Verschollene Touristen Karawane entdeckt Tunnelsystem

Sechs voneinander unabhängige Reisegruppen von der Wüste verschluckt - das ist selbst für Einheimische ein Rätsel. Auf der Suche nach den verschollenen Sahara-Touristen, darunter 16 Deutsche, hat eine Karawane eine mögliche Spur entdeckt.

«Nicht nach Algerien. Bringt Euch in Sicherheit», warnt der Sahara-Informationsdienst eindringlich Reisende in Nordafrika. Die algerische Sahara ist wahrscheinlich bereits für 29 europäische Touristen zur Falle geworden. Sie werden teils seit Wochen vermisst. Auf der Suche nach den Verschollenen, darunter 16 Deutsche, hat eine Kamelkarawane der Nomaden eine erste mögliche Spur entdeckt. In dem unzugänglichen Gebiet nahe der libyschen Grenze rund 50 Kilometer von dem Wüstenstädtchen Illizi entfernt ist sie nach Medienberichten auf ein unterirdisches Tunnelsystem gestoßen, indem sich Menschen befinden sollen.

Die Entdeckung gibt Spekulationen neuen Auftrieb. Vermutungen, dass die Touristen verschleppt worden sind, ob von Terroristen oder kriminellen Banden, machten in Illizi schnell die Runde. Sechs voneinander unabhängige Reisegruppen mit Motorrädern oder Kleinbussen unterwegs von der Wüste verschluckt - das ist selbst für die Einheimischen ein Rätsel. Doch auch die blaugewandeten Tuaregs, die mit ihren Kamelkarawanen durch unwegsamstens Gelände ziehen und in dem Städtchen regelmäßig Station machen, konnten zunächst nichts berichten.

Berühmt-berüchtigte »Gräberpiste»

Illizi ist ein Ausgangsort für die berühmt-berüchtigte »Gräberpiste». Die Strecke nach Bordj Omar Driss erinnert mit ihren vielen Grabstätten vor allem an die Toten der Kämpfe zwischen den einstigen französischen Kolonialherren und den aufsässigen Tuareg. Sie führt durch eine Sand- und Felslandschaft von überwältigender Schönheit und zieht viele Touristen an. Sie hatte auch die Vermissten aus Deutschland, der Schweiz, Österreich und den Niederlanden angelockt, die seit Ende Februar auf mysteriöse Weise verschwanden.

Außerhalb der Mauern sicherer Oasenstädte wie Illizi lauern im dünn besiedelten Süden die vielfältigsten Gefahren. Bestens ausgestattete Reisende, die mit teueren Geländewagen, starken Motorrädern, Satellitenhandys und Elektronikgeräten ausgerüstet sind, wecken besondere Begehrlichkeiten in einem Land, in dem fast ein Drittel der 30 Millionen Einwohner unterhalb der Armutsgrenze lebt.

Polizei praktisch machtlos

Gegen kriminelle Banden in den Weiten der Wüste ist die Polizei praktisch machtlos. Meist gut motorisiert, tauchen sie in Windeseile unter und verstecken sich in den unzähligen Schluchten der Grenzgebiete. Bei den Überfällen wurde in den vergangenen Jahren jedoch niemand getötet, soweit bekannt. Ein Tourist berichtete unlängst, zwei Banditen hätten ihm mit vorgehaltener Kalaschnikow den Land Cruiser gestohlen, ihn aber dann bis kurz vor Tamanrasset im Hoggar-Gebirge mitgenommen, damit er sicher in die Stadt gelangt. Weniger bedrohlich sind die vielen Schmugglerbanden.

«Im Gegensatz zum algerischen Norden ist der Süden sicher, solange man sich in der Obhut der Einheimischen hält», beteuert Tourveranstalter Achmed Zegri. Doch immer mehr Touristen seien ohne Führer unterwegs. Seit langem gibt es bereits Warnungen für den Norden, in dem Armut und Terrorismus ein Teufelskreis bilden.

Bewaffnete Gruppen islamistischer Extremisten liefern der Regierung von Präsident Abdelaziz Bouteflika in den Bergen der Küstenregion um Algier einen harten Kampf. Nachdem die Islamisten vor gut zehn Jahren bei den ersten freien Parlamentswahlen durch einen kalten Staatsstreich der Generäle ausgebootet wurden, begann eine Welle der Gewalt. Mehr als 100 000 Menschen kamen nach Schätzungen ums Leben. Bouteflikas Versuch einer Versöhnungspolitik hatte begrenzt Erfolg. Widerstand leisten als einzige weiter die Bewaffneten Islamischen Gruppen GIA und die El Kaida nahe GSPC - «Salafistengruppe für Predigt und Moral». Algerische Medien vermuteten, dass die verschollenen Touristen von einer Splittergruppe der GSPC entführt worden ist, die Verbindungen zum Terrornetz von Osama bin Laden hat.

Tuaregs berichten von «Rebellen»-Stützpunkt

Als «Emir» leitet Mokthar Bel Moktahr die Gruppe, die im Großraum Mali, Mauretanien, Libyen und Algerien aktiv sein soll. Tuaregs haben nach dem Sahara-Informationsdienst berichtet, dass «Rebellen» im Gebiet des südlichen Oued (trockenes Flussbett) Samene seit Ende vergangenen Jahres ein Stützpunkt aufgebaut hätten. Befürchtungen löst dies nicht nur bei den Nomaden aus, die von den Reisenden als lukrative Einnahmequelle profitieren. Die gesamte Tourismusbranche Algeriens, die sich gerade zu erholen begann und nach 860 000 Besuchern vor zwei Jahren zuletzt 1,2 Millionen zählte, droht erneut ein Einbruch. Deutsche, Belgier und Niederländer, die Wüstenexpeditionen besonders schätzen, reisen bereits in Scharen ab.

DPA
Birthe Blechschmidt

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