchte er sie wieder herzurichten und fotografierte sie dann.
"Ich habe in die Hölle geguckt"
Der ehemalige Medienberater Dietmar Ecker hat Natascha Kampusch in den ersten Wochen nach ihrer Flucht betreut. Er will über Einzelheiten nicht reden, aber dem stern sagt er: "Ich habe in die Hölle geguckt. Das alles ist ein psychologischer Grenzfall. Die Urangst - das Mädchen hat alles erlebt, was man nicht erleben will, grauenhafte Geschichten. Und einige nehme ich als Geheimnis mit in meine Holzkiste."
Ecker ging die Leidensgeschichte offenbar zu nahe - ein Grund dafür, dass er kurz nach Nataschas Aufsehen erregendem Fernsehinterview vor zwei Wochen aus dem Beraterteam des Entführungsopfers ausgestiegen ist. Ecker kritisiert jetzt den medialen Umgang mit Natascha: "Frau Kampusch wird nun rumgereicht wie eine Zirkussensation." Auch der Leiter des Beraterteams, der Psychiater Max Friedrich, macht sich Sorgen um seine Patientin, die zurzeit "wie der russische Tanzbär am Nasenring herumgezogen wird", sagt er dem stern.
stern 39/2006
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Neue Einzelheiten gibt es zudem über den mysteriösen Skiausflug von Priklopil und Natascha. Wie der Online-Dienst des österreichischen Magazins "News" meldet, habe Natascha während des Ausflugs in Niederösterreich versucht, auf einer Toilette mit einer Frau Kontakt aufzunehmen. Doch die Touristin habe kein Deutsch gesprochen. Ihr Entführer habe währenddessen vor der Tür gewartet. Der stern hatte bereits in der vergangenen Woche berichtet, dass Priklopil mit seinem Opfer Skifahren gegangen sei. Natascha hatte diese Nachricht zunächst zurückgewiesen, ihr Anwalt bestätigte den Ausflug später.
Polizei will Tatmotive finden
Die Ermittlungen im Fall Kampusch laufen weiter auf Hochtouren. Der Polizei lägen Aussagen aus der Bevölkerung vor, wonach Wolfgang Priklopil mit anderen Personen gesehen worden sei, berichten österreichische Medien. Hinweise, ob diese Personen in die Entführung verwickelt sein könnten, gebe es jedoch noch nicht. Auf dem Grundstück Priklopils, auf dem Natascha mehr als acht Jahre gefangen war, seien jedoch tausende DNA-Spuren gesichert worden, so Gerhard Lang vom österreichischen Bundeskriminalamt. Diese würden nun ausgewertet. Die Polizei will auch Profiler einsetzen, die mit Hilfe der Notizen Nataschas und des Entführers mögliche Motive für die Tat finden sollen.