Es ist ein tragischer Fall, der London in Atem hält. Am 3. März machte sich Sarah Everard auf den Heimweg, nachdem sie eine Freundin auf ein Glas Wein getroffen hatte. Vom Haus der Freundin sind es knapp 50 Minuten zu Fuß zu Everards Wohnung. 15 Minuten davon telefonierte die 33-Jährige mit ihrem Freund.
Sarah Everard: Polizist wurde festgenommen
Was dann mit ihr geschah, weiß bislang noch keiner. Everard kam nie zuhause an. Überwachungskameras wurden ausgewertet und führten offenbar auf die Spur eines britischen Polizisten, der mittlerweile wegen des Verdachts auf Mord festgenommen wurde. In einem Waldstück bei Kent wurden Überreste eines menschlichen Körpers gefunden, ob es sich dabei um die junge Frau handelt, wird noch ermittelt.
Die Vermisstenanzeige wurde seit Everards Verschwinden auch auf Social Media wie wild geteilt. Blogger und Prominente riefen dazu auf, alle Hinweise der Polizei zu melden, ein Foto der jungen Frau verbreitete sich wie ein Lauffeuer.
Debatte über Sicherheit
Genauso schnell wurde eine generelle Debatte losgetreten. Denn so leidenschaftlich nach Everard gesucht wurde, so leidenschaftlich wurde an mancher Stelle sogenanntes Victim Blaming betrieben. Dabei wird die Schuld beim Opfer, nicht aber beim Täter gesucht. Warum sie denn so spät noch auf der Straße unterwegs gewesen sei, fragten manche im Netz. Everard verließ das Haus ihrer Freundin um 21.00 Uhr.
Die jüngsten Kommentare in diese Richtung stießen allerdings auf viel Gegenwehr. In den sozialen Netzwerken sammelten sich vor allem Frauen und teilten unter den Hashtags "Too Many Men", "Reclaim The Streets" und "Sarah Everard" ihre eigenen Erfahrungen: Den Schlüssel als Waffe in der Hand halten, mit Freunden telefonieren, auf der Straße laufen, um dunkle Ecken zu vermeiden, sich über die Schulter gucken – all das sind Mittel zum Selbstschutz, die wohl jede Frau nur zu gut kennt. Besonders tragisch ist, dass Everard selbst alle möglichen Sicherheitsvorkehrungen getroffen hatte: Sie trug helle Kleidung, trug Sportschuhe, lief auf großen Straßen und telefonierte mit ihrem Freund. Am Ende war selbst das nicht genug.

Frauen berichten von ihren eigenen Erfahrungen
Der Tenor vieler Tweets und Kommentare ist geprägt von Wut. Vor allem deshalb, weil Frauen in Clapham (wo Everard verschwand) von der Polizei geraten wurde, in dieser Woche nicht mehr alleine des Nachts auf der Straße zu gehen. Jenny Jones, eine Politikerin von der Green Party, forderte daraufhin eine Ausgangssperre für Männer nach 18 Uhr. Eine ähnliche Debatte gab es in den Siebzigerjahren, als der Yorkshire Ripper systematisch tötete. Frauen wurde damals empfohlen, zuhause zu bleiben. Es folgten Protestzüge im ganzen Land, auf denen gefordert wurde, nicht die Opfer zu bestrafen, sondern die Täter.
Diane Abbott, ebenfalls britische Politikerin, schrieb auf Twitter: "Selbst nach all den Jahren: Wenn ich spät nachts auf einer einsamen Straße unterwegs bin und die Schritte eines Mannes hinter mir höre, überquere ich automatisch die Straße. Es ist die Gewohnheit eines ganzen Lebens, zu versuchen, sicher zu sein. Aber es sollte nicht so sein."
Ebenfalls auf Twitter nutzen einige Männer zurzeit die Chance, zu helfen. Sie wollen wissen, was sie tun können, damit Frauen sich sicherer fühlen. Einer der Tipps, der oft genannt wird ist, einfach die Straßenseite zu wechseln, wenn man bemerkt, dass eine Frau vor einem unsicher wird und oft über die Schulter blickt. Der Fall Sarah Everard steht stellvertretend für viele Frauen. Wie Journalistin Kate Bevan treffend zusammenfasste: "Sie war eine von uns und sie ist wir alle."
Verwendete Quellen:"Sky News" / "Daily Mail" / "Evening Standard"