Britannien ist in Aufruhr wegen eines unverhältnismäßigen Polizeieinsatzes. Seit Tagen hält der Fall Sarah Everard die Nation in Atem. Die Marketing-Managerin war auf dem Nachhauseweg überfallen und ermordet worden. Der Musikpavillon in Clapham Common wurde als Ort des Totengedenkens gewählt, weil Everard vor ihrem Verschwinden dort zuletzt lebend gesehen wurde.
Die Trauerwache fand statt, nachdem Scotland Yard bestätigte, dass in Kent gefundene menschlichen Überreste zu Sarah Everard gehörten. Am Samstag wurde der Polizeibeamte Wayne C., 48, in Untersuchungshaft genommen, nachdem er vor dem Westminster Magistrates' Court wegen Entführung und Mordes angeklagt worden war. Die Leiche von Everard wurde in einem Bausack gefunden und anhand von Zahnunterlagen identifiziert.
Unsicherheit von Frauen
Die schreckliche Tat rührt an Ur-Ängste und brachte die berechtigte Frage auf, wie sicher Frauen nachts auf den Straßen sind. Am Nachmittag hatte die Herzogin von Cambridge den Platz besucht, um Blumen für Sarah Everard niederzulegen. Der Kensington-Palast sagte dazu, Kate Middleton "erinnerte sich daran, wie es war, nachts durch London zu gehen, bevor sie verheiratet war" und "wollte der Familie und Sarah ihren Respekt zollen". Kate Middleton hatte in der Nähe des Ortes gewohnt, an dem die Marketing-Managerin am 3. März auf dem Weg nach Hause entführt wurde.
Brutaler Einsatz
Die geplante Mahnwache wurde nicht genehmigt, stattdessen trafen immer mehr Trauernde und Polizeikräfte an dem Platz ein. Schätzungsweise 1500 Menschen versammelten sich am Samstagabend in Clapham Common und trugen Schilder mit der Aufschrift "Sie ist nur nach Hause gegangen" und "Wir sind die 97 Prozent". Ohne die in Coronazeiten eigentlich gebotene Distanz – aber vollkommen friedlich. Bis die Polizei einschritt und brutal gegen die trauernden Frauen einschritt. Auf Videoaufnahmen ist zu sehen, wie die Polizei auf den zentralen Pavillon vorrückt. Dann begann die Menge Slogans zu skandieren: "Verhaftet eure eigenen Leute" und "Schämt euch". Den Aufnahmen zufolge gingen die Beamten rücksichtlos gegen die Frauen vor. Sie warfen sie zu Boden und legten ihnen Handschellen an.
Aufnahmen, die in den sozialen Medien gepostet wurden, zeigten das Handgemenge zwischen Beamten der Met Police und einigen Frauen. Dazu hört man Schreie: "Ihr seid Abschaum" und "Ihr sollt uns beschützen".
Rücktrittsforderungen
Die Politiker aller Lager haben sich entsetzt gezeigt. Der Londoner Bürgermeister Sadiq Khan twitterte: "Die Szenen von Clapham Common sind inakzeptabel. Die Polizei hat die Verantwortung, die Covid-Gesetze durchzusetzen, aber von den Bildern, die ich gesehen habe, ist es klar, dass die Reaktion zeitweise weder angemessen noch verhältnismäßig war. Ich stehe in Kontakt mit dem Kommissar und bitte dringend um eine Erklärung."
Auch Innenministerin Priti Patel tweetete: "Einige der online kursierenden Aufnahmen von der Mahnwache in Clapham sind erschütternd. Ich habe die Metropolitan Police um einen vollständigen Bericht über die Geschehnisse gebeten."
Der Vorsitzende der Liberaldemokraten, Ed Davey, forderte den Rücktritt der Polizeichefin der Metropolitan Police, Cressida Dick. Sie habe "das Vertrauen von Millionen von Frauen in London verloren", sagte Politiker. Die britische Innenministerin Priti Patel und Londons Bürgermeister Sadiq Khan teilten mit, sie hätten von der Polizei Erklärungen für ihr Vorgehen gefordert.