In Deutschland gibt es derzeit bereits mehrere Waldbrände. Seit Montag wüten zwei große Feuer im Südwesten Mecklenburg-Vorpommerns. Der Waldbrand bei Hagenow dehnte sich in der Nacht auf Dienstag von 35 auf 45 Hektar aus. Hier musste am Montagabend der Ort Volzrade mit rund 160 Einwohnern evakuiert werden. Parallel brennt aktuell in Lübtheen auf einer Fläche von rund 100 Hektar ein Wald. Bei Jüterbog südlich von Berlin ist ein Waldbrand auf einem ehemaligen Truppenübungsplatz erneut aufgeflammt. Hier stehen nach Angaben der Leiterin des Jüterboger Ordnungsamts vom Dienstag ungefähr zwei Hektar in Flammen. Im Taunus in Hessen brach am Montagnachmittag ebenfalls ein Waldbrand aus.
Und nicht nur in Deutschland kommt es aufgrund der heißen Temperaturen und der anhaltenden Trockenheit zu schweren Waldbränden. In Kanada wüten schon seit Wochen verheerende Feuer; Anfang Juni waren es 413 aktive Brände in mehreren Provinzen. Der durch die Feuer entstehende Rauch war in der vergangenen Woche bis in die USA gezogen. Dass ein Waldbrand nicht nur der Natur und dem Klima sondern auch dem Menschen schadet, zeigte sich nun etwa in New York. In der US-Metropole verursachte er die schlechteste Luftqualität seit Jahrzehnten; er war in den Atemwegen und an den Augen zu spüren, viele Menschen litten unter Kopfschmerzen, die Gouverneurin des Bundesstaates New York ließ Mund-Nasen-Masken verteilen.
Der Kontakt mit Waldbrand-Rauch kann zu Husten, Keuchen, Augenreizungen und Hautausschlägen sowie anderen dermatologischen Problemen führen. Aber er kann auch noch deutlich weitreichendere gesundheitliche Folgen haben.
Waldbrände verbrennen nicht nur Bäume
Denn der bei einem Waldbrand entstehende Rauch ist giftiger als jener, der bei einem Feuer anderer Art entsteht. Neben Pflanzen und Bäumen verbrennen oft auch Autos, Gebäude und diverse Gegenstände, die sich darin befinden. Der durch den Brand freigesetzte Rauch enthält somit schädliche Gase, Chemikalien und Feinstaub. Oft sind auch Rückstände von Metallen, Kunststoffen und anderen synthetischen Materialien enthalten, was ein ernsthaftes Gesundheitsrisiko darstellt. Dieses ist sogar giftiger als Luftverschmutzung. Und der Waldbrand-Rauch kann wochenlang in der Luft bleiben und sich hunderte Kilometer weit ausbreiten.
Dem Direktor des Zentrums für Gesundheit und Umwelt an der University of California in Davis, Kent Pinkerton, zufolge verursacht der durch einen Waldbrand freigesetzte Rauch mehr Entzündungen und Gewebeschäden im menschlichen Körper als die gleiche Menge an Luftverschmutzung.
Waldbrand-Rauch kann diverse Erkrankungen verursachen
Studien haben ergeben, dass sich durch die Aufnahme von Waldbrand-Rauch die Rate von Herzinfarkten, Schlaganfällen und Herzstillständen erhöht. Außerdem leiden Menschen, die den Rauch eingeatmet haben, vermehrt an Asthma und anderen Atemwegserkrankungen und auch an einem geschwächten Immunsystem. In der Folge müssen Patientinnen und Patienten öfter in die Notaufnahme.
Kanadische Forscher kamen neulich zu dem Ergebnis, dass Menschen, die in den vergangenen zehn Jahren außerorts und in einem Umkreis von 50 Kilometer um einen Waldbrand lebten, ein knapp fünf Prozent höheres Lungenkrebsrisiko und ein um zehn Prozent erhöhtes Risiko eines Hirntumors hatten, als Menschen, die keinem Waldbrand ausgesetzt waren.
Keith Bein vom Zentrum für Gesundheit und Umwelt der University of California sagt: "Bei wiederholter Exposition, Sommer für Sommer, ist es wahrscheinlicher, dass Krankheiten verursacht werden." Es sei allerdings schwer, Vorhersagen über die Anzahl und die Dauer von Waldbränden sowie die Bestandteile des Rauchs zu machen.
Auch die erhöhte Übertragung von Covid-19 ist auf die Ausbreitung von Rauch von Waldbränden zurückzuführen. Und die Schwangerschaft von Frauen kann beeinträchtigt werden: Ein verringertes Gewicht des Säuglings, eine Frühgeburt und sogar ein Schwangerschaftsverlust ist möglich.
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Auswirkungen auf Immunsystem und bei Schwangerschaft
Im Sommer 2008 war es im kalifornischen Davis zu Waldbränden gekommen, woraufhin sich der Rauch in der Umgebung ausbreitete. Die School of Veterinary Medicine startete eine Langzeitstudie mit wenige Monate alten Rhesus-Affen, die in einem Freigehege des California National Primate Research Center lebten. Im Lauf der Jahre stellte die Forscherin und Professorin Lisa Miller Auswirkungen auf das Immunsystem und die Lungenfunktionen der jungen Primaten fest. Diese ähnelten denen der menschlichen Lungenkrankheit COPD. Jene Affen, die im Folgejahr nach den Waldbränden geboren wurden, wiesen diese Symptome nicht auf.
Ein zweites Experiment mit Rhesus-Affen im Herbst 2018 zeigte, dass die Tiere, die zu Schwangerschaftsbeginn dem Rauch eines 100 Meilen entfernten Brandes ausgesetzt waren, ein erhöhtes Risiko von Fehlgeburten aufwiesen. So führten 82 Prozent der Schwangerschaften zu erfolgreichen Lebendgeburten, während die Zahl in den neun Jahren zuvor 86 bis 93 Prozent betrug.
Beschwerden noch Monate nach den Bränden
Solche Feststellungen machten die Forscher nicht nur bei Affen. Nachdem es in den kalifornischen Städten Sonoma und Napa 2017 Waldbrände gegeben hatte, untersuchte die Professorin für öffentliche Gesundheitswissenschaften und Leiterin des UC Davis Environmental Health Sciences Center, Irva Hertz-Picciotto, Frauen, die 2017 während ihrer Schwangerschaft oder kurz vor der Schwangerschaft dem Rauch von Waldbränden ausgesetzt waren. Auch deren Babys wurden untersucht. Über die Hälfte der Befragten gab schließlich an, in den ersten drei Wochen nach Ausbruch der Brände mindestens unter einem Symptom gelitten zu haben. Mehr als jede fünfte Person berichtete von Asthma oder Keuchen. Bei vielen hielten die Atemwegsbeschwerden auch noch Monate nach den Bränden an.
"Es gibt immer noch die Ansicht, dass die Auswirkungen der schlechten Luftqualität nur vorübergehend sind, aber was wir sehen, deutet darauf hin, dass die Auswirkungen noch viele Monate nach den Bränden anhalten – und dann beginnt wieder die Brandsaison", sagte Hertz-Picciotto. Der Forscherin zufolge können leichter Symptomen durch Waldbrand-Rauch auftreten, wenn man diesem wiederholt ausgesetzt ist. Damit ist sie gleicher Meinung wie ihre Kollegin Keith Bein. "Es braucht vielleicht weniger Auslöser, um Symptome zu bekommen."
Übertragung von Schimmelpilz auf den Menschen
Waldbrand-Rauch kann außerdem Schimmelpilz aus dem Waldboden über weite Entfernungen in der Luft transportieren und diesen offenbar auf den Menschen übertragen. Im Jahr 2020 stellten Naomi Hauser, Spezialistin für Infektionskrankheiten und stellvertretende klinische Professorin an der UC Davis Health, und ihre Kollegen einen Anstieg von Schimmelpilzinfektionen fest. Betroffen waren vor allem Patienteninnen und Patienten mit Verbrennungen. Denn Brandopfer aber auch Menschen mit einem geschwächten Immunsystem sind anfälliger. Die Forscher registrierten eine Verdoppelung der Schimmelpilzinfektionen und sahen einen Zusammenhang zur Brandsaison.
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Erhöhte Sorge gilt Personen, die im Freien arbeiten sowie Kindern. "Kinder sind im Freien sehr aktiv, sie nehmen im Verhältnis zu ihrer Lungenmasse mehr Luft auf als Erwachsene und reagieren besonders empfindlich auf Waldbrandrauch", so Pinkerton von der University of California in Davis. Er erklärt: "Ihr Immunsystem befindet sich noch in der Reifung." Ausführliche Kenntnisse über Langzeitfolgen durch das Einatmen von Waldbrand-Rauch gibt es zwar noch nicht, allmählich erscheinen aber Ergebnisse von entsprechenden Untersuchungen.
Quellen: UC Davis Magazine, Reuters, mit DPA.